Laufen (Bayern) – Es sind wichtige und vielleicht entscheidende Fragen: Wurde Azubi Sebastian T. im Eiskeller-Fall aufgrund einer Lüge verurteilt? Und hat die Polizei entlastende Beweise verschwiegen?
Im Mordprozess um den Tod von Studentin Hanna W. (†23) hat ein Gutachter den Kronzeugen für unglaubwürdig erklärt. Zudem steht der Vorwurf im Raum, dass Ermittler wohl entscheidende Informationen über den Hauptbelastungszeugen verschwiegen haben könnten.
Angeklagter Sebastian T. (23) mit Anwältin Regina Rick (56) und Verteidiger Yves Georg. T. wurde in erster Instanz nur aufgrund der Aussage des Mit-Häftlings verurteilt. Weitere Beweise gab es nicht
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2024 wurde Sebastian T. wegen Mordes an Hanna W. († 23) zu neun Jahren Jugendhaft verurteilt. Nur aufgrund einer belastenden Aussage eines Mit-Häftlings. T. bestreitet die Tat. Das erstinstanzliche Urteil wurde vom BGH aufgehoben. Der Azubi kam nach 31 Monaten Haft frei.
In der Prozess-Neuauflage vor dem Amtsgericht Laufen hat Aussage-Psychologe Prof. Max Steller (81) nun den Kronzeugen der Staatsanwaltschaft demontiert. Gefängnis-Insasse Adrian M. (25) behauptet, T. habe ihm gegenüber die Tat gestanden – Ende 2022 beim Kartenspielen in der Zelle. Der anerkannte Gutachter Steller kam zum Ergebnis: „Ich kann keinen Wahrheitsgehalt in seiner Aussage finden.“
Kronzeuge Adrian M. (25) mit seinem Anwalt Michael Vogel. Der Häftling wurde vergangene Woche in Fußfesseln zum Prozess geführt
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Wurde Hanna W. 2022 auf dem Heimweg aus dem Club Eiskeller von Azubi T. überwältigt und in den örtlichen Bach geworfen? Oder war es ein Unfall? Der Kronzeuge hatte vergangene Woche Azubi T. schwer belastet, wiederholte immer wieder: „Er sagte, er hatte sexuelles Interesse an ihr, schlug sie bewusstlos, warf sie in den Fluss.“
Gutachter spricht von massiven Widersprüchen
Alles erfunden? Der Gutachter: „Es gab auf Nachfragen keine einzige Spezifizierung im Kern, im Randgeschehen aber massive Widersprüche.“ Etwa, dass der Azubi beim Gespräch einen Gips getragen habe. Tatsächlich brach er sich viel später die Hand.
Laut Erst-Urteil soll Sebastian T. die Studentin auf ihrem Heimweg aus dem Club Eiskeller überwältigt und in den Bärbach geworfen haben. Der BGH hob das Urteil auf
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Der Kronzeuge hatte sich zudem erst zehn Monate später bei der Kripo gemeldet. Hat er sich Vorteile versprochen? Steller: „Es könnte eine Motivation gewesen sein für eine Falschaussage.“
Kronzeuge erfand eigene Krebserkrankung
Adrian M. ist in Haft (vier Jahre, vier Monate) wegen Missbrauchstaten an Minderjährigen. Er hatte Mädchen in Chats zu sexuellen Handlungen gedrängt. Einem Opfer log er vor, an Krebs zu leiden, um sie laut Gutachter „zu manipulieren“.
Medizinstudentin Hanna W. ertrank 2022 mit nur 23 Jahren. Die Verteidigung von Sebastian T. geht von einem Unfall aus
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Steller geht von „hoher Lügenkompetenz“ aus. M. ist psychisch krank (Borderline-Störung). Er könnte sich das angebliche Geständnis aber auch „als fiktive Scheinwahrheit“ komplett ausgemalt haben.
Im Prozess kam zur Sprache: Der Kronzeuge hat wohl häufiger Lügen über Häftlinge verbreitet. Eine JVA-Mitarbeiterin erklärte, dass er etliche Insassen bezichtigt hatte, Drogen zu konsumieren. Nichts davon war wahr, das ergaben Urinproben. Dies soll die Polizei im ersten Prozess verschwiegen haben.