Die Nachricht vom plötzlichen Tod von Anna R., der Sängerin von Rosenstolz, erschütterte die Musikwelt. Wenige Monate nach ihrem Tod erscheint nun ihr letztes Werk, das Album „Mut zur Liebe“. Der Musiker Manne Uhlig, der mit ihr an dem Album arbeitete, erinnert sich an die letzten gemeinsamen Tage im Studio – voller Vorfreude auf die bevorstehende Veröffentlichung. Doch das Leben hatte andere Pläne. Im Gespräch mit Uhlig erfahren wir mehr über die Sängerin, ihre letzte Musik und die unvergessliche Wirkung, die sie hinterlässt. Ein Album, das uns Anna R. auf besondere Weise zurückbringt.

Die Nachricht ist ein Schock. Als Rosenstolz-Sängerin Anna R. im März überraschend stirbt, können es manche Fans kaum glauben. Auch einer ihrer Freunde reagiert ungläubig. „Ich war in völliger Schockstarre“, sagt Musiker Manne Uhlig (54), „konnte damit erstmal gar nicht umgehen.“ Denn noch kurz vor Annas Tod arbeitete er mit ihr an einem neuen Album.

Bis kurz vor ihrem Tod arbeitete sie an ihrem Album

Mehr als ein halbes Jahr später erscheint das Album nun posthum – „Mut zur Liebe“ wurde am Freitag (10. Oktober) veröffentlicht. Es sind die letzten Lieder einer Sängerin, deren Stimme so ungewöhnlich war.

Wenige Wochen vor ihrem Tod sei sie noch bei ihm im Studio gewesen, erzählt Uhlig in Berlin. „Wir waren voller Vorfreude, das Album fertigzustellen, Interviews zu geben und auf Tour zu gehen.“ Der Tod von Anna R., die 55 Jahre alt wurde, trifft auch ihn ohne Vorwarnung.

Wie der Musiker sie beschreibt

Die Anteilnahme ist damals groß. Fans legen Blumen vor dem Berliner Theater des Westens nieder, Briefe, Kerzen, Stofftiere. Die Sängerin, die in Ost-Berlin geboren wurde, bildete mit Peter Plate das Duo Rosenstolz („Liebe ist alles“) und startete erst spät eine Solokarriere unter ihrem Namen.

Ein Mann kniet vor einem Foto von Anna R. Vor ihm liegen viele Blumen und Beileidbekundungen.Foto: picture alliance/dpa | Christophe GateauViele Fans betrauerten den Tod der Sängerin vor dem Theater des Westens in Berlin.

Fragt man Uhlig, was für eine Frau sie war, erinnert er sich an gemeinsames Lachen, Albernsein, Ironischsein. „Diese Berliner Schnauze, die sie hatte, mit so einer Offenheit und Direktheit“, erzählt der Musiker. Das sei nie verletzend gewesen, sondern habe Charme und Humor gehabt.

„Sie hatte einfach ihre eigene Art, die ich sehr geliebt und sehr geschätzt habe. Und war ein Mensch, auf den ich mich immer verlassen konnte. Treu zu allen, die mit ihr gearbeitet haben.“ Wie man sie in Erinnerung behalten solle? Als „reife, mutige, selbstbewusste und doch zugleich an sich zweifelnde Berliner Punk-Pop-Maus. Einfach eine coole Person.“

Ein Album als Vermächtnis

Nach ihrem Tod hätten ihre Eltern das unvollendete Album angesprochen, sagt Uhlig. Es habe der Wunsch mitgeklungen, dass die Sängerin gewollt hätte, dass die Lieder erscheinen. Da habe er seinen Auftrag gespürt und sich in die Arbeit gestürzt. Vor ihrem Tod seien sie noch im Prozess gewesen.

Wäre Anna R. nicht gestorben, wäre das Album vielleicht noch etwas länger geworden. Zehn Songs sind darauf. Es beginnt mit dem Popsong „Mut zur Liebe“ – einem Appell, sich verletzlicher zu machen, nicht nur im Persönlichen, sondern auch im gesellschaftlichen Miteinander.

„Können wir uns nicht mehr begegnen, voller Neugier, voller Fragen, ohne Angst uns zu blamieren?“, heißt es im Text. „Lasst uns sagen, was wir denken, was wir fühlen oder möchten, und einander akzeptieren. Dann können wir nicht verlieren.“ Es ist ein Aufruf zu „mehr Menschlichkeit und Wärme“. Auch in Zeiten, in denen etwa Debatten im Netz oft hochkochen.

Es geht auch um den Tod

Anna sei immer wichtig gewesen, solche Entwicklungen anzusprechen. „Dass niemand vergessen wird in der Gesellschaft, dass alle eigentlich friedvoll und liebevoll miteinander umgehen – das war ihr Wunsch“, sagt Uhlig.

Auf dem Album geht es auch viel ums Abschiednehmen und um den Tod. Manchmal traurig, manchmal spielerisch. Nach ihrem eigenen Tod kann das fast gespenstisch wirken.

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„Es ist völlig klar, dass man sich in dem Alter – ich bin in demselben Alter – auch mit dem Tod beschäftigt, weil er einfach näher kommt, weil Freunde oder Familie sterbe“, sagt Uhlig. Dass man die Lieder nach ihrem Tod nun anders höre, könne er gut verstehen, sei aber bei keinem Lied die Motivation gewesen.

„Als würde man noch einmal von ihr in den Arm genommen“

Uhlig glaubt, dass Anna R. megastolz auf das Album wäre. Ein Song wie „Ach wie schön kann Liebe sein“ etwa, den sie ganz alleine geschrieben habe, den sie sparsam als Chanson aufgenommen hätten. „Das sind solche Perlen.“ Geplant sind jetzt auch zwei Gedenkkonzerte in Berlin.

Das Album Cover mit einem Foto von Anna R. und der Aufschrift „Mut zur Liebe“.Foto: picture alliance/dpa/Sony Music EntertainmentAb sofort kann man das neue Album hören.

„Wir hoffen, dass das Album auch eine tröstende Wirkung hat“, sagt der Musiker. Das kenne er selbst auch, wenn er die Musik höre. „Manchmal kann ich es emotional nicht ertragen oder dann rollen auch Tränen, dann habe ich Gänsehaut. Und manchmal ist es aber total schön und tröstend und so, als würde man noch einmal von ihr in den Arm genommen, wenn ihre Stimme erklingt. Und ich hoffe, dass es so auch ihren Fans geht.“