DruckenTeilen
Eine junge Kellnerin beobachtet ein bestimmtes Verhalten bei jungen Menschen, das sie wütend macht. Ein Experte erklärt die Gründe für den Trend.
Berlin – „Ich bin sauer und ich muss es jetzt einmal ansprechen. Was ist mit Trinkgeld geworden – in der Jugend?“ Das fragt eine junge Kellnerin in einem TikTok-Video. Die Creatorin @mayaa.zrr ist frustriert darüber, dass sie in ihrem Nebenjob in der Gastronomie von vielen jungen Menschen wenig oder gar kein Trinkgeld bekommt. Sie sagt: „Das ist doch der einzige Grund, warum man in der Gastro arbeitet“. Sonst könnten sich Schülerinnen und Schüler oder Studierende auch einen weniger anstrengenden Nebenjob suchen, meint sie.
Die Frau habe das Gefühl, dass von den jungen Menschen nur diejenigen Trinkgeld geben, die selbst in der Gastro tätig sind. „Das macht mich aggressiv. Das finde ich schon respektlos.“ Sie gebe immer Trinkgeld: „Natürlich hat das auch was damit zu tun, wie der Service ist. Wenn der Service schlecht ist, gebe ich weniger – aber es ist immer da“. Am Schluss des Videos fragt sie die TikTok-Nutzer direkt: „Gebt ihr Trinkgeld?“
Trinkgeld im Restaurant ist nicht mehr selbstverständlich„Besonders junge Menschen“ geben immer weniger Trinkgeld – zum Frust des Servicepersonals. (Symbolbild) © IMAGO / Pond5 Images
In den Kommentaren wird vielfach bestätigt, worüber sich die junge Kellnerin ärgert: Viele sehen keine Notwendigkeit, Trinkgeld zu geben. „Ich arbeite in einer Arztpraxis und bekomme auch keins“, schreibt eine Nutzerin und auch ein anderer meint: „Ihr habt doch euer Gehalt. Bekomme auch kein Trinkgeld für meinen Beruf“. Einige verstehen allerdings den Frust der Servicekraft. In den Kommentaren schreiben auch Friseure und Handwerker, dass sie eine Veränderung bemerken. „Ich arbeite als Monteur und bei den Kunden bekomme ich auch immer seltener Trinkgeld. Ich freue mich schon, wenn man mir was zu trinken anbietet.“
Ein weiterer Grund: „Immer weniger Leute können sich Trinkgeld leisten“, erklärt eine Person in den Kommentaren. Auch der Hotel- und Service-Spezialist Michael Bauer bestätigt das. „Die Preise in der Gastronomie sind in den letzten Jahren stark gestiegen“, sagt er BuzzFeed News Deutschland von Ippen.Media. Die Folgen: „Die Gäste kommen weniger, konsumieren weniger und geben auch weniger Trinkgeld.“ Er geht davon aus, dass auch die kommende Mehrwertsteuersenkung ab Januar nicht an die Gäste weitergegeben werden wird, sondern „von den Wirten eingesackt“.
Gastronomie-Experte: Wertschätzung für Dienstleistungen geht verloren
Doch gestiegene Preise seien nicht der einzige Grund dafür, dass einige junge Menschen kaum mehr Trinkgeld geben: „Wir erleben in der Gastronomie einen Werteverfall“, sagt Bauer. Das betrifft vor allem das Verhalten jüngerer Menschen, weniger das der Älteren. „Besonders junge Menschen“ würden Service und Dienstleistungen nicht mehr schätzen, es sei für sie selbstverständlich. „Die Menschen, die abends in der Gastro arbeiten, leisten Schwerstarbeit. Sie verzichten auf ihre Freizeit, um uns zu bedienen“, betont Bauer, „doch was bekommen sie zurück? Oft nur Frust“. Das führe in eine Abwärtsspirale: Wenn Gäste unfreundlich seien und wenig Trinkgeld geben, würde man das auch den Servicekräften anmerken. Diese bekommen jedoch mehr Trinkgeld, wenn sie Freundlichkeit ausstrahlten.
Ein weiterer Faktor, der die Trinkgeldkultur verändert, sind digitale Zahlungssysteme. Laut einer Umfrage von Lightspeed aus dem Jahr 2025 fühlen sich 25 Prozent der Befragten durch die voreingestellte Trinkgeldoptionen unter Druck gesetzt.
„Trinkgeld ist mehr als nur Geld – es ist Anerkennung der geleisteten Arbeit und der Person“, erklärt der Experte. Diese Wertschätzung „geht in unserer Gesellschaft verloren“. Auch die fehlende Wertschätzung der Chefs wirke sich negativ aus. „In Deutschland gibt es ein Fremdwort mit drei Buchstaben: Lob. Solche Worte kosten nichts, aber sie bedeuten alles“, sagt Bauer. (Quellen: TikTok, Lightspeed-Umfrage, eigene Recherche)