Stellen Sie sich vor: Sie rufen die Feuerwehr und die kommt in ihrer Straße nicht durch, weil die Fahrbahn wegen parkender Autos zu schmal fürs Einsatzfahrzeug ist. Kann das wirklich passieren? In der Stadt Germering im Münchner Westen hat man genau dieses Problem festgestellt – und gehandelt.

Dort hat die Stadtverwaltung in Zusammenarbeit mit der örtlichen Feuerwehr schon Ende vergangenen Jahres rund 40 neuralgische Straßen identifiziert, in denen Halteverbote erlassen werden sollen, um so künftig die Durchfahrt für die Einsatzfahrzeuge sicherzustellen. 110 Parkplätze fallen dadurch insgesamt weg. Der entsprechende Ratsbeschluss ist gefasst, derzeit werden die Maßnahmen nach und nach umgesetzt, wie die Stadt Germering auf AZ-Anfrage bestätigt.

Verkehrswende in München: Zahl der Pkw in der Landeshauptstadt stetig an

Könnte so etwas auch in München drohen? Immerhin steigt die Zahl der Pkw auch in der Landeshauptstadt stetig an – und die Autos werden immer größer und breiter. Die AZ hat bei der Berufsfeuerwehr München nachgefragt und dabei allerhand Interessantes erfahren. 

Zuerst einmal: Angst, dass die Feuerwehr nicht mehr zum eigenen Haus durchkommt, muss man in München nicht haben, und zwar aus gleich mehreren Gründen, erklärt Fabian Hörmann. Der Feuerwehrmann, der ursprünglich Architekt war, ist bei der Berufsfeuerwehr München im Sachgebiet Verkehr- und Infrastruktur für alle temporären und dauerhaften Maßnahmen, die den öffentlichen Raum betreffen, zuständig. Aktiver Feuerwehrmann ist er auch nach wie vor.

Binnen zehn Minuten am Einsatzort 

Generell gilt: Die sogenannte gesetzliche Hilfsfrist, festgelegt im Bayerischen Feuerwehrgesetz, besagt, dass eine Stadt ihre Feuerwehr so aufstellen muss, dass diese binnen zehn Minuten ab dem Eingang eines Notrufs alle an einer öffentlichen Straße gelegenen Einsatzorte erreichen kann, erklärt Hörmann. Damit das gelingt, gibt es in München aktuell zehn Feuerwachen, strategisch über das Stadtgebiet verteilt. Damit das so bleibt, werden es perspektivisch bald sogar zwölf sein, denn in Freimann und Freiham, wo große Neubaugebiete entstanden sind, beziehungsweise noch entstehen, werden neue Wachen geschaffen.

Die Fahrzeuge der Münchner Feuerwehr haben einen engen Wenderadius, damit sie durch die engen Straßen kommen.

Die Fahrzeuge der Münchner Feuerwehr haben einen engen Wenderadius, damit sie durch die engen Straßen kommen.
© Berufsfeuerwehr München

Die Fahrzeuge der Münchner Feuerwehr haben einen engen Wenderadius, damit sie durch die engen Straßen kommen.

von Berufsfeuerwehr München

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Von den Feuerwachen in den Vierteln wird ausgerückt. Die Fahrer der Einsatzfahrzeuge sind nicht nur speziell für ihr Fahrzeug ausgebildet – sondern auch explizit in ihrem Wachgebiet. Das heißt, sie haben so gute Ortskenntnis, dass sie wissen, wie und wo sie am besten durchkommen. Der nächste Faktor: Die Münchner Feuerwehr ist eine Großstadt-Feuerwehr und entsprechend ausgerüstet. Das heißt konkret: Man hat kleinere Fahrzeuge als viele Feuerwehren auf dem Land.

Fabian Hörmann erklärt, hausintern gebe es eine Planungsgruppe bei der Fahrzeugbeschaffung, die aktuell die nächste Generation Einsatzfahrzeuge geplant habe. Die werden nämlich eigens angefertigt „für den urbanen Kontext des Einsatzgebietes“. „Wir müssen selten auf Feldwegen oder Landstraßen fahren, unser Einsatzgebiet ist die Stadt und meist die eng bebaute Stadt“, sagt Hörmann.

Einsatzfahrzeuge mit engen Wenderadien

Man reagiere darauf mit möglichst kleinen kompakten Fahrzeugen mit engen Wenderadien und mit an die Stadt angepasster Beladung. „Unsere Drehleitern sind speziell niedrig gebaut mit speziellen Lenkungen, um durch niedrige Durchfahrten zu passen und um auf engerer Fläche fahren zu können.“ Hörmann schildert, zu breite Pkw seien in München nicht das Problem, wohl aber manchmal die Verkehrsdichte – und Falschparker. Dass wie in Germering ganze Straßenzüge nur für die grundsätzliche Passierbarkeit mit einem Parkverbot versehen werden, „das würde ich – Stand heute – für München ausschließen“, sagt er. Denn: „Die Autos verschwinden ja nicht, sondern parken dann woanders.“ Der Parkdruck werde also nur verlagert und an anderer Stelle zum Problem.

In einer Großstadt wie München würde er ohnehin versuchen, anders zu reagieren, sagt Hörmann, etwa nur mit punktuellen Parkverboten. Solche sind manchmal auch in München nötig, etwa wenn man feststellt, dass bestimmte Kreuzungen oft verparkt sind und dadurch die Durchfahrt erschwert wird, nicht nur für die Feuerwehr, sondern auch die Müllabfuhr, die so etwas meist als Erste bemerkt, oder Busse.

