Wer schon einen ordentlichen Schnupfen hat, sollte sich nicht noch obendrein den Unterarm brechen, eine Gehirnerschütterung erleiden oder sich einer Zahnwurzelbehandlung unterziehen. Die Vielzahl der europäischen Malaisen ist am Ende eine zu viel. Die Polykrise ist deswegen eine so bedrohliche, weil jede Gegenmaßnahme, ob sinnvoll oder nicht, sofort auf politischen oder zivilgesellschaftlichen Widerstand trifft und im Ansatz stecken bleibt. Die Logik der pluralistischen Gesellschaft stößt an ihre Grenze, wenn schmerzhaft notwendige Veränderungen und Reformen verwässert, abgewürgt oder erst gar nicht thematisiert werden. Auf diese Weise werden Handlungsspielräume verengt und mögliche Kurswechsel auf eine unbestimmte Zukunft vertagt.
In Deutschland hat man sich parteiübergreifend auf eine recht simple Methode zur Überwindung von Problemen verständigt. Akute Krisen und politische Herausforderungen werden mit Geld zugeschüttet, überzuckert und dadurch unsichtbar gemacht. Staatsschulden wachsen in astronomische Höhen. Bloß nicht von den alten, vertrauten Pfaden abweichen! Doch mit der Unsumme milliardenschwerer Neuschulden wird lediglich der Aufschub kommender Einschnitte finanziert. Systemische Fehlstellungen und soziale Dysbalancen werden therapeutisch, aber eben nicht strukturell angegangen.
Ohne Abo Lesen
Mit tiun erhalten Sie uneingeschränkten Zugriff auf alle Cicero Plus Inhalte.
Dabei zahlen Sie nur so lange Sie lesen – ganz ohne Abo.