Nicht nur im öffentlichen Raum




Fast drei Jahre hat es gedauert, nun ist ein Buch des Künstlers Philipp Schäfer erschienen. In Frankfurt kennt man ihn vor allem für seinen „City Ghost“. Auch auf dem JOURNAL-Cover war dieser schon abgedruckt.



Meike Spanner /
14. Oktober 2025, 09.00 Uhr




Philipp Schäfer hatte schon sehr lange die Idee, seiner Lieblingsfigur, nämlich dem „City Ghost“ ein Buch zu widmen. „Ich habe 1999 erstmals jene Geister gesprüht. Schon zum zehnjährigen und dann fünfzehnjährigen Jubiläum hätte ich es schön gefunden, eine Sammlung derer in Buchform herauszubringen. Nun zum Fünfundzwanzigjährigen hat es endlich geklappt“, freut er sich.

Dass seine künstlerischen Wurzeln im Graffiti, im Underground, im ungefragten Anbringen von Buchstaben, Bildern und Tags liegen, hat er nie verleugnet. Heute ist er ein anerkannter Künstler, der sich längst nicht mehr nur mit Sprühfarbe an Wänden betätigt, sondern sich sehr vielfältigen künstlerischen Ausdrucksformen bedient. Entsprechend folgt der Aufbau des Buches analog dem eines Hauses oder Gebäudes: aus dem Keller, dem Untergrund hoch bis zum Dach, zu den Roof Tops. Aus Buchkapiteln wurden Stockwerke.

„Geisterstunden“: Vom Underground zu den Roof Tops

Doch bevor es soweit war, gab es seinerzeit eine Crowdfunding-Kampagne und eine Förderung durch das Land Hessen. Schäfer bekam eine Zusage und musste dann innerhalb von drei Monaten ins Tun kommen. „Plötzlich war da Druck drauf. Aber ’nur unter Druck entstehen Diamanten‘, wie man weiß“, verrät er schmunzelnd. Er sichtete seine riesengroße Sammlung an „City Ghost“-Fotos und fragte in seinem Netzwerk weitere Fotografen dafür an.

Außerdem begab er sich auf die Suche nach Kooperation für das Projekt und fand Michael Wagener vom Gutleut Verlag. „Das Crowdfunding stellte im Prinzip nur die Anschubfinanzierung sicher. Doch umsetzen wollte ich die Sache nicht alleine, sondern eben mit entsprechend professioneller Unterstützung“, sagt Schäfer. Auf diese Art fungieren nun er und Michael Wagener als Herausgeber von „Geisterstunden“.

Kooperation mit Autoren des Gutleut Verlags

Es stand die Frage im Raum, nach welcher inneren Ordnung man dieses Buch gestalten wollte. Relativ schnell war klar, dass nicht nur Schäfers eigene Texte darin stattfinden sollten, sondern auch andere. Für solche fragte er zunächst unterschiedliche Autorinnen und Autoren an und es entstand das ein oder andere. Doch diese Vorgehensweise wurde wieder verworfen. „Michael Wageners Idee war nämlich, dass Autorinnen und Autoren, die sowieso schon beim Gutleut Verlag unter Vertrag sind, die Bebilderung des Buches vorab erhalten, sich dann ein Foto aussuchen und etwas dazu schreiben“ erklärt Schäfer.

Alexander Kappe, ebenso vom Gutleut Verlag, übernahm fortan die Textredaktion. In der Folge wurde ein lyrisches Konzept entworfen, das sich an den Thematiken der einzelnen Kapitel und Bildseiten des Buches orientierte. „So entstand eine Symbiose aus Urban Art und Lyrik“, erläutert Schäfer. Insofern ist das Ergebnis sehr heterogen, viele unterschiedliche literarische Gattungen werden abgebildet, von Gedicht bis Kurzgeschichte, auf jeder Seite neu, durch die verschiedenen Blickwinkel. Überraschend verlief es auch für Schäfer selbst, denn, bis auf einen eigenen Text, gab er das Werk komplett aus der Hand: Er sichtete keine Texte zwischendurch, im Laufe des Prozesses. „Ich bin ja selbst zu tief drin, betriebsblind so quasi. Für mich war es spannend, mich von dieser Außensicht, den unterschiedlichen Assoziationen überraschen zu lassen“, sagt er.

Werk befasst sich mit Schäfers Vergangenheit

Aufgebaut ist das Werk nicht nur wie ein Haus, von Untergrund hin zum Dachstuhl, sondern auch über bevorzugte Orte und Dinge, die Schäfer gerne mit Ghosts verschönerte. Da gibt es nicht nur U-Bahnschächte und Rolltreppen, sondern auch Stromkästen, Mülleimer, Roof Tops und Gullideckel. Letztere dürften JOURNAL-Leserinnen und Lesern bekannt vorkommen, denn sie waren vor einigen Jahren in mehreren Ausgaben zu sehen. „Das Graffiti ‚Elfenbeinturm‘ (AfE-Turm) bildet das letzte Kapitel. Das war symbolträchtig und für meinen künstlerischen Werdegang sehr wichtig“, betont Schäfer.

99 Prozent der Fotos im Buch zeigen ungefragt angebrachte Bilder, insofern befasst sich das Werk mit Schäfers etwas wilderen Vergangenheit. Die meisten Bilder im öffentlichen Raum sind längst verschwunden, dennoch: Schäfer ist klar, dass aufgrund des Buches auch Leute zu ihm kommen und ihn damit konfrontieren könnten. „Ich würde da sogar sehr gerne in Dialog treten, wenn jemand zum Beispiel zu mir sagt ‚das fand ich aber nicht schön, was du damals an mein Haus gemalt hast‘. Vielleicht könnte ich ja etwas Schöneres drüber malen?“, schmunzelt er. Eine solche Offenheit ist charakteristisch für ihn, der Freigeist lässt grüßen.

Info
Geisterstunden
Arbeiten im Öffentlichen Raum, 1999-2024
Herausgegeben von Philipp A. Schäfer und Michael Wagener (Gutleut Verlag)
404 Seiten im Überformat A4+, Hardcover, ISBN i978-3-948107-22-2

Release Party:
Dienstag, 14.10., ab 18 Uhr
Massif Central, Frankfurt
Eintritt frei

Open Books
Donnerstag, 16.10., 20 Uhr
Heussenstamm. Raum für Kunst und Stadt, Frankfurt
Eintritt frei