Herr Schwäbe, Sie haben die ganze Woche nur individuell trainiert. Müssen sich die FC-Fans Sorgen machen?

Ich hatte ein bisschen muskuläre Probleme mit dem Oberschenkel, auch die Woche davor schon. Es geht jetzt darum, es richtig auszukurieren und nicht zu verschleppen. Dafür haben wir die Länderspielpause genutzt.

Dann kommt die Pause nach dem Kraftakt in Hoffenheim wohl zur richtigen Zeit. Der 1. FC Köln hat eine starke Leistung gezeigt und am Ende stand ein 1:0-Sieg. Mit welchem Gefühl sind Sie nach zuvor zwei Niederlagen in dieses Spiel gegangen?

Mit einem guten Gefühl. Wir hatten eine super Trainingswoche und waren sehr gut vorbereitet, auf das, was auf uns zukommt und wo unsere Stärken liegen. Wir haben es Hoffenheim mit unserer Intensität und unseren Umschaltaktionen schwer gemacht. Es war eine Topleistung der gesamten Mannschaft, wenn man sieht, wie wir von vorne bis hinten verteidigt haben. Wir lassen auch gegen spielstarke Gegner wenig zu, sind kämpferisch stark und können von der Bank aus immer für Furore sorgen. Ich denke, der Sieg war ein gerechtfertigter Sieg.

Es war auch eine Topleistung von Marvin Schwäbe…

Es ist klar, dass man gegen ein Team wie Hoffenheim nicht alles verhindern kann. Es ist schön, dass ich in diesen Situationen da sein und der Mannschaft helfen konnte.

Sie standen nach den Spielen in Wolfsburg, Leipzig und gegen Stuttgart mit acht Gegentoren in der Kritik und haben in Hoffenheim selbst von einer schwierigen Phase gesprochen, in der Sie gesteckt haben. Was war der Grund für die Schwierigkeiten?

Als Torwart möchte ich immer helfen und bin nach acht Gegentoren in drei Spielen natürlich nicht zufrieden. Ob ich nun meine Aktien mit drin hatte oder nicht. Ich habe in der ein oder anderen Situation Entscheidungen getroffen, die mir nicht gefallen haben und bei denen ich im Nachhinein weiß, was ich anders hätte machen sollen. Und dann geht man eben mit einem Gefühl aus dem Spiel: Das war heute nichts.

Wie arbeiten Sie mit einem solch negativen Gefühl?

Ich arbeite mich im Training nach oben, baue Selbstvertrauen auf und gehe dann wieder mit breiter Brust in die nächste Aufgabe. Deshalb habe ich mich vor dem Spiel in Hoffenheim auch gut gefühlt. In den vergangenen Jahren habe ich viele Erfahrungen gesammelt und weiß für mich, dass es nicht auf ein oder zwei Situationen zurückzuführen ist, ob man ein guter Torhüter ist, sondern wie man damit umgeht und weitermacht.

Wie gehen Sie denn mit solchen Situationen um?

Ein Torhüter hat 60 bis 70 Situationen in einem Spiel und nicht jede läuft perfekt. Aber eine falsche Entscheidung wiegt manchmal eben schwer. Es geht dann darum, die Situation schnellstmöglich abzuhaken, denn zehn Sekunden später kann schon die nächste kommen. Es macht einen Unterschied, wenn ich mich dann noch über die falsche Entscheidung kurz zuvor aufrege. Das lernt ein Torwart nicht unbedingt, wenn er erst 20 Jahre alt ist, aber mit Ende 20 dann schon. Umso mehr freue ich mich, wenn ich aus einer Phase komme, in der ich nicht zu 100 Prozent zufrieden war und dann ein Spiel wie in Hoffenheim mache und zu null rausgehe.

Sie sind seit dieser Saison Kapitän des 1. FC Köln. Wie kam es dazu?

Es ist normal, dass ein neuer Trainer sich intensiv mit den Spielern austauscht, die schon länger im Verein sind. Lukas Kwasniok und ich hatten im Laufe der Vorbereitung einige Gespräche und irgendwann hat er mir und Ron-Robert Zieler seine Entscheidung mitgeteilt. Ihm waren verschiedene Dinge wichtig: Dass man sich beim FC auskennt, seine Leistung bringt. Deshalb hat es vielleicht auch eine Rolle gespielt, dass ich aus einer stabilen Saison gekommen bin, die wir mit dem Aufstieg beendet haben.

iSpitzname und Titelgewinne

Marvin Schwäbe erblickte am 25. April 1995 im hessischen Dieburg das Licht der Welt. Der Torwart, der sich auch mal als Ringer versucht hatte, kam über Kickers Offenbach 2009 in den Nachwuchs von Eintracht Frankfurt, wo er bis 2013 ausgebildet wurde. Eine Zeit, aus der die Nummer eins des FC auch seinen Spitznamen mitgebracht hat.

Sein damaliger Torwarttrainer Manfred Petz wurde von allen „Moppes“ gerufen. Teamkamerad Marc-Oliver Kempf, der aktuell für Como in der italienischen Serie A spielt, produzierte aus „Moppes“ und „Schwäbe“ dann „Schwoppes“ und verpasste dem 1,90 Meter großen Keeper seinen Spitznamen. Und so wird Marvin Schwäbe heute noch genannt.

