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Die EU-Innenminister beraten am Dienstag über Migrantenverteilung. Dobrindt will das Asylsystem „schärfen“ – trotz rechtlicher Bedenken der Koalition.

Berlin – Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) ist eine der treibenden Kräfte, wenn es um die Verschärfung von Migrationspolitik geht. Es scheint ihm ein persönliches Anliegen zu sein, Deutschland und Europa vor vermeintlichen Massen aus Afrika und Asien zu schützen. Doch immer wieder stößt er mit seinen Ideen an rechtliche Grenzen des Grundgesetzes, der Menschenrechte oder der EU-Charta – sei es mit Ideen zu Abschiebehaft, Aufnahmelagern in Drittstaaten oder eingeschränktem Familiennachzug.

Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) will eine schärfere Migrationspolitik durchsetzen.Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) will eine schärfere Migrationspolitik durchsetzen. © Kappeler/Haase/DPA/Montage

Einer der wichtigsten Streitpunkte in Europas Asylpolitik ist der Verteilung der Migranten innerhalb der EU. Deutschland und die EU definieren momentan vieles neu in der Migrations- und Asylpolitik. Ab Juli 2026 gilt ein neues gemeinsames europäisches Asylsystem (GEAS).  Doch wie genau dieser neue Verteilungsmechanismus aussieht? Details werden am kommenden Dienstag (14. Oktober) beim Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg besprochen.

Deutschland diskutiert mit Dobrindt über Verteilung von Migranten in EU

Die Diskussion über den sogenannten neuen „Solidaritätspool“ im soeben reformierten EU-Asylsystem taucht laut Informationen der Welt nur unter dem vermeintlich nebensächliches Punkt „Sonstiges“ der vorläufigen Tagesordnung des EU-Innenministertreffens auf. Doch in Wahrheit ist die gerechte Verteilung von Migranten innerhalb der EU seit Jahren ein Dauerstreitthema. Vor allem die Staaten an den Außengrenzen wie Italien, Spanien oder Griechenland wurden durch das Dublin-Verfahren mit der Aufnahme von Asylsuchenden überbelastet. Dies war einer der Gründe für die Asylreform in der EU.

Die EU-Asylreform sieht unter anderem einheitliche Asylverfahren an den EU-Außengrenzen vor – mit dem Ziel, Migranten gegebenenfalls direkt von dort abschieben zu können. Außerdem soll das bisherige sogenannte Dublin-Verfahren geändert werden, das regelt, welcher Mitgliedstaat für das Asylverfahren eines Schutzsuchenden zuständig ist. Deutschland diskutiert bereits intern über die Anpassung des nationalen Rechts an die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems.

Minister unter Merz: Komplette Liste des Kabinetts – von Klingbeil bis zu „neuen Gesichtern“17 Ministerinnen und Minister, dazu ein Bundeskanzler namens Friedrich Merz: Sie bilden das Kabinett der Koalition aus CDU, CSU und SPD und damit die 25. Bundesregierung Deutschlands.Fotostrecke ansehenDebatte um GEAS: Große Koalition will Migrationswende in Europa durchsetzen

Während die Vertreter der Regierungskoalition die Neuregelung verteidigten, kritisierte die AfD die GEAS-Reform als „hohlen Popanz“; Grüne und Linke beklagten dagegen massive Asylrechtsverschärfungen zu Lasten Schutzsuchender. In der scharf geführten Bundestagsdebatte am Dienstag (9. Oktober) sagte Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU), GEAS sei die „Grundlage, um die Migrationswende in Europa durchzusetzen“. Bei der Reform gehe es darum, ein neues „Gleichgewicht aus Humanität, Solidarität und Ordnung“ zu schaffen. Das bedeute, die Lasten gerecht in Europa zu verteilen. 

Als „drei große Elemente“ des GEAS nannte Dobrindt, dass die EU-Außengrenzen gesichert und Asylverfahren dort durchgeführt werden, dass Sekundärmigration unterbunden wird und dann die Solidarität wirksam werde, die Staaten an den EU-Außengrenzen nicht dabei alleine zu lassen, die Asylverfahren abzuarbeiten. Vorgesehen sei auch, in Deutschland „Sekundärmigrationszentren“ einzurichten, aus denen Betroffene, für die die Bundesrepublik nicht zuständig sei, in die EU-Staaten mit entsprechender Zuständigkeit zurückgeführt werden können, betonte der Minister. Dazu gehöre auch, „Wohnsitz- und Aufenthaltspflichten“ zu verhängen. In diesen Zentren solle es die Möglichkeit geben, in das zuständige Land auszureisen, „aber nicht, sich frei in Deutschland zu bewegen“.

