Auszeichnung mit Brandenburger Freiheitspreis

„Meinungsfreiheit in den sozialen Medien läuft mit Abstand am besten“

Sa 11.10.25 | 16:46 Uhr | Von Stefanie Brockhausen

Schüler einer siebten Klasse melden sich in einem in einer Unterrichtsstunde. (Quelle: dpa/Matthias Balk)

dpa/Matthias Balk

Audio: rbb24 Antenne Brandenburg | 11.10.2025 | Brockhausen, Stefanie | Bild: dpa/Matthias Balk

Der Verein „GrundGesetzVerstehen“ klärt in Schulen über die Grundrechte auf. Dafür erhielt er am Samstag den Brandenburger Freiheitspreis. Warum das Thema in Zeiten von Social Media wichtig ist, erklärt Mitglied und Anwalt Lukas Schlegel im Interview.

Der mit 15.000 Euro dotierte Brandenburger Freiheitspreis ist am Samstag an den in Berlin ansässigen Verein „GrundGesetzVerstehen“ verliehen worden. In seiner Laudatio bei dem Festakt im Dom zu Brandenburg an der Havel sagte Altbundespräsident Joachim Gauck, mit dem Projekt zeigten engagierte Menschen, wie lebendig und anschaulich unsere Verfassung vermittelt werden könne: „Ihr Einsatz stärkt das Bewusstsein dafür, dass Freiheit und Demokratie keine Selbstverständlichkeit sind, sondern täglich verstanden, gelebt und verteidigt werden müssen.“

Der Brandenburger Freiheitspreis wird seit 2015 alle zwei Jahre an Personen oder Institutionen, vorzugsweise aus Brandenburg und Berlin, vergeben, die durch ihr Engagement in den Bereichen Kultur, Religion, Wirtschaft oder Politik zur Verwirklichung des Freiheitsgedankens beitragen.

Der gemeinnützige Verein „GrundGesetzVerstehen“ [grundgesetzverstehen.de] erkläre Schulklassen bundesweit das Grundgesetz leicht verständlich, hieß es zur Begründung. Junge Menschen lernten so frühzeitig ihre verfassungsmäßigen Rechte, Pflichten und Freiheiten und damit den Wert des Grundgesetzes kennen.

Zur Person

Lukas Schlegel (Quelle: Verein GrundGesetzVerstehen)

Lukas Schlegel (Quelle: Verein GrundGesetzVerstehen)

Lukas Schlegel arbeitet als Rechtsanwalt in Berlin und ist eines von vier Vorstandsmitgliedern im Verein „GrundGesetzVerstehen“, der nun ausgezeichnet wird.


rbb|24: Herr Schlegel, was genau macht der Verein „GrundGesetzVerstehen“ – und warum?

Lukas Schlegel: Wir besuchen kostenlos Schulklassen in ganz Deutschland und stellen dort das Grundgesetz und die darin enthaltenen Grundrechte vor. Die Schulen habenden Auftrag, die Schülerinnen und Schüler auch zu demokratiemündigen Bürgerinnen und Bürgern zu erziehen und dabei wollen wir gerne helfen.

Wir sind gut ausgebildete Juristinnen und Juristen, auch Pädagoginnen und Pädagogen und Leute aus anderen Berufsfeldern sind dabei. Mit diesem Wissen wollen wir die Schulen unterstützen, um dieses ganz grundlegende Wissen zu vermitteln: Wie funktioniert eigentlich unser Zusammenleben? Wie funktionieren die Rechte, die in der Verfassung stehen und was bedeutet das für jeden von uns individuell? Wir glauben, dass man das wissen, kennen und anwenden können sollte.


Wer bucht Sie?

In aller Regel wenden sich die Lehrkräfte an uns. Die werden auf unser Angebot aufmerksam und sagen dann: ‚Hey, ich betreue gerade eine achte Klasse in Geschichte und Politik und wir sprechen nächste Woche über das Grundgesetz im Allgemeinen oder Verfassungsgeschichte. Und es wäre super, wenn Sie dazu kommen und uns die Einheit zur Meinungsfreiheit vorstellen.‘ Unsere Angebote richten sich momentan an Sekundarstufe 1 und Sekundarstufe 2, also vor allem ab der siebten Klasse. Wir entwickeln aber gerade Angebote, die sich auch an jüngere Schülerinnen und Schüler richten. Das ist vor allem mir persönlich ein wichtiges Anliegen. Ich glaube, man kann gar nicht früh genug anfangen, diese Ideen der Grundrechte und des Miteinanders zu vermitteln.


Wie groß ist die Nachfrage?

Am Anfang waren wir 20 Leute und haben einen Schulbesuch pro Monat durchgeführt. Da haben wir versucht, die Schulen anzusprechen, an denen wir früher selbst waren. Inzwischen ist es andersrum. Wir bekommen jede Woche Anfragen, unser Angebot spricht sich rum. Ich glaube, jetzt sind wir eher bei durchschnittlich drei oder vier Schulbesuchen pro Woche während der Schulzeit.


Welche Angebote gibt es konkret?

Normalerweise machen wir Schulbesuche im Rahmen des Geschichts- oder Politikunterrichts, manchmal auch im Religionsunterricht, wenn es um Religionsfreiheit geht. Das sind dann meist Doppelstunden, also 90 Minuten. Wir haben aber auch schon ganze Schulen oder ganze Klassenstufen bespielt an Projekttagen. Die Angebote sind immer kostenlos.