Von der Eintracht ging es für Marvin Schwäbe weiter zur TSG 1899 Hoffenheim, wo er in seinem letzten Jugendjahr mit der U19 den Gewinn der deutschen Meisterschaft feierte. Es sollte nicht sein letzter Titel bleiben. 2017 gewann er mit der deutschen U21-Nationalmannschaft als Nummer zwei hinter Julian Pollersbeck die Europameisterschaft in Polen. Im deutschen Team standen neben Marc-Oliver Kempf unter anderem noch Jonathan Tah, Serge Gnabry, Yannick Gerhardt, Mitchell Weiser und Davie Selke.

In Hoffenheim stockte Schwäbes Karriere zwischen 2013 und 2018. Er wurde zweimal verliehen, an den VfL Osnabrück und an Dynamo Dresden. 2018 entschloss sich der Torhüter für einen ganz neuen Weg und wechselte nach Dänemark zu Bröndby IF. Mit dem Klub aus Kopenhagen gelang ihm 2021 der Gewinn der dänischen Meisterschaft.

Mit dieser Empfehlung kam er im Sommer 2021 nach Köln und löste unter Trainer Steffen Baumgart Timo Horn als langjährige Nummer eins beim FC ab. Marvin Schwäbe zog mit den Geißböcken 2022 in die Conference League ein und stand 2024 beim Abstieg im Tor. Er hat für den FC bislang 135 Pflichtspiele absolviert, 95 davon in der Bundesliga. Sein Vertrag läuft noch bis zum 30. Juni 2027, (sam)

Was bedeutet Ihnen das Kapitänamt und wie füllen Sie die Rolle aus?

Es erfüllt mich mit Ehre und Stolz. Ich darf das Team, den Klub und auch die Stadt repräsentieren, den FC als Ganzes. Intern bin ich jemand, der sich vor die Mannschaft stellen kann und ein offenes Ohr für alle hat. Bislang hatte ich nicht viel zu tun, aber es werden Phasen kommen, in denen ich mehr sprechen oder mal jemanden in den Arm nehmen muss. Ich bin eher der ruhigere Typ und schreie nicht rum, wenn mal jemand seine Flasche liegenlässt. Ich versuche mit Leistung zu führen.

Es hat im Sommer ein großer personeller Umbruch im Kader stattgefunden. Wie haben Sie diese Veränderung als Kapitän mitmoderiert? Es gab viele harte Entscheidungen und die Aufgabe, zwölf Neuzugänge zu integrieren.

So ein Umbruch ist natürlich eine Aufgabe für eine Mannschaft. Aber wir hatten in den vergangenen Jahren immer einen großartigen Teamgeist, egal in welcher Phase wir uns befanden. Wir haben die neuen Spieler sehr gut aufgenommen, das sind alles großartige Jungs. Auf dem Platz ist zu sehen, dass wir schon sehr gut zusammengewachsen sind und das in Erfolge umsetzen können. Bei den Jungs, die gegangen sind, gab es natürlich auch einige weinende Augen.

Mit Ron-Robert Zieler ist ein erfahrener Torwart und Weltmeister von 2014 neu im Team. Welchen Einfluss hat seine Anwesenheit auf Sie?

Er ist ein großartiger Typ, der sich sehr gut in die Torwartgruppe integriert und das Niveau nach oben getrieben hat. Wir pushen uns gegenseitig in unserer Entwicklung. Ron kommt gut im Team an mit seiner Erfahrung von Weltmeisterschaften, internationalen Spielen und aus dem Ausland. Es tut gut, jemanden wie ihn im Team zu haben. Er hat in der schwierigen Phase im Training dazu beigetragen, dass ich Selbstbewusstsein aufgebaut habe. Da ist es wichtig, dass die Bälle kommen – das gibt es auch anders: Da kriegst Du dann auf die Finger geschossen oder daneben.

Zwei Niederlagen beim Cologne Cup: v.l.n.r.: Tom Krauß , Ragnar Ache und Trainer Lukas Kwasniok vom 1.FC Köln.

Welche Rolle spielt Torwarttrainer Peter Greiber gerade in solchen Phasen?

Peter bringt viel Ruhe und Erfahrung mit, was mir vieles vereinfacht. Er sieht viele Themen neutral und gibt mir ein gutes Gefühl. Seine Ruhe hilft mir definitiv sehr.

Sie sind beim FC in Ihrer fünften Saison und haben mit Lukas Kwasniok bereits den vierten Trainer. Wie nehmen Sie ihn bislang wahr?

Er brennt absolut für diesen Sport. (lacht) Lukas ist dabei authentisch und einer, der die Leute mitreißen kann. Das hat er bei der Mannschaft geschafft. Dazu kommt das fußballerische Know-how des gesamten Trainerteams. Das ist ein sehr gutes Niveau, das hat uns schon weitergebracht und wird uns in den kommenden Monaten hoffentlich noch mal auf ein anderes Level bringen.

