Als die Wertachkliniken in Schwabmünchen und Bobingen im Spätsommer 2024 Opfer eines Cyber-Angriffs wurden, stand plötzlich das gesamte Krankenhausleben Kopf. Computer fielen aus, Informationen über Medikamentendosierungen mussten händisch zusammengetragen werden, Operationen wurden verschoben. Es brauchte schnell neue Abläufe, um das Patientenwohl nicht zu gefährden. Die Wertachkliniken sind jedoch kein Einzelfall. Rund ein Drittel aller Unternehmen in der Region Augsburg hatte 2024 mit einem Cyberangriff zu tun, zeigt eine Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK). Dazu komme eine hohe Dunkelziffer. Auch Privatpersonen sind immer stärker betroffen, zeigt eine Statistik der Polizei. Hacken ist zu einem lukrativen Geschäftsmodell geworden – mit kuriosen Auswüchsen, wie ein Augsburger Experte erzählt.
Andreas Herch ist Chef des Augsburger IT-Unternehmens Netz 16 und hat in der WWK-Arena den dritten Cyber-Security-Day (Sicherheitstag) organisiert. Waren es zur Premiere noch 150 Teilnehmer, kamen dieses Mal 500 Vertreter aus 300 Firmen. „Das zeigt, dass das Thema immer mehr Bedeutung bekommt“, ist Herch überzeugt. Betroffen seien Unternehmen aller Größen und Branchen. Das bestätigt auch die IHK. „Es ist nicht die Frage, ob, sondern wann man getroffen wird“, so Herch. Für Firmen ist das ein Schreckensszenario: „Wenn unser Warenwirtschaftssystem durch einen Angriff lahmgelegt würde, wäre das für uns fatal“, sagt der Vertreter eines Augsburger Anlagenbauers. Ein Kollege aus der Metallbranche ergänzt: „Wenn wir länger als fünf Tage nicht produzieren könnten, weil die Systeme ausfallen, wäre das existenzbedrohend. Da hängen dann auch Arbeitsplätze dran.“
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David Wilpert, Cyber-Crime-Experte der Augsburger Kriminalpolizei (rechts) und Andreas Herch, Chef von Netz 16, informierten in der WWK-Arena zum Thema Cyber-Security.
Foto: Peter Fastl
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David Wilpert, Cyber-Crime-Experte der Augsburger Kriminalpolizei (rechts) und Andreas Herch, Chef von Netz 16, informierten in der WWK-Arena zum Thema Cyber-Security.
Foto: Peter Fastl
Offen sprechen will über die Bedrohung aus dem Netz kein Unternehmer. Dafür schildert Andreas Herch als Anbieter entsprechender Sicherheitssysteme von seinen Erfahrungen. Sein eigenes Unternehmen habe im letzten Jahr rund 30.000 Angriffe abgewehrt – ohne Folgen. 2024 ist deutschen Unternehmen laut dem Branchenverband Bitcom allerdings ein Schaden durch Hacker-Angriffe von geschätzt 179 Milliarden Euro entstanden. Für Augsburg und die Region ist es schwierig, vergleichbare Daten zu bekommen. Dabei spielt auch die Dunkelziffer eine Rolle. Offiziell registrierte das Polizeipräsidium Augsburg, das auch für die Landkreise Augsburg, Aichach-Friedberg, Dillingen und Donau-Ries zuständig ist, im vorigen Jahr einen Schaden von etwa 420.000 Euro. Die Polizei zählte insgesamt 2138 Delikte aus dem Bereich der Internetkriminalität. Das ist der höchste Wert seit 2015.
Augsburger Cyber-Experte: Es gibt eine ganze Hacker-Industrie
Die Angriffe auf die Wirtschaft reichten von Phishing-Mails bis zu Erpressungen mit Millionenforderungen, um geklaute Daten zurückzubekommen oder lahmgelegte Systeme wieder in Gang zu setzen. Dahinter steche eine ganze Hacker-Industrie, so Herch.„Die Zeiten, in denen clevere junge Leute aus Kellern heraus hacken, sind vorbei. In manchen Ländern ist es lukrativer, als Hacker zu arbeiten, statt als Lehrer oder Busfahrer“, so der Experte. Deutsche Unternehmen seien besonders attraktiv, weil sie finanziell oft potent seien und IT-Sicherheit zu lange unterschätzt hätten. Aus seinem Kundenkreis, so Herch, seien ihm mittlerweile Erpressungsversuche im niedrigen zweistelligen Millionenbereich bekannt. Dabei würden Täter erstaunlich serviceorientiert vorgehen: „Manche bieten eine Hotline an, um zu besprechen, wie man zahlt und die Hoheit über das Unternehmen zurückbekommt.“ Die Lösegeldsummen seien meist an die Möglichkeiten angepasst. „Man will das Unternehmen nicht zerstören. Denn eventuell lohnt sich ja ein weiterer Angriff.“
Ermittler aus Augsburg: „Es trifft nicht mehr nur Ältere“
Die Strafverfolgung, das wüssten die Hacker, sei schwierig. Das bestätigt David Wilpert, Ermittler im Dezernat Cyber-Crime der Augsburger Kriminalpolizei. Betroffen seien nicht nur Firmen, sondern zunehmend auch Privatpersonen. 2024 lag die Schadenssumme laut Polizei bei rund 1,7 Millionen Euro, 2021 waren es noch 570.000 Euro. „Es trifft nicht mehr nur Ältere, sondern auch Junge. Betrug ist immer schwerer zu erkennen“, so Wilpert. Jüngst wurden etwa erneut falsche QR-Codes an Parkautomaten in Augsburg entdeckt. Die Stadt warnt: Wer diese scannt, um zu bezahlen, werde auf Webseiten geführt, die sensible Daten abgreifen.
Während die Hacker-Industrie wächst, entwickelt sich auch die Branche der IT-Sicherheitsanbieter. Von 150 IT-Unternehmen in Augsburg beschäftigen sich bereits 20 ausschließlich mit Cyber-Sicherheit, schätzt Herch. An der Technischen Hochschule (THA) bildet das Institut für innovative Sicherheit unter dem Schwerpunkt „Cyber Security“ die nötigen Fachkräfte aus und forscht in enger Zusammenarbeit mit der Wirtschaft zum Thema.
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