Chinas Wirtschaft wächst weiter auf hohem Niveau. Im vergangenen Jahr stieg das BIP um fünf Prozent. Dieser Erfolg beruht darauf, dass die chinesische Regierung seit 70 Jahren langfristige Zielgrößen erstellt, die in Fünfjahrespläne fließen. Dieses Jahr endet der 14. Fünfjahresplan. Die Debatte um den 15., der 2026 in Kraft treten soll, ist in vollem Gange. Vom 20. bis zum 23. Oktober findet in Peking dazu das entscheidende Treffen des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei (KPCh) statt.
„Durch unsere Aktionen zeigen wir der Welt, dass der chinesische ‚wirtschaftliche Flugzeugträger‘ unsinkbar, unzerbrechlich und unzerstörbar ist – unbeeindruckt von Wind und Regen, drängt er unerbittlich vorwärts“, schreibt die chinesische Zeitung People’s Daily, die als Sprachrohr der chinesischen Zentralen Wirtschafts- und Planungsbehörde gilt. „Im Gegensatz dazu schwanken einige westliche Länder in ihrer nationalen Politik, ändern sie nach Lust und Laune und drehen die Geschichte sogar um: Einst waren sie Befürworter der wirtschaftlichen Globalisierung, heute verfolgen sie eine Politik der Selbstisolation und der Nation-First-Politik“, heißt es weiter.
Xi Jinping: Wirtschaftsplanung ist politischer Vorteil Chinas
In Europa herrscht hingegen wirtschaftlich nahezu Stagnation. Das BIP der gesamten EU wuchs 2024 zaghaft um ein Prozent. Einstige Wirtschaftsgrößen wie Deutschland stecken in der Krise. Die Industrieaufträge hierzulande sind den vierten Monat in Folge gesunken und befinden sich nun wieder auf dem Niveau von vor zwanzig Jahren. Der Export – lange Deutschlands Wachstumsmotor – ist abgewürgt und im August um weitere 0,5 Prozent gesunken. Langjährige falsche wirtschaftspolitische Weichenstellungen, wie mangelnde Investitionen in die Infrastruktur, Lohnzurückhaltung und verschlafene technologische Innovationen treffen auf die Folgen des Ukrainekriegs und Trumps Strafzölle: Hohe Energiepreise und versperrte Absatzmärkte zermürben die deutschen Unternehmen, die über Jahrzehnte Zugpferde des europäischen Wachstums waren. Fehlt Europa ein Plan?
„Die Nutzung mittel- und langfristiger Planung zur Steuerung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung ist ein zentraler Ansatz unserer Partei beim Regieren des Landes“, sagte Präsident Xi Jinping im April auf einem Symposium zur Ausarbeitung des 15. Fünfjahresplans und nannte dies einen „einzigartigen politischen Vorteil“ für China. Die Regierung kann zwar die Ressourcenverteilung nicht direkt kontrollieren, aber sie kann durch Planung die Infrastruktur stärken und dadurch die industrielle Entwicklung fördern.
Auch wenn die Zielstellungen des 15. Fünfjahresplans noch nicht bekannt sind, ist durch die öffentlichen Debatten bereits erkennbar, welche Schwerpunkte gelegt werden dürften. Die Regierung wird voraussichtlich Maßnahmen umsetzen, um den privaten Konsum zu steigern. Vor allem einkommensschwache Menschen, die Landbevölkerung und Rentner sollen staatliche Zuschüsse erhalten. Die Innovationsfähigkeit soll durch neue Technologien wie KI und 6G gesteigert werden. Bis zum Ende des 15. Fünfjahresplans will China seine Treibhausgasemissionen drastisch reduzieren, deshalb soll der Ausbau grüner Technologien vorangetrieben werden. Um nicht von Trumps Wohlwollen abhängig zu sein, soll die Wirtschaft weiter diversifiziert, weniger in die USA exportiert und dafür mehr Handel mit den Brics-Staaten und den Ländern des Globalen Südens getrieben werden.
Will man eine gesamte Gesellschaft auf hohem technologischem Niveau umgestalten, bedarf es einer leistungsfähigen Staatsführung. Die Kommunistische Partei hat sich 2012 ein Acht-Punkte-Programm auferlegt, das helfen soll, die Korruption und Vetternwirtschaft unter den Kadern zu bekämpfen. Präsident Xi hat die Korruptionsbekämpfung zum Schwerpunkt seiner Amtstätigkeit erklärt. „Wenn es uns nicht gelingt, die Partei streng zu regieren und wichtige Punkte zu korrigieren, die das Volk entschieden ablehnt, wird unsere Partei letztendlich ihre Regierungskompetenz verlieren und unweigerlich von der Geschichte verworfen werden“, sagte er 2013. Seitdem wurde gegen vier Millionen Beamte ermittelt, Staatsausgaben gesenkt und Privilegien abgeschafft.