Gerechte Verteilung in der EU? Dobrindt will das Asylsystem weiter „schärfen“

Zusammen mit anderen EU-Staaten sei Deutschland derzeit dabei, das europäische Asylsystem weiter zu „schärfen“, fügte der Ressortchef hinzu und plädierte für sogenannte „Return-Hubs“, also „Rückkehrzentren für abgelehnte Asylbewerber“, die nicht in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden könnten, aber „in heimatnahe Regionen“. Hierzu müssten im neuen GEAS auch die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Einrichtung solcher Return-Hubs geschaffen werden. Was sich in der Formulierung des CSU-Ministers wie eine migrationspolitische Glanzleistung lesen lässt, ist selbst in den Augen des Koalitionspartners SPD buchstäblich grenzwertig.

Regelungen werden an die Grenze dessen gehen, was das Grundgesetz, die EU-Grundrechtecharta und die Genfer Flüchtlingskonvention zulassen.

Die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Natalie Pawlik (SPD), sagte, sie sehe die menschenrechtlichen Bedenken und wolle die Sorgen der Zivilgesellschaft ernst nehmen. Es werde Regelungen geben, „die an die Grenze dessen gehen, was das Grundgesetz, die EU-Grundrechtecharta und die Genfer Flüchtlingskonvention zulassen“. Diese blieben aber „unser Kompass“, sagt sie Richtung Koalitionspartner Union. Grünen-Abgeordnete Irene Mihalic bezeichnete Dobrindts Kurs als „Frontalangriff auf Schutzsuchende“, Linke-Abgeordnete Clara Bünger sprach von „faktischen Haftbedingungen“ für Asylsuchende.

Dobrindt will Abschiebezentren in Drittstaaten gegen europäisches Recht durchsetzen

Bereits nach dem Migrationsgipfel in München am 4. Oktober hatte auch Innenminister Dobrindt rechtliche Hindernisse bei der Einrichtung von sogenannten Rückkehrzentren für Migrantinnen und Migranten in Staaten außerhalb der EU eingeräumt. „Wir befinden uns am Anfang eines Prozesses“, sagte Dobrindt bei einer Pressekonferenz nach dem Treffen mit mehreren europäischen Amtskollegen. Es habe bereits erste „Erprobungen“ und dabei auch „juristische Hürden“ gegeben.

„Wir legen Wert darauf, dass wir die juristischen Möglichkeiten auf europäischer Ebene dafür schaffen“ und solche „Return hubs“ mit europäischen Partnerländern und der EU-Kommission „erreichen“, sagte Dobrindt in München. Die Einrichtung von Rückkehrzentren in Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union wird seit langem auf EU-Ebene diskutiert. Kritiker zweifeln daran, dass solche Zentren mit europäischem Recht vereinbar sind.

Lokomotive für den Grenzschutz: Dobrindt will Deutschland zur Migrationsbremse machen

Teilnehmer des sogenannten Munich Migration Meeting im Hotel Bayerischer Hof waren laut Bundesinnenministerium die Ressortchefs aus Polen, Italien, Luxemburg, der Schweiz, Dänemark, Schweden, Belgien und den Niederlanden. Auch EU-Innenkommissar Magnus Brunner war anwesend. Die Gruppe habe über das „Schärfen und Härten“ des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems diskutiert, gab Dobrindt weiter an. „Wir wollen, dass wir unbefristete Abschiebehaft für abgelehnte Asylbewerber ermöglichen“, führte er weiter aus. Ein Ziel seien auch „unbefristete Einreiseverbote“. Dafür müsse es „natürlich Voraussetzungen geben“, sagte Dobrindt und verwies auf „Straffälligkeiten“. Auch solle der Datenaustausch verbessert und Künstliche Intelligenz (KI) etwa als Dolmetscher-Tool in Asylverfahren eingesetzt werden können.

Im Juli hatte es ein erstes derartiges Migrations-Treffen auf Initiative Dobrindts auf der Zugspitze gegeben. Von dem Treffen solle das Signal ausgehen, „dass Deutschland nicht mehr im Bremserhäuschen sitzt in der EU, sondern in der Lokomotive mit dabei ist“, wenn es um die Verschärfung der Migrationspolitik gehe, sagte Dobrindt damals. (Quellen: Welt, Bundestag, AFP) (lm)