Nachruf
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Warum mit der „Fuwo“ ein Stück Berliner Fußball-Kultur stirbt
Mo 13.10.25 | 17:36 Uhr | Von Till Oppermann
Bild: imago images/Matthias Koch
Am Montag erschien die letzte Ausgabe der Berliner Fußball-Woche. Mit der Zeitung verliert die Stadt nach 102 Jahren großes kulturelles Kapital, kommentiert Till Oppermann.
Für drei Millionen bekommt man heute 22 Porsche 911, ein Haus am See oder einen unterdurchschnittlichen Bundesliga-Fußballer.
Vor 102 Jahren bekam man dafür eine Zeitung. Die erste Ausgabe der „Fußball-Woche“ kostete am 24. September 1923 – auf dem Höhepunkt der Hyperinflation – schlappe drei Millionen Reichsmark. Pro Stück.
Trotz des feindlichen Marktumfelds fand das Blatt unter den Berlinerinnen und Berlinern reißenden Absatz. In einer Zeit, als mit der Oberliga Berlin-Brandenburg noch eine Stadtliga die höchste Spielklasse war, bekamen sie in der neuen Zeitung alle wichtigen Informationen über ihren Lieblingssport.
So entwickelte sich die „Fuwo“ innerhalb kürzester Zeit zu einer Institution im Berliner Fußball – und blieb es über 100 Jahre und für zahlreiche folgende Generationen Berliner (Amateur)Fußballer.
Auch für die aktuelle. Im Jahr 2025 bedeutet das Ende der Zeitschrift zugleich das Ende des wohl wichtigsten Rituals im Amateurfußball der Hauptstadt.
Denn mit der „Fuwo“ stirbt auch ihre persönliche Elf des Tages. Montag für Montag blätterten Spieler und Trainer von der Oberliga bis in die Kreisligen durch die neue Ausgabe hektisch nach ihrer Staffel, um zu sehen, ob es denn einer aus ihrer Mannschaft in die Elf der Woche geschafft hatte. Wer drin war, spendierte seinen Mitspielern ein paar Kaltgetränke und durfte sich eine Woche fühlen wie ein Profi.
Auch so hat die Fußball-Woche die über 200.000 aktiven Fußballer in Berlin verbunden. Auf ihren dünnen Seiten war jede Mannschaft von der ersten Liga bis nach ganz unten fast gleich viel wert. Mehr Herz für den Breitensport als die Redaktion mit ihren wenigen festen und über 30 freien Mitarbeitern konnte man gar nicht zeigen.
Aber leider gehört es eben auch zur Wahrheit, dass immer weniger Menschen diese Leidenschaft mit ihrem Geld unterstützen wollten: „Die toxische Mischung aus Einnahmerückgängen, Kostensteigerungen und fehlenden Investitionsmitteln lässt uns keine andere Wahl“, schreibt der langjährige Fuwo-Chef Horst Bläsig nun in der letzten Ausgabe. Und dass, obwohl die schon lange keine drei Millionen mehr kostet.
Wie groß das kulturelle Kapital ist, das die ganze Stadt mit der „Fuwo“ verliert, lässt sich nicht so leicht beziffern. Auch deshalb, weil noch nicht einmal die Berliner Mauer stärker war als die Marke „Fußball-Woche“.
Während Gründer Kurt Stoof nach seiner Rückkehr aus sowjetischer Gefangenschaft 1950 in West-Berlin weitermachte, wurde in Ost-Berlin die „Neue Fußballwoche“ gegründet. Unter ihrem klangvollen Namen entwickelte sie sich zur führenden Fußballzeitung der DDR.
Aber auch die West-Berliner „Fußballwoche“ blieb relevant. Nachdem Pierre Littbarski 1978 von Zehlendorf nach Köln wechselte, ließ er sich die Zeitung noch jahrelang von seiner Mutter quer durch Deutschland schicken. Er wollte schließlich wissen, wie es seinen alten Mitspielern erging.
Was während der Teilung in Ost und West zwei verschiedene Zeitungen waren, wuchs nach der Wende in einer gemeinsamen Redaktion schnell wieder zusammen. Mehrere Ex-DDR-Redakteure verstärkten das Team der „Fußball-Woche“.
Wer die „Fuwo“ las, fühlte sich auch deshalb von Schmöckwitz bis Tegel als Teil einer großen Gemeinschaft. Als Berliner eben.
Sendung: rbb24, 13.10.2025, 22:00 Uhr
Beitrag von Till Oppermann