Eine aufmerksame Standesbeamtin hat durch ihr hellwaches Beobachten eine Zwangsheirat verhindert und damit womöglich das Leben einer jungen Frau gerettet. Die werdende Braut fiel beim Termin 2022 durch auffallende Zurückhaltung und stille Angst auf, was die Beamtin des Standesamts Dietikon im Kanton Zürich sofort alarmierte. Mit viel Fingerspitzengefühl konnte sie die Situation hinter den Kulissen aufdecken, ehe die Hochzeit vollzogen wurde.
Sie forderte die Braut zu einem vertraulichen Gespräch unter vier Augen auf und erfuhr Erschreckendes: Die junge Frau wollte diese Ehe nicht eingehen, hatte Todesangst vor ihrem Verlobten und wurde massiv unter Druck gesetzt, berichtet die Neue Zürcher Zeitung. Eigentlich sei sie eine „neuzeitliche“ Frau, die kein Kopftuch tragen wolle. Aber sie habe Angst vor ihrem Partner. Er soll ihr gegenüber auch gewalttätig geworden sein. Wie die NZZ weiter schreibt, habe er ihr zuvor bereits den Finger gebrochen.
Mann zu 6 Jahren Haft verurteilt
Besonders schockierend: Erst später kommt heraus, dass sie während der Beziehung dreimal abtreiben lassen hat, weil sie keine Kinder mit ihm wollte. Die Standesbeamtin reagierte blitzschnell, zögerte die Hochzeit hinaus und alarmierte die Polizei über ihren Verdacht der Zwangsheirat. Ein halbes Jahr später wurde der französisch-kosovarische Doppelbürger wegen häuslicher Gewalt festgenommen. Das Opfer: Die Frau, die ihn zuvor fast geheiratet hätte.
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Aktuell sitzt der heute 43-Jährige im Gefängnis. Er wurde laut Bericht wegen Vergewaltigung, mehrfacher Drohung, mehrfacher Körperverletzung, eines Verkehrsdelikts und einer versuchten Zwangsheirat zu sechs Jahren Haft verurteilt. Zudem erhielt er ein Einreiseverbot und wird für zehn Jahre des Landes verwiesen. Außerdem muss er seinem Opfer Genugtuung und Schadensersatz zahlen.
Erzwungene Eheschließungen auch in Deutschland Realität
Auch in Deutschland sind Zwangsehen keine Einzelfälle. In Zahlen ausgedrückt: 2022 wurden dem Arbeitskreis Zwangsverheiratung in Berlin 496 Fälle gemeldet, in denen junge Menschen von einer erzwungenen Eheschließung bedroht oder betroffen waren. Die meisten von ihnen waren weiblich und zwischen 16 und 21 Jahren alt. Die Dunkelziffer dürfte weit höher liegen.
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Eine der Betroffenen ist die heute 25-jährige Anna. Vor neun Jahren hat die damals 16-Jährige ihre Familie verlassen. Die beiden jüngeren Schwestern taten es ihr gleich. Den Mädchen war klargeworden, was ihnen droht, wenn sie diesen Schritt nicht wagen: die erzwungene Heirat mit einem wildfremden Mann in Pakistan. So hatte es ihr Vater für sie vorgesehen, so verlangte es in seinen Augen die „Ehre“.
Doch ohne Hilfe von außen hätten die drei Schwestern keine Chance gehabt, der eigenen Familie zu entfliehen. In Annas Fall war es unter anderem eine Reise der Eltern nach Pakistan, die sie darin bestärkt hat, sich bei einer Schulsozialarbeiterin Hilfe zu holen. Umso trauriger findet es die junge Frau, dass Schulsozialarbeit nicht überall in Deutschland Standard ist.