Die Ukraine geht in den vierten Kriegswinter, und es gibt keine realistische Aussicht auf ein baldiges Ende des Tötens auf dem Schlachtfeld und der russischen Luftangriffe auf die Zivilbevölkerung. Im Gegenteil: Seit Donald Trump im Januar ins Weiße Haus einzog, hat Russland seine Militäroperationen, vor allem aber seine Angriffe mit Bomben, Drohnen und Raketen auf ukrainische Städte massiv ausgeweitet.

Alle Gespräche, Vermittlungsversuche und der Druck, den Trump vor allem auf die ukrainische Regierung ausübte, haben keine Aussicht auf Frieden gebracht. Während Kiew bereits im März einem bedingungslosen Waffenstillstand zustimmte und Bereitschaft signalisierte, zumindest temporär auf von Russland besetzte Gebiete zu verzichten, ist in Moskau keinerlei Einlenken zu erkennen.

Enttäuschte Hoffnungen auf Trump

In der Ukraine wird die Hoffnung auf ernsthafte Gespräche mit Russland ohnehin als Illusion gesehen, der man sich vor allem im Westen hingebe. Die Ukrainer wissen nach mehr als zehn Jahren existenziellen Kampfes, dass Moskau nicht mit Reden, sondern nur mit Stärke beizukommen ist. Deshalb hatten sie die nicht unberechtigte Erwartung, dass Trump gegenüber Moskau entschlossener auftreten würde als sein Vorgänger. Doch seit Trump erst Wolodymyr Selenskyj aus dem Weißen Haus warf und dann Putin nicht nur verbal den roten Teppich ausrollte, ist den meisten Ukrainern klar, dass sie sich weiterhin weitgehend auf sich selbst verlassen müssen.

Daran ändern auch die neueste Volte Trumps, seine laut vorgetragene Enttäuschung über Putin und die Ankündigung weiterer militärischer Unterstützung für Kiew nichts. Die Aussicht auf Langstreckenwaffen etwa, die Russlands Terrorquellen ausschalten und damit einen entscheidenden Unterschied machen könnten, ist jedenfalls noch vage.

Viele Ukrainer haben deshalb den Glauben an die Vereinigten Staaten unter Trump verloren, allen voran die Soldaten, die ihr Land bereits seit 2014 gegen die russische Aggression verteidigen. Sie haben wenig Vertrauen in ein Land, dessen Präsident keine klare und verlässliche Linie verfolgt. Zudem ist die Bereitschaft in der Armee, Kompromisse einzugehen, etwa Land für Frieden, kaum vorhanden. Das würde den Sinn ihres Einsatzes infrage stellen, der dafür gesorgt hat, dass achtzig Prozent der Ukraine bisher nicht unter russische Vorherrschaft geraten sind.

Kiew ist von Amerika abhängig

Das erkennt auch die ukrainische Gesellschaft an. Das Ansehen der Armee und mancher ihrer Befehlshaber ist sehr hoch, zugleich wächst aber auch der Wunsch nach einem baldigen Kriegsende. Nicht nur hat nahezu jeder Ukrainer im Familien- und Bekanntenkreis Gefallene oder Verwundete zu beklagen. Auch der russische Terror aus der Luft, der die Menschen nachts nicht schlafen und tagsüber kaum ihrer Arbeit nachgehen lässt, laugt sie aus. Gerade das aber bezwecken die Angriffe – und wecken den Widerstandsgeist. Bei der Frage, wie weit ein Kompromiss für Frieden gehen darf, gehen die Meinungen stark auseinander. Soll man die Krim hergeben, den Donbass opfern oder auf die NATO-Mitgliedschaft verzichten?

Putins Ziel ist klar: Er will diese Fragen gewaltsam beantworten. Die Regierung um Wolodymyr Selenskyj wiederum weiß, dass allein die USA in der Lage sind, Putin daran zu hindern. Sie versucht deshalb, Trump irgendwie bei Laune zu halten – sei es, dass sie Bodenschätze verschleudert, dass sie den US-Präsidenten lobpreist oder dass sie mit dem Friedensnobelpreis winkt, für den nun auch Selenskyj Trump im Fall eines von ihm vermittelten Waffenstillstands „im Namen der Ukraine“ vorschlagen will.

Der permanente Fokus auf mächtige Verbündete verdeckt allerdings auch eine gravierende eigene politische Schwäche. In einer Zeit, in der die Ukraine von außen bedroht ist wie nie seit ihrer Befreiung von der sowjetischen Besatzung, führt Selenskyjs Regierung einen innenpolitischen Kampf gegen die Opposition, der bizarre Formen annimmt.

Sie belegt Oppositionspolitiker mit Sanktionen, verhängt Reiseverbote gegen Abgeordnete, setzt ihr nicht genehme Gouverneure und Bürgermeister ab und – da unter Kriegsrecht keine Wahlen stattfinden – eigene Vertraute ein. Seine Regierung begründet die harschen Maßnahmen mit in Kriegszeiten notwendigen Entscheidungen, doch spielen hier ganz offensichtlich auch politische Erwägungen für die Zeit nach Kriegsende eine Rolle.

Dabei steht die Opposition in Sachen Verteidigung fest hinter Selenskyj und schließt bei Angriffen auf ihn von außen fest die Reihen. Sinnvoll wäre deshalb, was sich ein Großteil der ukrainischen Gesellschaft im Übrigen auch wünscht: eine Bündelung der besten Köpfe und aller wohlgesonnenen Kräfte des Landes in der Regierung, um gemeinsam der existenziellen Bedrohung des Landes von außen zu begegnen.