Mittelohrentzündung Kind

Unkomplizierte Otitis media meist viral – dennoch häufig Antibiotika verschrieben

Die akute Otitis media zählt zu den Hauptindikationen für Antibiotikaverschreibungen bei Kindern. Meist ist die Ursache eine virale Infektion, die innerhalb von zwei bis drei Tagen ohne den Einsatz von Antibiotika ausheilt. Dennoch ist es eine klinische Herausforderung, die virale von der bakteriell verursachten Mittelohrentzündung zu unterscheiden. Um den Einsatz von Antibiotika zu senken, empfiehlt die American Academy of Pediatrics daher bei Kindern über sechs Monaten und unkomplizierter Mittelohrentzündung zunächst eine analgetische Behandlung über 48–72 Stunden. Die Definition einer unkomplizierten Mittelohrentzündung umfasst eine unilaterale Otalgie von weniger als 48 Stunden Dauer, das Fehlen schwerer Symptome sowie eine Körpertemperatur unter 39 °C. Trotz dieser Empfehlung bleiben die Antibiotikaverordnungen bei akuter Otitis media in Notaufnahmen mit bis zu 96 % hoch. Ursachen hierfür sind unter anderem fehlendes Wissen der Eltern, die subjektive Einschätzung der Ohrenschmerzintensität und fehlende Follow-up-Möglichkeiten in der Notaufnahme. Dies stellt eine Herausforderung für die behandelnden Ärzte und die Eltern dar.

Verbessertes Patientenoutcome durch Shared DecisionMaking

Die Beteiligung der Eltern an der Therapieentscheidung – Shared Decision Making – gewinnt insbesondere in der Akutmedizin zunehmend an Bedeutung. Dies trifft insbesondere dann zu, wenn mehrere klinisch vertretbare Optionen bestehen. Hierdurch steigen die Beteiligung und das Wissen der Patienten bzw. der Eltern bei gleichzeitig verbessertem Outcome.

Shared DecisionMaking bei akuter Otitis media

Insbesondere bei der unkomplizierten Otitis media sollten die Patienten im Rahmen des Shared Decision Making darüber informiert werden, dass eine Verbesserung der Otalgie in den ersten 48 Stunden auch trotz Antibiotikagabe ausbleiben kann, bei gleichzeitigem Risiko kurzfristiger und langfristiger Nebenwirkungen. Auf der anderen Seite stehen das Risiko für eine Trommelfellperforation und das Auftreten von Komplikationen.

Studie evaluierte Einfluss von online Otalgie-Entscheidungshilfe

Eine aktuelle Studie entwickelte daher ein webbasiertes Tool, die Otalgie-Entscheidungshilfe (verfügbar unter: earpaindecisionaid.org). Die Forscher evaluierten den Einfluss dieser Hilfe im Notaufnahmesetting auf die drei Domänen: Elternwissen, Arzt/Eltern-Beteiligung und Einsatz von Antibiotika bei Kindern mit unkomplizierter Otitis media. In die Studie wurden 101 Eltern eingeschlossen. 42 von ihnen befanden sich in der Otalgie-Entscheidungshilfe-Gruppe, während 59 die reguläre Behandlung erhielten. Das mediane Alter der betroffenen Kinder betrug vier Jahre. Die Eltern der Otalgie-Entscheidungshilfe-Gruppe erzielten höhere Werte beim Elternwissen (6,1 versus 5,1; p=0,004). Auch bei der Beteiligung schnitten sie im Vergleich zur Kontrollgruppe besser ab (14,7 versus 8,75 Punkte; p=0,005). Die Interaktionsdauer unterschied sich nicht signifikant zwischen den beiden Gruppen (Otalgie-Entscheidungshilfe-Gruppe 4,2 min versus Kontrollgruppe 3,0 min; p=0,059). Die Wissenschaftler sahen eine positive Assoziation zwischen der Dauer der Interaktion und dem Elternwissen.

Nicht signifikante Reduktion der Antibiotikaverschreibungen in Online-Tool-Gruppe

Die initiale Verschreibungsrate von Antibiotika war in der Otalgie-Entscheidungshilfe-Gruppe etwas geringer als in der Kontrollgruppe (36 % versus 42 %; p=0,50). Dies war statistisch nicht signifikant. Vergleichbare Ergebnisse zwischen den beiden Gruppen fanden die Studienautoren auch bei der Wait-And-See-Verschreibung von Antibiotika (64 versus 58 %, p=0,5). Die Forscher vermuten, dass die Verschreibungsrate dem Setting, der Notaufnahme geschuldet sein könnte und Familien, die beim Hausarzt vorstellig werden, möglicherweise weniger wahrscheinlich ein Antibiotikum wählen würden. Auch ein geringerer Zugang zu Schmerzmitteln oder Hausärzten könnten eine Rolle spielen. Die Studienautoren weisen darauf hin, dass das Ausbleiben einer signifikanten Reduktion der Antibiotikaverschreibungen trotz der Nutzung des Online-Tools durch die geringe Anzahl der Studienteilnehmer bedingt sein könnte, weil dies das Risiko für das Auftreten eines Typ-II-Fehlers erhöht. Sie empfehlen daher weitere Multizenter-Studien mit größerer Stichprobe, um den Einfluss auf die Antibiotikaverschreibungen weiter zu evaluieren.

Die Studie ist bei ClinicalTrials.gov unter NCT02872558 registriert.