Präsident Donald Trump bei einer Rede am Dienstag, 23. September 2025, in der 80. Sitzung der UN-Generalversammlung (AP Photo/Angelina Katsanis)
US-Präsident Donald Trump steht kurz davor, das sogenannte Aufstandsgesetz (Insurrection Act) von 1807 einzusetzen. Dieser Schritt würde ihm weitreichende Befugnisse dazu einräumen, das US-Militär auf dem gesamten Gebiet der Vereinigten Staaten unter seiner persönlichen Kontrolle zu entsenden. Mit den entsprechenden Plänen wird die anhaltende Verschwörung zur Errichtung einer Präsidialdiktatur maßgeblich verschärft.
NBC News berichtete am Mittwoch unter der Überschrift „Vertreter der Trump-Regierung erwägen laut Quellen ernsthaft die Anwendung des Insurrection Act“, dass laut namentlich nicht genannten, hochrangigen Vertretern des Weißen Hauses „die Debatte innerhalb der Regierung sich kürzlich darauf verlagert hat, genauer zu prüfen, wie und wann das Gesetz angewendet werden könnte“. Laut zwei Quellen aus dem Inneren des Weißen Haus seien Regierungsvertreter sogar so weit gegangen, „juristische Verteidigungsstrategien und verschiedene Optionen für die Anwendung des Gesetzes zu entwerfen“.
Die Behauptung, die Regierung würde die Anwendung des Gesetzes lediglich „prüfen“, ist eine offensichtliche Lüge. In Wirklichkeit ist die Entscheidung bereits gefallen. NBC News zitierte einen Vertreter des Weißen Hauses mit den Worten, dass dieser Schritt nicht „unmittelbar bevorsteht“. Doch handelt es sich um den Versuch, Sorglosigkeit zu verbreiten. Tatsächlich bereitet sich die Regierung darauf vor, das Gesetz anzuwenden und mit konkreten Maßnahmen zu kombinieren, zu denen Massenverhaftungen, die gewaltsame Unterdrückung des Widerstands und der Einsatz von US-Militäreinheiten in Städten in den gesamten Vereinigten Staaten gehören könnten.
Ein Statement des Weißen Hauses unterstreicht weiter, dass die Entscheidung zur Anwendung des Insurrection Act bereits getroffen wurde: „Die Trump-Regierung ist entschlossen, Recht und Ordnung in amerikanischen Städten wiederherzustellen, die wegen der Misswirtschaft der Demokraten von Gewalt heimgesucht werden. Und Präsident Trump wird nicht tatenlos zusehen, wie gewalttätige Randalierer Bundespolizisten angreifen. Die Regierung wird sich für den Schutz des Eigentums und der Beamten des Bundes einsetzen und die amerikanischen Städte wieder sicher machen.“
Die Chronologie der Ereignisse macht deutlich, dass Trumps Vorgehen einem Zeitplan folgt. Am Montag sagte er, er werde das Gesetz anwenden, „falls es nötig sein sollte“, und erklärte weiter: „Wenn Gerichte uns aufhalten oder Gouverneure oder Bürgermeister uns aufhalten, dann würde ich das natürlich tun.“ Trump-Berater Stephen Miller bezeichnete daraufhin die Urteile der Bundesgerichte gegen die Entsendung der Nationalgarde in den US-Bundesstaat Oregon als „Aufstand“ („insurrection“).
Am Dienstag veranstaltete Trump im Weißen Haus ein außerordentliches Treffen mit rechtsextremen und faschistischen Medienpersönlichkeiten. Bei den Gesprächen standen Maßnahmen zur Zerschlagung der „Antifa“ im Zentrum – ein Sammelbegriff, unter den alles fällt, was mit Widerstand gegen die faschistischen Maßnahmen der Regierung zu tun. Trump drohte erneut, den Gouverneur von Illinois, J.B. Pritzker, sowie den Bürgermeister von Chicago, Brandon Johnson, verhaften zu lassen.
Das faschistische Spektakel, über das in den Medien kaum berichtet wurde, setzte einen neuen Tiefpunkt, als der rechtsextreme Propagandist Jack Posobiec Trump dafür lobte, dass er sich der „Antifa“ entgegenstellte, deren „verschiedene Versionen“ man „fast 100 Jahre zurückverfolgen“ könne – „bis zur Weimarer Republik in Deutschland“. Mit dem Verweis auf Weimar zog Posobiec eine direkte historische Parallele zwischen dem antifaschistischen Widerstand gegen Hitler und der aktuellen Opposition gegen Trumps Diktatur und bedauerte gleichzeitig, dass es Widerstand gegen den Faschismus gegeben hat.
Die rechten Medienpersönlichkeiten, die ins Weiße Haus eingeladen worden waren, gingen sogar so weit, die Democratic Socialists of America (DSA), die eine organisierte Fraktion innerhalb der Demokratischen Partei darstellen, als Teil eines riesigen „Antifa-Netzwerks“ hinzustellen. Die Ministerin für Heimatschutz, Kristi Noem, stellte die „Antifa“ mit „ISIS, Hisbollah und Hamas“ auf eine Stufe. Generalstaatsanwältin Pam Bondi schwor, „die gesamte Organisation von oben bis unten zu zerstören“. Das heißt: wer auch immer zu einem Mitglied der „Antifa“ erklärt wird, dem drohen Verhaftung oder Tod.
