Dänische Soldaten stehen in Uniform.

Stand: 16.10.2025 08:10 Uhr

In Sachen Wehrdienst diskutieren Union und SPD ein Losverfahren nach dänischem Vorbild. Melden sich dort nicht genügend Freiwillige für den Dienst in der Armee, entscheidet – theoretisch – das Los.


Jana Sinram

Sie werden gemessen, gewogen und müssen einen kognitiven Test ausfüllen – rund um ihren 18. Geburtstag werden alle jungen Dänen zu einem sogenannten Tag der Streitkräfte eingeladen. In Rekrutierungszentren im ganzen Land werden sie gemustert und über den Wehrdienst informiert – und müssen, wenn sie als tauglich eingestuft werden, ein Los aus einer Trommel ziehen.

Allerdings: Die Auslosung ist fast überflüssig. Denn in den letzten Jahren haben sich immer genug Freiwillige für den Wehrdienst gemeldet.

Johan Gröne Christensen forscht an der Universität Aarhus zum Thema Sicherheitspolitik. Er hat das Verfahren selbst mitgemacht. Es sei eine rituelle und etwas bizarre Erfahrung, erklärt er.

„Man ist allein mit einem Major oder Oberst und zieht diese Nummer. Sie sagen einem allerdings meistens schon vor der Ziehung, dass man nicht eingezogen wird.“ Es sei also nicht so viel dabei, so Christensen.

Hoffen auf Freiwilligkeit

Rund 34.000 junge Männer wurden vergangenes Jahr in Dänemark gemustert, gut 4.000 Freiwillige – darunter auch Frauen – haben den Wehrdienst abgeleistet. Die große Freiwilligkeit beruht auf einem traditionell großen Verteidigungswillen in Dänemark. Und darauf, dass der Wehrdienst in den letzten Jahren nur vier Monate dauerte.

Das ändere sich jetzt allerdings, sagt Hauptmann Sune Lund vom Personalkommando, da man künftig mehr Wehrpflichtige brauchen werde. Außerdem verlängere sich die Dauer des Dienstes von vier auf elf Monate.

Auch deshalb weiten wir die Wehrpflicht auf beide Geschlechter aus: Dadurch verdoppelt sich die Gruppe derjenigen, in der wir nach Wehrdienstleistenden suchen können. Wir hoffen also, dass es noch lange bei 100 Prozent Freiwilligkeit bleibt.

Frauen in den Streitkräften

Ab dem kommenden Jahr werden auch Frauen in Dänemark automatisch zur Musterung eingeladen, wenn sie 18 Jahre alt werden. Wegen der veränderten Sicherheitslage und der zunehmenden russischen Aggression soll sich die Zahl der Wehrdienstleistenden langfristig verdreifachen.

Noch hätten die Streitkräfte einen guten Ruf, sagt Politikwissenschaftler Christensen von der Uni Aarhus. „Sie gelten als relativ fair und gerecht. Die Bezahlung ist nicht besonders gut, aber es gibt andere Vorteile.“ Etwa die Kameradschaft oder dass man viel draußen sei. Die Armee sei sozusagen die „fortschrittlichste Pfadfinderorganisation, die man sich vorstellen kann“.

Losverfahren noch nicht angewandt

Falls der verlängerte Wehrdienst allerdings dazu führt, dass nicht mehr so viele Dänen Lust auf ein vermeintliches Pfadfinderlager haben und doch das Los über die Einberufung entscheiden müsste, könnte die Stimmung kippen, glaubt Christensen:

Wenn Du Dich nicht freiwillig für den Spaß gemeldet hast, wirst Du den Wehrdienst nicht sehr lustig finden. In diesem Sinne wissen wir also eigentlich gar nicht, ob unser Lotteriesystem funktioniert.

Für diejenigen, die auf keinen Fall zum Militär wollen, gibt es noch einen Ausweg: einen zivilen Ersatzdienst. Im vergangenen Jahr haben in Dänemark nur zwei junge Männer einen entsprechenden Antrag gestellt. Die anderen Unwilligen haben bei der Musterung vermutlich darauf gesetzt, dass sie sowieso nicht eingezogen werden.