Korruption und Vetternwirtschaft sind ein riesiges Problem für Staaten. Wirtschaftet eine Nomenklatura vor allem in die eigene Tasche, werden Innovation und Wachstum gehemmt. In der EU kann man davon ein Lied singen. Der Regierungsapparat ist abgeschirmt, Deals werden hinter verschlossenen Türen abgeschlossen.
Vorwürfe von Korruption und Vetternwirtschaft in der EU
Kommissionschefin Ursula von der Leyen steht mittlerweile so heftig in der Kritik, dass sie am Donnerstag nur knapp ein Misstrauensvotum im Europaparlament überstand. Die Liste der Beanstandungen gegen sie ist lang. Milliardenschwere Beschaffungen für Coronaimpfstoffe hatte sie im Alleingang per SMS beschlossen, sie verweigert seit bereits sieben Monaten Auskünfte über Treffen mit der Waffenindustrie, die lukrative EU-Aufträge erhält, obwohl sie laut Kommissionsstatut dazu verpflichtet ist. Von der Leyen muss sich auch Vorwürfen der Vetternwirtschaft stellen. Bei der Besetzung der EU-Kommission hatte sie ihrem CDU-Kollegen Markus Pieper den lukrativen Posten (17.000 Euro Monatsgehalt) des Mittelstandsbeauftragten zugeschustert, obwohl zwei Bewerberinnen im Auswahlverfahren überzeugender gewesen sein sollen. Pieper schmiss, nachdem die Vorwürfe lauter wurden, entnervt hin.
Überdies wurde von der Leyen als Kommissionspräsidentin präsentiert, als sie in Berlin kaum noch zu halten war. Im von ihr geleiteten Bundesverteidigungsministerium waren Vorwürfe laut geworden, dass sie ihrem Sohn, der für die Beraterfirma McKinsey tätig war, Aufträge zugeschustert haben soll.
Die allzu große Nähe der Machtapparate in Berlin und Brüssel wurde dieser Tage paradigmatisch: Deutschland stoppt hinter verschlossenen Türen in Brüssel eine Verschärfung der EU-Antikorruptionsrichtlinie durch den Ministerrat. Dass Amtsmissbrauch einheitlich EU-weit unter Strafe gestellt werden soll, sei ein zu hoher Aufwand, zitierten Medien diese Woche aus einem vertraulichen Vermerk des Bundesjustizministeriums.
Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der LeyenAnna Ross/dpa
Während in Europa eine Atmosphäre geschaffen wird, in der Klientelismus gedeihen kann, kommt man in China schnell auf die Abschussliste. Dort will man verhindern, dass sich wirtschaftliche Stagnation breit macht. Durchaus erfolgreich, wie Institutionen aus dem Ausland bemerken. Das ZEW – Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim geht davon aus, dass es sich bei der chinesischen Antikorruptionskampagne um „authentische Bemühungen“ handelt. „Die Maßnahmen haben die Anreize für Einzelpersonen, politische Einrichtungen und staatliche Unternehmen so verändert, dass sie die Wahrscheinlichkeit von Korruption verringern und die strukturellen Hindernisse der Korruptionsbekämpfung beseitigen.“
Korruptionsbekämpfung zur Stärkung von Chinas Armee
Das US-Kriegsministerium kommt in einer Analyse zu dem Schluss: „Trotz Korruptionsproblemen macht China Fortschritte bei der Modernisierung“. Die Führung der VR China betrachte die Kampagne der KPCh wahrscheinlich als notwendiges Instrument zum Aufbau einer professionellen Streitmacht im Rahmen der Modernisierungsziele der Armee, heißt es aus dem Pentagon.
Chinas Nationale Volksarmee wird modernisiert und ausgebaut.Ng Han Guan/AP
Die Herausforderungen sind klar. Der amtierende Verteidigungsminister Dong Jun sagte im September: „Die Welt steht heute an einer weiteren Kreuzung: Frieden oder Krieg, Dialog oder Konfrontation.“ Er warnte den Westen vor der Einmischung in Chinas innere Angelegenheiten und kündigte Gegenwehr an, sollten die Länder statt des Dialogs die Konfrontation suchen.
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