Problem in Köln auf der Trainerposition ist die Nachhaltigkeit. Kann es mit Lukas Kwasniok eine lange Zusammenarbeit werden?

Wir sind gut beraten, so weiterzumachen, wie wir jetzt zusammen sind. Es wird auch Zeiten geben, in denen es nicht so gut läuft. Dann müssen wir unsere Köpfe zusammenstecken und weitermachen. Ich hoffe, dass wir lange in dieser Konstellation zusammenarbeiten.

Welchen Eindruck hat der Trainer auf Sie nach den beiden Niederlagen gegen Leipzig und Stuttgart gemacht?

Er hat mehr analysiert, weil es nach diesen Spielen mit den Gegentoren auch mehr Szenen gab. Obwohl er impulsiv und emotional sein kann, ist unter der Woche alles zielführend, um uns gut auf den nächsten Gegner vorzubereiten. Der Trainer erklärt dann ruhig, was gut und was nicht so gut war. Das ist aus meiner Sicht genau der richtige Ansatz. Besonders, weil auch das zurückliegende Jahr trotz des Aufstiegs nicht einfach war. Wir sind gut beraten, nach so einem ersten kleinen Dämpfer ruhig zu bleiben. Wir haben immerhin gegen Teams gespielt, die entweder international spielen oder den Ehrgeiz haben, oben dabei zu sein.

Der FC hat gegen diese Gegner aus den ersten sechs Spielen zehn Punkte geholt. Was macht diese Ausbeute mit dem Team?

Im Block bis zur nächsten internationalen Woche spielen wir gegen Augsburg, Dortmund, Bayern, den HSV und Gladbach. Also, gegen zwei der beiden besten Teams in Deutschland und drei Spiele, die unfassbar wichtig für uns sind.

Warum?

Weil wir mit diesen Gegnern auf Augenhöhe sind und punkten können, wenn wir so weitermachen wie bisher und uns gleichzeitig weiterentwickeln.

Geht der FC in den Heimspielen gegen Augsburg und den HSV nicht sogar als leichter Favorit ins Spiel?

Ich denke nicht, dass wir nur aufgrund unseres guten Starts als Favorit in ein Spiel gehen. Wir müssen uns aber auch nicht verstecken und können mit einer breiten Brust auflaufen.

Das neue FC-Torwart- und Kapitänsduo: Ron Robert Zieler (vorn) und Marvin Schwäbe.

Das neue FC-Torwart- und Kapitänsduo: Ron Robert Zieler (vorn) und Marvin Schwäbe.

Es ist Ihre fünfte Saison beim FC, Sie fühlen sich offensichtlich wohl. Ihr Vertrag läuft noch bis zum 30. Juni 2027. Ist es an der Zeit über eine vorzeitige Verlängerung zu sprechen?

Sie können fünf Türen weiter mal anklopfen und fragen (lacht). Aber im Ernst, ich konzentriere mich gerade nicht darauf. Die Gespräche werden sicher dann geführt, wenn sie geführt werden sollen.

Vor der Saison hatten Sie ein Angebot aus den Major League Soccer in den USA. Ist das etwas, was Sie grundsätzlich reizt?

Ich finde die USA als Land sehr interessant. Ich fühle mich aber mit meiner Familie, mit meinen Kindern hier einfach rundum wohl. Es gibt keinen Grund für uns zu sagen: „Ich muss und ich will.“ Meine Priorität liegt hier.

Sie sind in Ihrer Zeit als Torwart beim 1 FC Köln zweimal Vater geworden. Inwiefern hat Sie das Vatersein verändert?

Manche sagen so, andere so (lacht). Kinder haben einen anderen Blickwinkel. Wenn ich überlege, wie ich vor fünf Jahren über bestimmte Dinge nachgedacht habe und wie ich jetzt darüber denke, ist es ein meilenweiter Unterschied. Ich fühle mich geerdeter. Wenn ich nach Hause komme, spielt Fußball nicht immer eine Rolle. Egal, ob es gerade gut und nicht so gut läuft. Dann geht es darum, mit der Tochter Lego zu bauen oder zum Turnen zu fahren. Dinge, die mich aus dem Alltag herausziehen und cool sind. Ich habe auch das Gefühl, dass ich ein bisschen ruhiger geworden bin. Meine Frau sieht das, glaube ich, etwas anders (lacht).

Im Sommer 2026 steht die Weltmeisterschaft in den USA, Kanada und Mexiko an. Sie standen 2023 zuletzt in Kontakt mit dem DFB, dann folgte der Abstieg und ihre Degradierung zur Nummer zwei in Köln. Ist die Nationalmannschaft noch ein Thema für Marvin Schwäbe, gerade nach Leistungen wie in Hoffenheim?

Realistisch gesehen muss ich bei mir bleiben und Leistung bringen. Alles, was dann kommen könnte, kann ich nur dadurch beeinflussen. Ich denke es war jetzt ein logischer Schritt, dass Bundestrainer Julian Nagelsmann Noah Atubolo vom SC Freiburg nachnominiert hat.