Dorothee Elmiger

AUDIO: Buchpreis-Shortlist: Überraschend, vielfältig – und auch hart (7 Min)

Stand: 13.10.2025 20:13 Uhr

Dorothee Elmiger ist für ihr Buch „Die Holländerinnen“ mit dem Deutschen Buchpreis 2025 ausgezeichnet worden. In dem Roman reist eine Schriftstellerin in den südamerikanischen Regenwald, um über das mysteriöse Verschwinden zweier Touristinnen zu schreiben.

Die Preisverleihung hat am Montagabend zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse im Kaisersaal des Frankfurter Römers stattgefunden. In „Die Holländerinnen“ erzählt Dorothee Elmiger die Geschichte einer Schriftstellerin, die von einem bedeutenden Theatermacher in den südamerikanischen Regenwald eingeladen wird, um an einem neuen Projekt zu arbeiten. Dieses Projekt befasst sich mit zwei holländischen Touristinnen, die spurlos im Regenwald verschwunden sind. Die Schriftstellerin soll die Recherchen protokollieren und einen Stücktext entwickeln.

„Großartige Reflexion darüber, wie Kunst mit dem Unfassbaren umgehen kann“

Cover: Dorothee Elmiger: Die Holländerinnen

„Die Holländerinnen“ von Dorothee Elmiger ist im Carl Hanser Verlag erschienen, hat 160 Seiten und kostet 23 Euro.

Das Motiv der verschwundenen Frauen geht zurück auf den Fall zweier niederländischer Touristinnen, die 2014 während einer Wanderung in Panama unter mysteriösen Umständen verschollen sind. Zahlreiche Referenzen bemüht Dorothee Elmiger in ihrem schmalen, aber unfassbar reichhaltigen Roman: von Alice Munro über Marie Luise Kaschnitz bis zu David Lynch. Die Querverweise ergeben einen hypnotischen, dichten Roman, der seine Geheimnisse erst nach und nach preisgibt, urteilt Rezensent Kais Harrabi vom MDR über das Buch.

Jan Ehlert, Host des NDR Kultur Bücherpodcasts eat.READ.sleep., findet: „Elmigers Buch ist eine großartige Reflektion darüber, wie Kunst mit dem Unfassbaren umgehen kann: Wie schreibt man über den Tod zweier Frauen? Braucht es dafür eine neue Sprache? Elmiger beantwortet das nicht, ihre Erzählung bleibt konsequent im Konjunktiv, aber durch dieses langsame Umkreisen des Grauens bringt sie es uns Lesenden viel näher als manches detailverliebte True-Crime-Format“.

„Die Holländerinnen“: „Faszinierender Trip ins Herz der Finsternis“

„Dieser Roman ist ein Ereignis“, schreibt die Jury in ihrer Begründung. „Eine Schriftstellerin berichtet von ihrer Reise in den südamerikanischen Urwald mit einer Theatergruppe auf den Spuren zweier Holländerinnen, die vor Jahren dort verschwunden sind. Auf dieser Wanderung erzählt sich die Gruppe verstörende Geschichten. Je tiefer sie sich im Dickicht und Morast verläuft, desto mehr reißt Elmiger die Leser*innen in einen Sog der Angst.“

Der Roman würde von Menschen erzählen, die in ihr ‚dunkelstes Gegenteil‘ verfallen. „Indirekt ist dabei nicht nur Elmigers Sprache, sondern auch ihr Verweis auf unsere Gegenwart, die Schritt für Schritt in Selbstüberhebung versinkt. Elmigers Stil ist gleichzeitig distanziert und doch fesselnd. ‚Die Holländerinnen‘ – ein faszinierender Trip ins Herz der Finsternis.“

25.000 Euro Preisgeld für Dorothee Elmiger

Dorothee Elmiger erhält ein Preisgeld von 25.000 Euro. Die Schweizerin lebt als Autorin und Übersetzerin in New York. Schon ihre früheren Bücher – „Einladung an die Waghalsigen“ (2010), „Schlafgänger“ (2014) und „Aus der Zuckerfabrik“ (2020) – wurden laut Hanser Verlag in zahlreiche Sprachen übersetzt, für die Bühne bearbeitet und mehrfach ausgezeichnet.

Der Deutsche Buchpreis, vergeben seit 2005 von der Stiftung Buchkultur und Leseförderung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, kürt jährlich den besten deutschsprachigen Roman. In diesem Jahr sichtete die siebenköpfige Jury 229 Titel. Auf der Shortlist standen, neben Elmiger: Kaleb Erdmann („Die Ausweichschule“), Jehona Kicaj („ë„), Thomas Melle („Haus zur Sonne„), Fiona Sironic („Am Samstag gehen die Mädchen in den Wald und jagen Sachen in die Luft„) und Christine Wunnicke („Wachs„). Sie erhalten jeweils 2.500 Euro Preisgeld. 

Die Frankfurter Buchmesse öffnet am Mittwoch für fünf Tage, mit Ausstellern aus über 90 Ländern und mehr als 1.000 erwarteten Autorinnen und Autoren. Ehrengast sind in diesem Jahr die Philippinen.

Eine Hand greift zu einem Bücherstapel - darauf eine Sanduhr.

Mit Gesa Olkusz, Jehona Kicaj, Peter Wawerzinek und Feridun Zaimoglu sind auch norddeutsche Autor*innen unter den Top 20. Morgen folgt die Shortlist.

Jürgen Deppe, NDR Kultur

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Ein Buch  mit dem Titel "Cafe con Lychee" neben einer Wasserkaraffe mit orangefarbener Flüssigkeit

Christine Wunnickes „Wachs“ ist auch Thema beim NDR Bücherpodcast eat.READ.sleep.

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