Die Anwendung des Insurrection Act wird dazu dienen, diese Pläne umzusetzen. Das Gesetz von 1807 befugt den Präsidenten, das Militär innerhalb der Vereinigten Staaten einzusetzen, um „Aufstände“ und „Rebellionen“ zu unterdrücken, wobei gemäß dem Gesetz „Posse Comitatus Act“ von 1878 der Einsatz des Militärs zur Durchsetzung innerstaatlicher Gesetze generell verboten ist. Der Insurrection Act stellt die wichtigste Ausnahme davon dar.
Sieht man von der Anwendung dieses Gesetzes durch Abraham Lincoln nach dem Angriff der Südstaaten auf Fort Sumter zu Beginn des Amerikanischen Bürgerkriegs einmal ab, so wird der Einsatz des Insurrection Act historisch mit reaktionärer Unterdrückung in Verbindung gebracht. Präsident Andrew Jackson nutzte es im Jahr 1831, um den Sklavenaufstand von Nat Turner niederzuschlagen.
Nach dem Bürgerkrieg wurde das Aufstandsgesetz zu einer Waffe im Kampf gegen die Arbeiterbewegung: Es wurde gegen den großen Eisenbahnstreik von 1877, den Pullman-Streik von 1894, die Kämpfe der Bergarbeiter in Colorado und West Virginia und den Marsch der sogenannten Bonus Army, bestehend aus arbeitslosen Veteranen, auf Washington im Jahr 1932 eingesetzt.
Nun wird das Aufstandsgesetz in unbegrenztem nationalen Umfang zur Anwendung gebracht, um Widerstand aus der Bevölkerung zu unterbinden sowie als Vorwand für die Errichtung einer Präsidialdiktatur. Abgesehen von der Aufhebung des Schutzrechts gegen eine willkürliche Festnahme („habeas corpus“) gibt es an keiner Stelle des amerikanischen Rechts eine „rechtliche“ Befugnis, die weitreichender wäre als das Aufstandsgesetz. Die Anwendung des Gesetzes würde bedeuten, dass der Präsident de facto und de jure die Kontrolle über städtische Gebiete oder ganze Bundesstaaten übernehmen und damit praktisch die Autorität der kommunalen und bundesstaatlichen Regierungen ersetzen würde. Durch die Anwendung des Gesetzes in Portland und Chicago würde Trump diese Städte der Kontrolle durch das Militär unterstellen, dessen Oberbefehlshaber er ist.
In der Praxis würde das Militär, wenn das Gesetz in Portland oder Chicago angewendet würde, Menschen verhaften, Checkpoints einrichten und die Inhaftierung vermeintlicher Staatsfeinde organisieren. Und auch wenn das Aufstandsgesetz dem Präsidenten als solches nicht die Befugnis gibt, sich über die Bundesgerichte hinwegzusetzen, wird Trump sich mit juristischen Formalitäten nicht aufhalten.
Die Leitmedien reagieren auf Trumps Vorgehen unterdessen mit Schweigen und Unterstützung. Am Mittwochabend, mehr als 24 Stunden nach dem Bericht von NBC darüber, dass das Weiße Haus an juristischen Rechtfertigungen für die Anwendung des Insurrection Act arbeitet, war auf der Titelseite der New York Times kein Hinweis auf diese Gefahr zu finden. Die Washington Post und CNN haben die Enthüllungen ebenfalls verschwiegen oder ignoriert, obwohl bereits 500 Soldaten der Nationalgarde unter Bundesbefehl in Chicago eingetroffen waren.
Unter den demokratischen Politikern war die Reaktion nicht weniger ausweichend und feige. Der Gouverneur von Illinois, J.B. Pritzker, dessen Bundesstaat einen Brennpuntk der Stationierung von Bundestruppen bildet, warnte, dass Trumps Maßnahmen darauf abzielen, die Zwischenwahlen 2026 und die Präsidentschaftswahlen 2028 zu stehlen, und verglich die Taktik der Regierung mit der der Nazis. Doch selbst diese Aussagen wurden ignoriert.
Die führenden Abgeordneten der Demokraten, darunter der Minderheitsführer im Senat, Chuck Schumer, und der Minderheitsführer im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, haben sich nicht zu den Maßnahmen zur Errichtung einer Diktatur geäußert und schweigen weiterhin, während Trump demokratische Politiker bedroht und ins Visier nimmt.
Auch Senator Bernie Sanders hielt seine Äußerungen so kurz wie möglich. Am Mittwoch veröffentlichte er eine oberflächliche Erklärung, in der er einräumte, dass Trump „damit droht, gewählte Amtsträger zu verhaften und dieses Land in den Autoritarismus zu führen“. Er fügte hinzu: „Wir werden nicht zulassen, dass Sie unseren Way of Life zerstören.“ Doch was werden Sanders – oder die Demokraten insgesamt – tatsächlich tun, um zu verhindern, dass die demokratischen Rechte zerstört werden? Er hat nichts vorgeschlagen.
