Fatima/Wien, 12.10.2025 (KAP) Eine katholische Kirche, die sich selbstbewusst auf die Quellen ihres Glaubens und ihre Soziallehre stützt, kann in Europa Hoffnungsträgerin für einen verwundeten Kontinent sein. Das hat der ungarische Pastoraltheologe und Religionswissenschaftler Andras Mate-Toth in einem Vortrag beim jüngsten Treffen der katholischen Bischofskonferenz-Vorsitzenden Europas unterstrichen. Die im Rat der europäischen Bischofskonferenzen (CCEE) versammelten Bischöfe – unter ihnen der Salzburger Erzbischof Franz Lackner – berieten von Dienstag bis Freitag im portugiesischen Wallfahrtsort Fatima, wie christliche Nachfolge im Zeitalter der Säkularisierung in Europa gelingen kann.

Im Ringen Europas mit den aktuellen geopolitischen Herausforderungen sei der Kontinent „auf das Angebot des christlichen Denkens und Handelns angewiesen“, sagte der an der Universität Szeged lehrende Mate-Toth in seinem der Nachrichtenagentur Kathpress vorliegenden Referat. Im Kontext eines Verlust moralischer Glaubwürdigkeit und sinkender Mitgliederzahlen müsse die Kirche in Europa wieder „zu sich selbst finden“. Ausgehend vom Lehramt der Päpste Johannes Paul II., Benedikt XVI., Franziskus und Leo XIV. betonte Mate-Toth die Notwendigkeit einer Vertiefung des Glaubens, von ausgewogener Selbstkritik, theologischer und soziologischer Bildung sowie einer kirchlichen Unabhängigkeit von politischen Kräften.

„Ist der Glaube der Kirche stark, dann prägen nicht Angst und Beklemmung ihr kollektives Empfinden, sondern Vertrauen und Hoffnung“, zeigte sich der Theologe überzeugt. Eine solche Kirche sehe sich auch nicht wirtschaftlichen oder politischen Umständen ausgeliefert, „sondern wagt es, beharrlich und entschlossen ihren Dienst zu tun und das Evangelium zu verkünden – ob es nun opportun erscheint oder nicht“.

Ob Kirche und Christentum Zukunft haben, messe sich nicht primär an rückläufigen Mitgliederzahlen oder sozialem und politischem Einfluss auch als Folge von Säkularisierungsprozessen, sondern an der Fähigkeit der Kirche Barmherzigkeit, Vergebung und Vertrauen zu verkörpern, hielt Mate-Toth fest. „In den zersplitterten, von Schützengräben zerrissenen europäischen Gesellschaften kann die Kirche aus ihrer Hoffnung auf Gott schöpfen und versuchen, der Spaltung zu widerstehen.“ In diese Richtung weise die heutige Mission der Kirche in Europa – „und vielleicht nicht nur in Europa“, wie der Experte hinzufügte.

Mit Blick auf die viel zitierte Ost-West-Kluft in Europa ging der ungarische Pastoraltheologe darauf ein, wie von der dramatischen Geschichte der Region geprägte soziale und kulturelle Routinen und Reflexe – Mate-Toth prägte dafür schon vor Jahren den Begriff der „verwundeten kollektiven Identität“ – in Mittelosteuropa Nationalismus, Angst vor externen Bedrohungen und Widerstand gegen Kritik schürten. Es handle sich um Muster, die heute aber auf dem gesamten europäischen Kontinent zunehmend sichtbar würden. Ethische Debatten im Zusammenhang mit dem Körper (Abtreibung, Sexualität, Sterbehilfe) und Identitätspolitik spiegeln laut Mate-Toth zwar nach wie vor Unterschiede zwischen Ost und West wider. Jedoch seien die innergesellschaftlichen Spaltungen bei diesen Themen heute entscheidender als geopolitische Grenzen.

Dialog droht der Spaltung zu weichen

Das Leitwort der auch vom Erfahrungsaustausch der Ortskirchen in den verschiedenen europäischen Ländern geprägten Bischofsversammlung in Fatima lautete „Wie können wir missionarische Jünger in einem säkularisierten Europa sein?“ Neben Mate-Toth hielt die Rektorin der Katholischen Universität von Portugal, Isabel Capeloa Gil, ein weiteres Grundsatzreferat vor den versammelten Bischofskonferenz-Vorsitzenden. Die Kulturwissenschaftlerin reflektierte laut Bericht auf der CCEE-Website die kulturellen und spirituellen Herausforderungen des Kontinents. So betonte Capeloa Gil das derzeitige Paradoxon zwischen technologischem Fortschritt und menschlicher Verletzlichkeit. Künstliche Intelligenz, Kriege, Klimakrisen und sich verschärfende Ungleichheiten offenbarten nicht nur materielle Fragilität, sondern auch eine tiefgreifende Sinnkrise.

In den polarisierten Kulturkonflikten der heutigen Zeit würden Identitäten als Waffen eingesetzt, sodass Dialog der Spaltung weicht, analysierte die Wissenschaftlerin. Bildung und kulturelles Erbe, einschließlich der christlichen Wurzeln Europas, seien nach wie vor wichtige Ressourcen für Dialog, Versöhnung und Hoffnung. Aus diesem Grund müsse sich die Kirche als Stimme des Gewissens und der Unterscheidungsfähigkeit („discernimento“) am öffentlichen Diskurs beteiligen.