Ein Geburtstag kann eine wunderbare Sache sein, außer wenn man Diktator und Kriegstreiber ist. Denn dann gehört ein Verwirrspiel einfach dazu, wie Wladimir Kaminer am Beispiel von Russlands Präsidenten demonstriert.
Auch ein Diktator feiert Geburtstag, natürlich. Bei Wladimir Putin war es am 7. Oktober wieder so weit, ich habe den Tag aus sicherer Entfernung – aus Berlin – beobachtet.
Am frühen Morgen landeten drei Flugzeuge der Gruppe „Flugsicherheit der Präsidentenadministration“ am Flughafen Sankt Petersburg. Gleich danach wurde die halbe Stadt abgeriegelt, der Verkehr stockte, es entstanden riesige Staus in der Wiege der Oktober-Revolution. Die Einwohner posteten ihr Unbehagen diesmal nicht wie üblich laut in die sozialen Netzwerke, sie schienen geduldig und dem Schicksal ergeben.
Bis zum letzten Tag war nämlich unklar geblieben, wo der Präsident seinen 73. Geburtstag feiern wollte. Der alte Spion, immer auf Sicherheit bedacht, ließ sich mit der Entscheidung Zeit. Selbst die engsten Freunde wussten nicht Bescheid: Bleibt er in seiner Residenz bei Moskau, fährt er wie früher in den Altai, will er im Wald Rehe jagen oder geht er am Baikalsee angeln? Für alle Fälle wurden Vorbereitungen an allen Orten durchgeführt, die infrage kämen.
Erst als sich die Riesenstaus in Sankt Petersburg bildeten, wurde allen klar: Der Präsident möchte in seiner Heimatstadt feiern. Am Vormittag des 7. Oktober nahm er noch ein paar Arbeitstermine wahr, telefonierte mit dem Kollegen aus Aserbaidschan, traf sich mit Generälen und schärfte ihnen ein: „Alle Ziele der speziellen Operation in der Ukraine müssen schnell und präzise erledigt werden.“
Putin nahm ferner die Geburtstagsgrüße von seinen Kollegen aus Belarus, Kasachstan, Turkmenistan, Nordkorea, Nicaragua, Abchasien und Südossetien entgegen, von all den Regimen, die vom Kreml eine großzügige Unterstützung bekommen. Später besuchte er die Peter-und-Paul-Kathedrale (riesige Staus) und brachte Blumen ans Grab von Peter dem Großen. Danach verschwand Putin vom Radar der Öffentlichkeit. Das große Land feierte jedoch seinen Geburtstag ohne das Geburtstagskind weiter.
Die Abgeordneten der russischen Duma hatten dem feierlichen Anlass eine Sondersitzung gewidmet. „Wir haben ein großes, ein unverdientes Glück, dass unser Land von einem starken und klugen Präsidenten geführt wird. Er hat uns unser Russland zurückgebracht, unser großes Land steht auf. Wir gratulieren dem Präsidenten zu seinem Geburtstag, er ist Russland!“, betonte der Parlamentsvorsitzende in seiner Rede, selbstverständlich in Abwesenheit des Präsidenten. Alle Abgeordneten hatten zur Erinnerung an dieses Datum ein wertvolles Geschenk erhalten – ein Foto des Präsidenten mit einem Zitat: „In allem, was ihr tut, denkt bitte stets an die Menschen, an Kinder und Familien.“