»Wer hier aufwächst, muss wissen, was ein Eimerkettenbagger ist«, sagt sie, die studierte Bergbautechnologin. Sie hat im Tagebau Espenhain gearbeitet und ist nun dabei beim Ehemaligentreffen im heutigen Bergbau-Technik-Park. Der liegt zwischen Störmthaler und Markkleeberger See – deren Existenz sich dem Großtagebau verdankt. Das Ehemaligentreffen findet jährlich statt, diesmal sind etwa fünfzig Leute gekommen, die hier mal gearbeitet haben. Es riecht nach Kaffee in der Halle auf dem Parkgelände, es gibt Kuchen und Bier, draußen schmeißt natürlich einer den Grill an. An einer Wand hängt ein Bild, das früher im Kultursaal des VEB Kombinat Espenhain hing, so ist von der Bergbauingenieurin zu erfahren, die übrigens nicht namentlich »in der Zeitung« stehen möchte. Das Bild zeigt stilisiert das Prinzip Braunkohletagebau: Ein Riesengerät steht in der Grube. An einer Seite der Grube befindet sich mit rauchenden Schloten das Werk, das die geförderte Braunkohle veredelt und zu Elektroenergie sowie carbochemischen Produkten verarbeitet. An der anderen Seite arbeitet sich die Schaufel vor, auf dem Bild steht dort eine Wohnsiedlung auf der Tagebaukante. Darüber prangt »Glück auf«, der Gruß der Bergleute, zusammen mit Schlägel und Eisen.

»Glück auf!« erklingt natürlich auch zu Beginn des Ehemaligentreffens – das Steigerlied wird gesungen, im Stehen natürlich. Fünf Strophen liegen ausgedruckt auf den Tischen in der Halle, nicht alle Anwesenden müssen während des Gesangs nach dem Text schauen. Der Tagebau Espenhain wurde 1937 aufgeschlossen, 1996 fuhr der letzte Kohlezug aus der Grube, im Sommer 1997 wurde die Abraumförderbrücke gesprengt. In diesem Zeitraum wurden hier 1,7 Milliarden Tonnen Abraum bewegt und 566 Millionen Tonnen Rohbraunkohle gefördert. Seit ungefähr 2006 gibt es die Ehemaligentreffen, erzählt Gerald Riedel, Vorsitzender des Vereins hinter dem heutigen Bergbau-Technik-Park. Anfänglich seien 200 bis 300 Bergleute zusammengekommen. Riedel war im Tagebau Espenhain als Bergmann und Elektromonteur tätig, kümmerte sich zunächst um die Anlagen im Tagebau, etwa Beleuchtung und Elektrik, dann um die Großgeräte, darunter Schaufelradbagger und Absetzer, die heute im Bergbau-Technik-Park stehen und schon von Weitem Eindruck und Werbung für den Park machen. Und auch von Nahem: Die Raupen des Fahrwerks, mit dem der 24 Tonnen schwere Bandabsetzer 1115 durchs Gelände fahren kann, sind höher als ein Mensch.

Riedel hat sich zusammen mit Peter Krümmel seit Beginn des Jahrtausends um den Aufbau des Parks bemüht, der 2012 eröffnet wurde. Krümmel hat nicht im Tagebau gearbeitet. Er ist Historiker und Geograf, was vielleicht sein Interesse an der Bergbaugeschichte des Leipziger Südraums erklärt und sein Interesse daran, dass dieses Stück Industriegeschichte erzählt wird. Uwe Sachse war ebenfalls nicht im Tagebau Espenhain tätig, sondern »in Zwengge.« Im Tagebau Zwenkau war er auf der Förderbrücke, nach der Schließung arbeitete er bis 2018 im Tagebau Vereinigtes Schleenhain. »48 Jahre Arbeit«, fasst Sachse zusammen. Er wünscht sich, dass künftig auch andere Zwenkauer zu den Treffen kommen: »Sie werden hier vermisst.«

So ein Tagebau ist eine komplexe Angelegenheit, die eine Vielzahl unterschiedlicher Gewerke benötigt. Das lässt sich beim Rundgang durch die Ausstellung im Bergbau-Technik-Park erfahren; dort sind auch O-Töne von Arbeiterinnen und Arbeitern zu hören, die von ihrem Alltag im Tagebau und im Werk erzählen. Beim Ehemaligentreffen sitzt einige Signalwerker – Signal- und Sicherungstechniker – an einem Tisch zusammen. Sie haben in derselben Werkstatt gearbeitet: »Wir haben den ganzen Grubenfahrbetrieb betreut und entstört – Signalbau, Weichen, über zehn Stellwerke«, sagt Peter Hönemann. Nachdem Espenhain 2007 endgültig geschlossen war, wechselte er in den Tagebau Zwenkau und dann nach Profen: »Drei Tagebaue habe ich mit zugemacht, dann ging’s in Rente.« Andere aus der Werkstatt waren nach der Zeit in Espenhain auf der Deponie nebenan. »Wir haben hier in Espenhain gelernt und sind hier geblieben, weil es uns gefallen hat«, sagt Hönemann. Der Tagebau war ein besserer Arbeitsplatz als das Werk, das ist bei diesem Treffen öfter zu hören. Im Werk habe es gequalmt und gestunken, Tagebau hieß dagegen »frische« Luft und »nur« Kohlendreck – die Anführungsstriche werden hier meist mitgesprochen.

