Das hätte sich Ernestine Friederike Elisabeth Courths geb. Mahler (1867–1950) wohl auch nicht träumen lassen, dass sie selbst auf der Website der Stadt Leipzig einmal als eine der 200 berühmtesten Frauen aus der Stadt aufgezählt werden würde. Und dass sie auch 75 Jahre nach ihrem Tod noch gelesen werden würde und ein Autorenduo auch noch einen Roman über sie schreiben würde.

Aber genau das ist passiert. Die Romanpremiere kann man am 30. Oktober um 19:00 Uhr in der Leipziger Stadtbibliothek erleben. „Ein gutes Ende“, heißt der Roman. Und steinig ging es im Leben von Hedwig tatsächlich zu. Leipzig steht dabei eine ganz Zeit lang im Fokus. Hier begann sie auch zu schreiben. Und Anreger dazu war die seinerzeit beliebteste aller Zeitschriften, die in Leipzig erscheinende „Gartenlaube“.

Die Website der Stadt Leipzig schildert Hedwigs Leipziger Zeit so: „Als Hedwig 12 Jahre alt war, holt die Mutter sie aus ihrem ‚Kindheitsparadies‘ nach Leipzig. Hedwigs Leipziger Jahre sind faktisch kaum zu rekonstruieren; Erinnerungen der Autorin und ihrer Töchter legen nah, dass Hedwig zunächst ihrer Mutter zur Hand ging.

Um 1883 trat Hedwig in Stellung bei Familie Rumschöttel und sorgte auch für die Unterhaltung der gelähmten Mutter des Hausherrn. Die alte Dame erzählte, Hedwig las ihr vor. Rumschöttels hatten Ernst Keils ‚Gartenlaube‘ abonniert. Das erste deutsche Familienblatt mit seinen romantischen Aufstiegsgeschichten wurde für Hedwig Inspiration und literarisches Vorbild, vor allem die Romane der Marlitt.“

Während Hedwig als Verkäuferin im feinen „Seidenbänder- und Weißwarengeschäft“ der Gebrüder Roßmäßler (Markt 12) und später in Carl Ahlemanns Hutsalon (Thomasgässchen 11) arbeitet, beginnt schon leise ihre Karriere als Schriftstellerin zu reifen.

„Mit 18 Jahren verlobte ich mich in Leipzig. Kurz zuvor hatte ich heimlich, unter einem Pseudonym, mein erstes Epos in die Welt geschickt. Es wurde gedruckt, und als das Honorar dafür eintraf, wusste meine Mutter nicht, ob sie schelten oder sich freuen sollte“, wird sie zitiert.

Zwei Manuskripte sollen während ihrer Leipziger Zeit erschienen sein: „Zum einen das Feuilleton ‚Sei nicht böse, Regina‘ beziehungsweise ‚Wo die Heide blüht‘ (Titel nicht gesichert) in einer unbekannten örtlichen Zeitung, zum anderen sei ihre Novelle ‚Die Verlassene‘ 1886 im Leipziger General-Anzeiger erschienen. Honorar: 10 Mark.“

In dieser Zeit lernt sie auch (gleich im Böttchergässchen) den Dekorationszeichner Fritz Courths kennen, mit dem sie wenig später – nach Stationen in Halle und Leipzig – nach Chemnitz zieht, sodass Hedwig auch in Henner Kottes Buch „Chemnitzer Köpfe in Kunst und Literatur“ auftauchen kann.

Wovon junge Frauen träumen durften

In Halle wurden dann Hedwigs Töchter geboren (die später übrigens selbst Schriftstellerinnen werden). „1893 kehrten die Courths nach Leipzig zurück. Fritz gibt Zeichenunterricht, Hedwig findet Kontakt zur Künstlerszene. 1897 entwirft Fritz Courths erfolgreich Modelle für ein Textilunternehmen, sodass ihn die Firma Cohrs & Michaelis nach Chemnitz abwirbt. Jahresgehalt: 10.000 Mark. Die Familie zieht um. Der Feuilletonchef des Chemnitzer Tageblatts entdeckte Hedwig Courths-Mahlers literarisches Talent. Ihr erster Roman Licht und Schatten erscheint ebenda in Fortsetzungen vom 26. Februar bis zum 18. März 1904.“

Eine Adresse für das Ehepaar Courths kann die Website der Stadt Leipzig für die Jahre 1893 bis 1897 auch angeben: Grassistraße 38 (IV).

Womit die Erfolgsschriftstellerin geboren ist, die mit 200 Romanen das leselustige Publikum begeistert und die Kritik verzweifeln lässt. Was ist das eigentlich? Kunst, Unterhaltung oder Kitsch?

Der Blick auf Hedwigs eigene Kindheit und Jugend aber macht deutlich: Sie erfüllte mit ihren Büchern ein tief sitzendes Bedürfnis, mit dem sich ihre Leserinnen identifizieren konnten: dem nach Anerkennung, Liebe und Aufstieg. Also all dem, wovon Millionen junge Menschen träumen, die aus armen und knappen Verhältnissen kommen. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Außer, dass heute Filme und Vorabendserien dieses Bedürfnis befriedigen. Aber die Bilder von einem glücklichen und reichen Leben sind fast noch immer dieselben, auch wenn viel seltener als zu Hedwigs Zeit das tatsächlich arme Milieu der jungen Frauen in den prekären Schichten unserer Gesellschaft gezeigt wird. Was auch damit zusammenhängt, dass die Regisseure und Drehbuchschreiberinnen, die heute die diversen Serien produzieren, selbst nie in diesen Milieus aufgewachsen sind, sie also auch nicht gestalten und nachempfinden können.

Man kann also gespannt sein auf das Buch, das Ende Oktober bei Bastei Lübbe erscheinen soll. Und den Premierentermin in der Leipziger Stadtbibliothek kann man sich ja schon einmal vormerken: 30. Oktober, 19:00 Uhr.