Die bewusste Verharmlosung dieser Entwicklungen ist selbst ein politischer Akt. Innerhalb des politischen Establishments und der Demokratischen Partei wird Trumps Kurs weitgehend akzeptiert, entweder weil sie diesen als Mittel zur Verteidigung der kapitalistischen Herrschaft offen unterstützen oder weil sie erkennen, dass jede ernsthafte Opposition die massenhafte Mobilisierung der Arbeiterklasse erfordern würde – ein Zukunftsaussicht, die sie weit mehr fürchten als die Diktatur selbst.
Was die Gewerkschaften betrifft, so kommen von ihnen keinerlei Vorschläge, während hunderttausende Angestellte des Bundes beurlaubt werden und die Regierung einen massiven Angriff auf Arbeitsplätze und Sozialprogramme durchführt. „Macht eure verdammte Arbeit und verabschiedet einen Haushalt, der ein wenig Kompromiss erfordert“, erklärte Randy Erwin, Präsident der Gewerkschaft der Bundesangestellten National Federation of Federal Employees, womit er den historischen Angriff auf die Arbeiterklasse praktisch auf eine Bitte um parteiübergreifende Zusammenarbeit mit dem Putschregime reduzierte.
In der amerikanischen Bevölkerung gibt es eine breite und wachsende Opposition gegen Trumps Vorgehen. Umfragen zeigen, dass eine deutliche Mehrheit den Einsatz von Soldaten in amerikanischen Städten und die Kriminalisierung abweichender politischer Ansichten ablehnt. Millionen bereiten sich darauf vor, an den bevorstehenden „No Kings“-Protesten am 18. Oktober teilzunehmen, wobei schon jetzt mehr als 2.100 Kundgebungen in Städten und Gemeinden im ganzen Land geplant sind. Trump ist offensichtlich entsetzt über das Ausmaß dieser sich abzeichnenden Massenopposition, und das ist selbst ein wichtiger Faktor, der seinen Zeitplan für die Diktatur beschleunigt.
Es ist an der Zeit, die Scheuklappen abzunehmen. Sämtliche Warnungen der Socialist Equality Party vor den Vorbereitungen für eine Diktatur bestätigen sich. Mit jedem Tag, den diese Regierung im Amt ist, reißt die Fassade, dass die Vereinigten Staaten weiterhin eine funktionierende Demokratie sind, weiter ein. Der Kapitalismus kann nur durch eine Diktatur aufrechterhalten werden. Wenn sich die Entwicklungen ungehindert fortsetzen, wird man einst sagen, dass die amerikanische Demokratie nicht mit einem Knall, sondern mit einem Wimmern gestorben ist.
Trump handelt nicht allein. Er verkörpert den Zusammenbruch des Kapitalismus unter dem Gewicht unlösbarer Widersprüche. Seine Regierung repräsentiert die kapitalistische Oligarchie in ihrer reinsten Form. Die kriminelle Unterwelt hat die Kontrolle über die US-Regierung übernommen.
Um diesen Abstieg in die Diktatur zu stoppen, muss die Arbeiterklasse als politisch und organisatorisch unabhängige Kraft ins politische Geschehen eingreifen. Die Arbeiter müssen damit beginnen, in jedem Betrieb, jeder Schule und jeder Nachbarschaft Aktionskomitees zu bilden, um ihre Kollegen zu verteidigen, sich gegen Entlassungen und Kürzungen zur Wehr zu setzen und Widerstand gegen die militärische Besetzung amerikanischer Städte zu organisieren. Diese Komitees müssen zu Zentren des Widerstands werden, die alle Teile der Arbeiterklasse vereinen und ihre Kämpfe zu einer koordinierten Offensive gegen Diktatur und soziale Ungleichheit verbinden.
Die Socialist Equality Party kämpft dafür, die Internationale Arbeiterallianz der Aktionskomitees (IWA-RFC) aufzubauen und auszuweiten, um diese Bemühungen über alle Branchen und Grenzen hinweg zu koordinieren. Diese globale Allianz schafft den Rahmen für die internationale Vereinigung der Arbeiter gegen den gemeinsamen Feind – die kapitalistische Oligarchie, die die Menschheit in Diktatur, Krieg und Armut treibt.
Die wachsende Wut über Entlassungen, die Zerstörung von Sozialprogrammen und die Militarisierung der Gesellschaft muss in eine bewusste politische Bewegung gegen das gesamte System, das Trump hervorgebracht hat, verwandelt werden. Die Arbeiterklasse muss ihr eigenes Programm vorantreiben: Enteignung der Milliardäre, Zerschlagung der Wirtschafts- und Finanzoligarchie und Neuordnung des Wirtschaftslebens auf der Grundlage sozialer Bedürfnisse, nicht von Profiten. Die Verteidigung demokratischer Rechte ist untrennbar mit dem Kampf für Sozialismus verbunden.