Der Sound der Bee Gees erscheint in vielen Gestalten. Die bekannteste dürfte die von Tony Manero sein. Von dem sieht man erst die braunen Absatz-Schuhe, die in einem unwiderstehlichen Takt unfassbar lässig den Asphalt von Brooklyn entlangfedern, dann kommen die schwarzen Schlaghosen, das rote Hemd mit dem großen Kragen, das stolze Gesicht des feschen Italoamerikaners, die hochgegelten Haare, und wieder die Schuhe, dieser selbstbewusste, sexy wippende Gang – durch und durch im Takt der Bee-Gees-Nummer „Staying Alive“.

Der Film „Saturday Night Fever“ mit dem damals 23-jährigen John Travolta und dem von den Bee Gees dominierten Soundtrack hat 1977 die Pop-Welt verändert. Fortan tanzte man in Discos rund um den Planeten auf bunten Lichtkacheln, durchbohrte mit dem Arm den Himmel und lockte mit dem Becken wie Tony. Wagemutige forderten sich zu Disco-Duellen heraus – was oft in Filmen („Zoolander“) parodiert wurde.

Auch der hochgeföhnte Gesang der drei Herren Barry, Maurice und Robin Gibb in Songs wie „Night Fever“, „Jive Talking“ oder „You Should Be Dancing“ erschien vielen so ungreifbar wie neu. Der Film-Soundtrack stand 28 Wochen lang an der Spitze der US-Charts, war „Album des Jahres“ bei den Grammys 1979 mit etlichen Nummer-1-Singles wie „How Deep Is Your Love“.  Und nicht nur in der Disco-Flut Ende der Siebziger hatten die Bee Gees großen Einfluss (man höre „Voulez Vous“ von Abba), immer wieder griffen Künstler ihren flirrenden Jazz-Funk und Soul auf, von der Boyband-Ära bis hin zum gegenwärtigen Yacht-Rock-Revival.

Also: Musiker-Genies, supergeschmeidige Tänzer, ein Schauspieler-Junggott – da wird die Luft dünn wie das Helium, das durch Barrys Stimmritzen zu fließen scheint, für ein Musical. Anderseits sind das zugrundeliegende Song-Gold, die Moves und die Story allersahnigstes Musical-Material. Und so startete die Filmadaption – wenn auch erst 1998 – erfolgreich am Londoner Westend. Tony Manero war damals übrigens der australische Tänzer und Schauspieler („Coyote Ugly“) Adam Garcia, der bald als Leibwächter in „The Bodyguard – das Musical“ ans Deutsche Theater in München kommen wird (ab 17. Dezember). Erst einmal fegt hier nun aber „Saturday Night Fever“ zwei Wochen den Tanzboden durch. Nun hat die Hauptrolle Alexander Auler, der 2023 den NS-Widerstandskämpfer Hans Scholl im Stadttheater Fürth verkörperte.

Das ist ein weiter Sprung zu den Bee Gees. Näher liegt da, dass im Zuge des grassierenden Disco-Revivals – etwa im modernen Hyper-Pop wie von Dua Lipa  – auch wieder eine nostalgische Sehnsucht nach den Bee Gees aufkommt. Da Maurice Gibb 2003 verstorben ist und der lange auch solo durch Deutschland tourende Robin („Juliet“) 2012, und da Barry aus Miami kaum noch etwas von sich hören lässt, müssten eigentlich Tribute-Bands einspringen. Doch davon gibt es weit weniger als etwa Queen-Cover-Gruppen, eben weil nur ganz wenige Stimmtrios dreistimmig das Falsett-Flirren der Gibb-Brüder hinbekommen.

Rockiger und schneller als die „Bee Gees“ einst spielen MainCourse deren Hits von „Massachusetts“ bis „Staying Alive“.Rockiger und schneller als die „Bee Gees“ einst spielen MainCourse deren Hits von „Massachusetts“ bis „Staying Alive“. (Foto: Set Vexy)

Sechs Niederländer schaffen das gerade höchst erfolgreich. Drei Sänger und drei Instrumentalisten haben sich als Bee Gees Forever zu Publikumslieblingen in ihrer Heimat aufgeschwungen. Anfangs noch desaströs erfolglos mit Glitzeranzügen und Seventies-Perücken kamen sie zur TV-Sendung „Battle Of The Bands“. Sie wurden angehalten und taten gut daran, die alten Fummel wegzuschmeißen und ihr eigenes Ding aus den Bee Gees zu machen: Sie gewannen die Talentiade, dürfen sich auch „beste Tribute-Band Europas“ nennen, und haben bei den orangenen Feier-Biestern einen wahren Disco-Kult ausgelöst: Zuletzt traten sie vor 15000 entfesselten Zuschauer in Amsterdam auf. Schon jetzt haben sich Holländer viele Tickets für die erste Deutschland-Tour 2026 gesichert.

Sie spielen Bee-Gees-Songs aller Jahrzehnte von den Sechzigern („To Love Somebody“, „Massachusetts“) über die Disco-Ära bis in die Neunziger („You Win Again“). Umbenannt in MainCourse (nach dem wegweisenden Synthie-Album) erlauben sich die Sechs, alles auf ihre Weise zu spielen: schneller, rockiger, wie sie sagen „so, wie die Bee Gees es wahrscheinlich heute tun würden, weil sie sind immer mit der Zeit gegangen und haben sich gewandelt“.

„Saturday Night Fever – das Musical“, Premiere, Mittwoch, 15. Oktober, 19.30 Uhr, bis 26. Oktober, München, Deutsches Theater; MainCourse spielen Bee Gees, 25. Mai, München, Circus Krone