Kiel. Trikots neben Abendkleidern im Publikum, Vereinsmaskottchen „Stolle“ tanzt den Schwanensee und ein Tenor, der die Liebe und das Leiden eines Fußballfans intoniert. Die Gala im Kieler Opernhaus anlässlich des 125. Geburtstages von Holstein Kiel bot viel Ungewöhnliches und schaffte es, auch „klassikfremde“ Besucher zu begeistern. Der Beweis dafür war donnernder Applaus im Anschluss an die 90 Minuten (plus Nachspielzeit), die eine musikalische Reise durch die Vereinsgeschichte der KSV boten. „Es war mein erstes Mal in der Oper und es hat mir sehr gut gefallen“, sagte Holstein-Torhüter Jonas Krumrey.
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Mit der Musikauswahl trafen die Macher voll ins Schwarze. Der ein oder andere Fußballfan stellte am Sonnabend fest, dass man vielleicht nicht alle Namen, aber dennoch überraschend viele klassische Stücke kennt. Gleich nachdem Holstein-Stadionsprecher York Lange den Abend mit der Ansage „Hier ist das Opernhaus Kiel, hier ist das Philharmonische Orchester Kiel, hier ist Dirigent Florian Ludwig“ eröffnet hatte, ertönten die epischen Klänge von Richard Wagners „Also sprach Zarathustra“, während auf der Leinwand im Hintergrund das Vereinswappen empor schwebte.
Beethovens 5. Symphonie als Sturmlauf mit Radiokommentar
Von Beginn schafften es die Musiker, die Gäste emotional mitzureißen, als wäre der Ort des Geschehens nicht das gut gefüllte Opernhaus, sondern ein Fußballstadion. Zum Stück „Parade of the Charioteers“, bekannt aus dem Monumentalfilm „Ben Hur“, wurde der aktuelle Kader der Störche präsentiert. Ein bisschen dick aufgetragener Pathos darf angesichts eines solchen besonderes Jubiläums schon sein.
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Das Programm blieb kurzweilig. Zur 5. Symphonie von Ludwig van Beethoven schlüpfte Stadionsprecher Lange in die Rolle eines Radiokommentators, der gelungene Aktionen des Orchesters feierte. Dirigent Florian Ludwig, der gemeinsam mit dem Moderator mit lockeren Anmerkungen durch den Abend führte, hatte zuvor angemerkt: „Beethovens Fünfte ist wie ein Sturmlauf, bei dem der Gegner keine Chance hat, dazwischenzukommen.“
Großer Jubel: Marcel Rapp mit Halbzeit-Ansprache für Orchester
Mit Unterstützung des Philharmonischen Chors gab es bis zur Halbzeit Carl Orffs „O Fortuna“ und Georg Bizets „Carmen“ zwei weitere populäre Klassikwerke, sowie mit Herbert Grönemeyers „Zeit, dass sich was dreht“ ein kleines bisschen Sommermärchen 2006. Es blieb nicht das einzige Stück des Abends, bei dem das Publikum lautstark in den Chor einstimmte. Zum Star der ersten 45 Minuten wurde der international bekannte chinesische Tenor Dashuai Chen, der zunächst mit Fanschal und Ball, später sogar in kompletter Fan-Montur auf der Bühne stand.
Ehe der zweite Durchgang startete, bekam das Publikum einen Einblick in die „Mannschaftskabine“ des Orchesters. Für großen Jubel sorgte, dass Störche-Chefcoach Marcel Rapp dort die nicht ganz ernst gemeinte Halbzeitansprache hielt. „Bei den Klarinetten spielen wir zu hoch“, analysierte Rapp und spornte die Philharmoniker an: „Es war okay, aber okay ist nicht gut genug!“ Das Orchester, nun kollektiv in Holstein-Shirts gekleidet, wechselte deshalb mehrere Überraschungsgäste ein.
Holstein-Hymne der „Denkedrans“ als Symphonie-Version
Nachdem Maskottchen Stolle mit Tänzerinnen der Ballettakademie seine Interpretation des „Schwanensee“ gezeigt hatte, wurde für die Nachspielzeit die gesamte Holstein-Mannschaft und „Die Denkedrans“ auf die Bühne geholt. „Ich war aufgeregter als vor 15.000 Zuschauern im Holstein-Stadion“, gab Band-Sänger Jan-Peter Rolfs zu. Das Lampenfieber war schnell verflogen, als das gesamte Opernhaus die Holstein-Hymne „Keine andere Stadt, keine andere Liebe, kein andere Verein“ anstimmte.
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Das Konzept „Klassik trifft Fußball“, das phasenweise an die berühmte „Last Night of the Proms“ erinnerte, hat perfekt funktioniert. „Eine hervorragende Veranstaltung, die dem Jubiläum würdig war. Einfach ein klasse Abend“, war KSV-Trainer Marcel Rapp voll des Lobes.
KN