Die frische Luft war auch für Horst Dressler ausschlaggebend für seinen Wunsch, im Tagebau zu arbeiten und nicht im Werk. Und er wollte E-Lok fahren. Bis zu seiner Rente 1998 war er im Fahrbetrieb, hat sich über die Jahrzehnte zum Oberlokfahrer hochgearbeitet. Die Jahreszeiten hätten ihre Besonderheiten mit sich gebracht: Schlamm im Herbst, strenger Frost im Winter, Hitze und Staub im Sommer. »Den Fahrstil mussten wir der Witterung anpassen, dazu gehörte viel Gefühl«, sagt Dressler. Er sei ein flotter Fahrer gewesen – und havariefrei, wie er nicht ohne Stolz anfügt. Nachdenklich stimmt ihn die veränderte Landschaft nach der Tagebauschließung: »Die ist natürlich nicht wiederzuerkennen.« Es werde jedoch »viel Schindluder« getrieben und die Landschaft zugebaut.

35 Leute seien die Signalwerker gewesen, Fluktuation hätten sie nicht gehabt, was auch ihrem Chef Klaus-Peter Brückel zu verdanken gewesen sei. Wie aufs Stichwort kommt der dazu und erzählt von den Aufgaben in Projektierung und Planung, die sie hatten, und von seinen Neuerervorschlägen – 17 Patente habe er als Einzelperson und »zusammen mit meinen Männern« gemacht: »Wir haben die tollsten Sachen gebaut. Zum Beispiel hatten wir das erste automatische Stellwerk in der Kohle.« Ihre Automatisierungen konnten viele Prozesse vereinfachen oder abkürzen, bei Neidern hießen sie die »Aristokraten vom Tagebau«.

Wie der Tagebau jenseits solcher Befindlichkeiten funktionierte, macht der Bergbau-Technik-Park anschaulich, ebenso, wie im Raum Leipzig Braunkohle gefördert wurde. Er schildert unter anderem, wie umfangreich die Vorbereitungen sind, bevor Bergleute an die Kohleflöze gehen können, und warum die Braunkohle so wichtig war. Der überwiegende Teil des Parks befindet sich in Freiluft und ist um die erwähnten Großgeräte herum angelegt. Dazwischen gibt es viele weitere technische Zeugen der Tagebau-Ära und gut gestaltete Erklärtafeln, jeweils mit einem eigens für Kinder geschriebenen Abschnitt.

Ein Förderzyklus beginnt mit Untersuchungen und der Umsiedlung der Bewohnerinnen und Bewohner von Ortschaften, die im Weg liegen. Entsprechend thematisiert der Park neben der Logistik von Bändern, Gleisen, Strom und Entwässerung sowie der dahinter stehenden Technik mit ihren Entwicklungen auch den Heimatverlust, der beim Tagebau Espenhain zwanzig Gösel- und Pleißedörfer oder Teile von ihnen sowie mehr als 8.000 Menschen betraf. Landschaften und Gewässer gingen unwiederbringlich verloren, neue Landschaften und Biotope sind zwischenzeitlich entstanden. Das Bewegen der Erdmassen brachte außerdem geologische Erkenntnisse, archäologische Artefakte und weitere Objekte aus der Erdgeschichte an den Tag, darunter die 38 Millionen Jahre alten Zähne des Riesenhais. Als Spielgerät ist der Riesenhai auf dem Kinderspielplatz des Geländes zu finden.

Mit dem letzten Kohlezug ist der Förderzyklus noch lange nicht zu Ende, auch nicht mit dem Fluten der Restlöcher oder der Renaturierung beziehungsweise Wiederurbarmachung des Geländes. Der Abraum zum Beispiel, den der Absetzer verkippt hat, kommt auf eine Deponie. Und die ist nicht einfach nur ein großer Haufen in der Gegend. Für sie ist viel Vorbereitung, Betreuung und Nachsorge nötig. Derzeit läuft übrigens ein Antrag für Mittel, um den Absetzer für die Besucherinnen und Besucher begehbar zu machen. 

> Bergbau-Technik-Park: 15.3.–15.11., Mi–So/Feiert. 10–16 Uhr (Juli/August Di–So/Feiert. 10–17 Uhr), Am Westufer 2, 04463 Großpösna, www.bergbau-technik-park.de

> Führungen: Sa/So/Feiert. 11 Uhr, Gruppenführungen und Führungen für Schulklassen nach Anmeldung