In der Regierungskrise in Frankreich rechnet das linke Lager nicht mit der Ernennung eines Premierministers aus den eigenen Reihen. Präsident Emmanuel Macron scheine dazu nicht bereit zu sein, erklärte Sozialistenchef Olivier Faure am Freitag nach Beratungen mehrerer Spitzenpolitiker mit Macron. Auch Grünen-Chefin Marine Tondelier sagte, der Präsident habe eindeutig nicht den Eindruck erweckt, dass er einen Politiker ihres eigenen politischen Lagers zum nächsten Premierminister ernennen wolle. Es wurde damit gerechnet, dass sich Macron noch am Freitagabend zu seiner Entscheidung äußern wird. Der Fernsehsender BFMTV meldete, dass eine Entscheidung vor 20.00 Uhr MESZ erwartet werde.

In Frankreich wird der Präsident direkt gewählt, der dann einen Ministerpräsidenten ernennt. Eine Option für Macron in der aktuellen Krise wäre aber auch, die Nationalversammlung aufzulösen und Neuwahlen anzusetzen. Am Montag war Premierminister Sebastien Lecurnu nur Stunden nach Vorstellung seines Kabinetts zurückgetreten. Lecornu war bereits der fünfte Regierungschef in weniger als zwei Jahren.

Bereits seit Macrons Wiederwahl 2022 herrscht in Frankreich politische Instabilität, die der Präsident mit der von ihm 2024 angesetzten vorgezogenen Parlamentswahl weiter verstärkte: Seither ist die Nationalversammlung noch stärker zersplittert. Gestritten wird vor allem über das reguläre Renteneintrittsalter, das um zwei Jahre auf 64 angehoben werden soll. Darüber hinaus muss im Haushaltsstreit schnell eine Lösung für das hoch verschuldete Land – die nach Deutschland zweitgrößte Volkswirtschaft der Eurozone – gefunden werden. Auch eine von den oppositionellen Sozialisten geforderte Vermögenssteuer sorgt für Diskussionen. Sollte Macron erneut einen Ministerpräsidenten aus seinem eigenen Lager ernennen, wäre der Widerstand vor allem der Sozialisten groß.

Parteichef Faure hatte kürzlich gesagt, seine Partei wolle die nächste Regierung anführen. Am Freitag betonte er, dass er nicht garantieren könne, dass seine Partei nicht auch die Regierung eines nächsten Premierministers zu Fall bringen werde. Vor Lecornu war Macrons vierter Premierminister Francois Bayrou im Streit über den Haushalt an einer Vertrauensabstimmung gescheitert. Der Sturz einer weiteren Regierung würde die Wahrscheinlichkeit von Neuwahlen erhöhen, die vor allem der extremen Rechten Zulauf bringen dürften. Faure sagte, seine Partei hoffe nicht auf die Auflösung der Nationalversammlung. „Wir haben aber auch keine Angst davor.“