Der Verein

Der Verein „GrundGesetzVerstehen“ macht rechtsstaatliche Bildung an Schulen. Die Idee dazu entstand 2020 in einer WG-Küche in Schottland. Schnell entwickelte sich aus dem zunächst lokalen Vorhaben eine deutschlandweit tätige Initiative. Ziel des Vereins ist es, Schülerinnen und Schülern einfach und verständlich das Grundgesetz zu erklären und dadurch einen Beitrag zur rechtsstaatlichen Bildung zu leisten. Das Angebot richtet sich an Schulen in ganz Deutschland und ist kostenlos. Seit 2022 ist GrundGesetzVerstehen ein eingetragener, gemeinnütziger Verein. Er hat bereits mehrere Preise erhalten, unter anderem von der Bundeszentrale für politische Bildung und von der Studienstiftung des deutschen Volkes.

 

 


Um welche Themen geht es dabei?

Unser Angebot beinhaltet gerade 12 oder 13 Unterrichtseinheiten. Die einen sind sehr klassisch auf einzelne Grundrechte bezogen, zum Beispiel Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Religionsfreiheit, Rundfunk- und Pressefreiheit. Es gibt aber auch welche, die sind etwas theoretischer oder allgemeiner. Da geht es zum Beispiel um Verfassungsgeschichte oder um Staatsorganisation. Das passt dann eben zu unterschiedlichen Klassenstufen, unterschiedlichen Ausbildungsstadien, je nachdem, wie die Lehrkräfte sich das vorstellen.


Wie läuft eine Unterrichtseinheit praktisch ab?

Bei den Grundrechtseinheiten versuchen wir, immer erstmal allgemein zu vermitteln, was das Grundgesetz überhaupt ist. Warum wurde es geschaffen, welchen Zweck hat es und was steht drin? Das ist nicht bei jeder Klasse gleich selbstverständlich. Es gibt Klassen, die sind total überrascht, dass es das überhaupt gibt. Oft teilen wir auch kleine Grundgesetze aus, also diese Miniversionen, und lassen die Schülerinnen und Schüler rumblättern.

Der größere Teil der Einheiten befasst sich mit konkreten Beispielen. Also, warum darf ich auf einer sozialen Medienplattform nicht Leute öffentlich beleidigen? Wo sind die Grenzen für die Meinungsfreiheit? Warum muss ich, wenn ich eine Demonstration plane für ein Anliegen, das mir persönlich total wichtig ist, auch berücksichtigen, dass ich möglicherweise nicht die Notaufnahme blockieren darf? Diese Dynamik, dass meine Freiheit nur bis zu den Grenzen der Freiheit der Anderen reicht, versuchen wir anhand von praktischen Beispielen zu vermitteln, mit Gruppenarbeiten, Diskussionen, Planspielen.


Was ist am stärksten nachgefragt?

„Meinungsfreiheit – Grundlagen“ und „Meinungsfreiheit in den sozialen Medien“. Das eine ist die Grundlageneinheit, das andere dann konkret auf Social Media bezogen. Das geht mit Abstand am besten. Ich weiß nicht warum. Ich kann mir vorstellen, dass das einfach besonders brisant ist heutzutage, weil das allgegenwärtig ist und die jungen Menschen ständig mit Social Media konfrontiert sind. Vielleicht ist es auch für die Lehrkräfte ein wichtiges Anliegen, Medienmündigkeit auch als Teil des Unterrichts zu behandeln.

Ich persönlich mag die Einheit zur Versammlungsfreiheit am liebsten. Da dürfen die Schülerinnen und Schüler eine eigene Demo planen und bekommen einen Stadtplan ausgelegt. Den passen wir auch immer auf die Stadt an, wo sie gerade leben. Wir schlagen ihnen verschiedene Demorouten vor, auf denen aber verschiedene Probleme auftauchen. Zum Beispiel die bereits erwähnte Notaufnahme, die dann möglicherweise blockiert wird. Das ist lebensnah, die Schülerinnen und Schüler müssen sich Gedanken machen darüber, warum das gefährlich ist, wenn ich eine Notaufnahme blockiere. Und das versuchen wir dann eben zurückzuführen auf diese rechtliche Dynamik des Grundrechts.


Gibt es besondere Erlebnisse aus dem Unterricht?

Was mich sehr wundert, aber auch ein bisschen bekräftigt darin, dass unsere Arbeit wichtig ist: Wie unterschiedlich jeweils die Vorbefassung und auch das Interesse von verschiedenen Klassen an der Materie ist.

Es gibt Klassen, da fangen wir wirklich bei 0 an. Da ist schon der Begriff „Grundgesetz“ neu. Das freut mich dann umso mehr, weil ich da wirklich das Gefühl habe, wir liefern eine ganz neue Information, die in ihrer Wichtigkeit überhaupt nicht überschätzt werden kann.

Und dann gibt es aber auch andere Klassen, die gehen sofort in die Diskussion mit uns. Das sind dann häufig schon ältere Schülerinnen und Schüler, klar. Da kommen sofort total pfiffige Nachfragen und auch kritische Nachfragen. Das ist aber auch schön, weil wir dann merken, die Schülerinnen und Schüler können schon was damit anfangen und sind motiviert, sich damit zu befassen. Und diese Bandbreite, die ist sehr spannend und auch eine Herausforderung.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führte Stefanie Brockhausen.

Sendung: Antenne Brandenburg, 11.10.2025, 11:00 Uhr

Beitrag von Stefanie Brockhausen