Oper im Taschenformat: Der „Barbier von Sevilla“ der Opera Augusta
Spielfreude und hohe Professionalität bestimmen die frische Aufführung der Opera Augusta in der Stadthalle Neusäß. Mit diesem Projekt zeigt der in diesem Jahr gegründete Augsburger Konzertbetrieb, wie Gemeinnützigkeit, Nachwuchsförderung und regionale Anbindung bestens harmonieren können.
Von Halrun Reinholz
Justin Pambianchi am Flügel, Ejnar Čolak als Figaro, Klara Brockhaus als Rosina und Dakai Wei als Graf Almaviva (v.l.n.r.)
Foto: Tizian Steffen
Figaro, der Barbier, hat eine tragende Rolle im Verwirrspiel der Oper „Der Barbier von Sevilla“. In der Aufführung der Opera Augusta wird das gleich zu Beginn klar, denn Figaro schreitet lässig von hinten durch den Saal, verteilt Visitenkarten (der Opera Augusta, ein echter Manager denkt eben immer an alles) und führt das Publikum schließlich in die Grundzüge der Handlung ein, die sie in den nächsten zwei Stunden erwartet: Es ist kompliziert und verwirrend, aber er, Figaro, hat alles im Griff und wird verlässlich dafür sorgen, dass Graf Almaviva zu seiner Rosina kommt. In seinem Rucksack, den er zunächst achtlos neben das Klavier wirft, befinden sich, wie man später merkt, wichtige Utensilien und Brieflein, die so ein Intrigenspiel braucht. Und, was Figaro noch verspricht: Das Ganze wird nicht zu lang werden fürs Publikum, sondern „wie ein Espresso“ – klein, stark und „direkt ins Herz“ gehend.
Schnörkellos – glänzende Gesangspartien
Das ist kein leeres Versprechen. Für die kompakte Taschen-Aufführung hat sich das Team der Opera Augusta einiges einfallen lassen. Die Handlung wurde von einigen Schnörkeln befreit, die Dialoge sorgen für Übergänge und der Akzent liegt voll und ganz auf den glänzenden (und vielfach bekannten) Gesangspartien, die von den ausnahmslos jungen Sängerinnen und Sängern in hoher musikalischer Qualität dargeboten wurden.
Spaß am Zusammenspiel: das junge Sextett – Bild: Opera Augusta
Wie bei Rossini üblich, sind die sechs Darstellerinnen und Darsteller durchaus gleichwertig gefordert, in den atemberaubenden Sextetten wird das besonders deutlich. Aber auch jeder einzelne Charakter muss sich in den flotten Arien oder im Zusammenspiel beweisen. Die Besetzung in Neusäß erfolgte aufgrund einer Ausschreibung mit Vorsingen. Wie der Geschäftsführer der Opera Augusta erläuterte, geht es bei solchen Produktionen darum, junge Künstler noch während des Studiums an Rollen heranzuführen, ihnen ein Auftrittspodium zu bieten und sie gleichzeitig auch fit zu machen für die berufliche Zukunft. Deshalb beinhaltet das „Paket“ nicht nur die Teilnahme an einer Opernaufführung, sondern auch ein Vorsingtraining und Beratung für den Einstieg in den Beruf. Für diese Rossini-Oper war möglicherweise auch ein Schnellsprech-Kurs Italienisch inbegriffen, um den Anforderungen der Gesangspartien zu genügen.
Sichtlich vergnügliches Zusammenspiel
Neben dem Schnellsprechen zeigten die sechs Akteurinnen und Akteure überzeugend ihre hervorragende stimmliche Ausbildung, vor allem hatten sie aber sichtlich Spaß am vergnügten Zusammenspiel. Mit seinem kräftigen Bariton und darstellerischen Talent dominierte Ejnar Colak aus Sarajevo, derzeit noch Student in Wien, das Geschehen als Figaro und „Moderator“ der Handlung. Der aus China stammende Dakai Wei, Student in Frankfurt, gab den verliebten Grafen Almaviva bzw. „Lindoro“. Der Spagat zwischen romantischer Schwärmerei und der frechen Verwegenheit in den diversen Verkleidungen gelang ihm gut. Klara Brockhaus, Studentin an der Theaterakademie Everding, zeigte eine selbstbewusste Rosina, die „weiß, was sie will“, auch stimmlich sehr überzeugend. Der aus Taiwan stammende Cheng-Cheng Tsai , Student am Augsburger Leopold Mozart College (LMC), gab den eifersüchtigen und misstrauischen Dr. Bartolo, der auf das Vermögen seines Mündels Rosina spekuliert. Sein intriganter Helfer Don Basilio wurde von Jonas Boos verkörpert, der an der Hochschule Karlsruhe studiert. Nur scheinbar nebensächlich ist die Rolle des Dienstmädchens Berta, die von Wen-Chi Huang aus Taiwan, Studentin am LMC Augsburg, gesungen wird. Sie bringt die Dinge mit witzigen Bonmots immer wieder auf den Punkt – dass sie dabei „berlinert“ ist eine drollige Idee, deren tieferen Sinn man wohl nicht verstehen muss.
Einfallsreiche Choreografie – auch ohne Kulissen
Tizian Steffen sorgte als Regisseur und Dramaturg dafür, dass die Kompakt-Version der doch sehr komplexen Rossini-Oper auch dramaturgisch funktioniert. Der Schauspielstudent (Abteilung Puppenspielkunst) an der Ernst-Busch-Akademie hat für die schlüssigen Dialoge im Handlungsverlauf gesorgt, wohl aber auch für die oft einfallsreiche Personenführung und Choreografie auf der Bühne, die praktisch ohne Kulissen auskommt. Assistiert wurde ihm dabei von Marie Winkelmann, die am LMC Gesangspädagogik studiert. Bei der dramaturgischen Umsetzung wurde offenbar auch darauf geachtet, der Handlung eine gewisse Modernität zu verleihen, etwa wenn Rosina Almaviva über den Mund fährt, als dieser von Bartolo ihre „Freigabe“ verlangt und das mit versöhnlichen Worten selber tut. Dadurch wird eine solche Oper auch für Jugendliche nachvollziehbar, von denen sicher etliche an dieser Aufführung Vergnügen fänden.
Justin Pambianchi, Geschäftsführer und künstlerischer Motor der Opera Augusta, ersetzte die Orchesterbegleitung ganz allein am Klavier, das einen großen Teil der Bühne einnahm. Routiniert und ohne Noten war er bis zum rauschenden Finale mitten im Geschehen, gelegentlich auch „Opfer“ der einen oder anderen Spielhandlung.
Großer und verdienter Applaus für diese erfrischende Aufführung kam vom Publikum, das leider nicht sehr zahlreich den Weg nach Neusäß gefunden hatte. Vielleicht muss die Opera Augusta einfach noch bekannter werden. Dass sie das Potenzial dazu hat, zeigen Aufführungen wie dieser kompakte, verständliche und vergnügliche „Barbier von Sevilla“.
Artikel vom
13.10.2025
| Autor: Halrun Reinholz
Rubrik: Kultur, Musik