„Das wäre dann so ein Fall, wo das Mobilitätsreferat prüfen muss, ob ein Parkverbot notwendig ist, um die Durchfahrt für alle zu ermöglichen“, so Hörmann. „Dass man Kreuzungen im Umfeld von fünf Metern freihalten muss, lernt man in der Fahrschule, aber danach vergessen es die Leute offenbar schnell.“ Und es gibt noch einen wichtigen Baustein, der in München für die freie Fahrt der Feuerwehr sorgt: eine neue Unterabteilung, die sich nur um das Thema Verkehr und Infrastruktur kümmert – und zwar bereits vorbeugend.

Mehr Autos, aber weniger Platz

In dieser Abteilung arbeitet auch Fabian Hörmann. „Wir sind da eine Art brandschutztechnisches Pendant zum Mobilitäts- und Planungsreferat“, sagt er. Soll heißen: Man arbeitet eng zusammen bei Planungen oder Veränderungen im öffentlichen Raum. „Natürlich werden es mehr Autos und der Platz wird nicht mehr“, so Hörmann. „Wir machen im Rahmen der Mobilitätswende ja auch eine gewisse Umverteilung, nehmen den Pkw, dem motorisierten Individualverkehr, Platz weg und schlagen ihn Fußgängern, Radfahrern oder Grünflächen zu. Und das ist ja auch der Platz, den wir als Feuerwehr nutzen.“

Das zu meistern, ist die Aufgabe seiner Abteilung. Wenn also das Mobilitätsreferat der Stadt irgendwo – beispielsweise – einen neuen Radweg oder Radstreifen plant, ist die Feuerwehr immer eingebunden, erklärt Hörmann. „Die Kollegen sprechen mit uns, noch bevor sie den ersten Federstrich machen“, sagt er. Da gehe es um Radwege, um neue Trambahnen, um Plätze, die neu gestaltet werden. „Das fängt sogar bei dem kleinen einzelnen Straßenbaum an, der gepflanzt werden soll, da sind wir überall von Anfang an mit eingebunden.“

Und nicht nur im schon bestehenden Stadtraum, auch da, wo neue Wohngebiete entstehen, ist die Feuerwehr in den Bebauungsplan so frühzeitig eingebunden, „dass wir auch da Straßenbreiten und unsere Belange schon in der Planung kundtun können“, so Hörmann. Sogenannte „Feuerwehrerschließungspläne“, die zusammen mit den Planern erstellt werden. Und auch bei der Schaffung von geschützten Radstreifen redet die Feuerwehr mit. Hörmann war gerade erst mit dem Regelwerk dafür beschäftigt. Er erklärt: Bei all diesen Planungen sei der Hauptfokus, wie wichtig diese Straßen sind, um die Hilfsfrist einhalten zu können. So gebe es beispielsweise Werte, wie breit eine Straße mindestens sein muss. Eine Drehleiter brauche man eher in der eng bebauten Innenstadt, erklärt Hörmann. Sie brauche in der Breite 3,50 Meter, um sich aufstellen zu können.

Wird in München ein neuer Radweg geplant, wie jüngst hier an der Lindwurmstraße, ist die Feuerwehr involviert.

Wird in München ein neuer Radweg geplant, wie jüngst hier an der Lindwurmstraße, ist die Feuerwehr involviert.
© che

Wird in München ein neuer Radweg geplant, wie jüngst hier an der Lindwurmstraße, ist die Feuerwehr involviert.

von che

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Ein Feuerwehrfahrzeug ist mit Spiegeln 2,50 Meter breit. „Wobei unsere Ansprüche oft geringer sind als zum Beispiel die der Müllabfuhr oder der Stadtwerke mit ihren Bussen“, so Hörmann. „Wir schauen immer, dass wir in den Planungen drei Meter Durchfahrtsbreite bekommen, damit wir geradlinig durchkommen“, so Hörmann. Erst vor wenigen Jahren hat die Feuerwehr auf Bitten der Stadt eine Liste der Straßen erstellt, die für die Erfüllung der Hilfsfrist besonders im Auge behalten werden müssen, sprich, in denen der Platz nicht mehr weniger werden darf. „Das sind einige wenige, unter 200 Straßen, von den in ganz München knapp 6000 Straßen“, sagt Hörmann. „Da wären dann etwa für Radwege nur Markierungen oder überfahrbare Schwellen als Abtrennung möglich“, so Hörmann, „damit der Verkehr trotzdem noch eine Rettungsgasse bilden kann oder wir ausweichen können“.

Ein Beispiel für eine solche Straße sei die Fraunhoferstraße. „Da war lediglich eine Markierung das, was wir uns vorstellen konnten“, so Hörmann. Andere Beispiele sind die Ackermannstraße, die Grünwalder Straße, die Balanstraße oder einzelne Abschnitte der Dachauer Straße oder der Leopoldstraße. Die Stadt wächst nicht nur, sie wandelt sich auch, sagt Hörmann. Denke man an die größeren Pkw etwa, da gehe es ja um einen technischen Wandel. „Und überall da, mischen wir mit – lösungsorientiert, nicht problemorientiert – um aktiv Vorschläge in die Stadtgestaltung einzubringen.“

Sein Appell an die Münchner aus der Perspektive der Feuerwehr lautet: „Wir kommen überall hin, wenn sich jeder an die Regeln hält. Wir bitten, Feuerwehrzufahrten freizuhalten, Kreuzungen freizuhalten, vernünftig in der Parklücke zu parken und nicht einen halben Meter in die Straße hineinragend. Dann passen alle durch, von der Feuerwehr, über den Bus bis zur Straßenreinigung – und dann ist allen geholfen.“