
Stand: 16.10.2025 17:58 Uhr
Sexuelle Gewalt, Machtmissbrauch, Schweigen und Mut – Themen, die aktueller kaum sein könnten. Und doch stammen sie aus dem über 200 Jahre alten Theaterstück: „Der zerbrochene Krug“ von Heinrich von Kleist. Das Theater Kiel zeigt es nun an der Förde.
„Ich denke, es lohnt sich auf jeden Fall, das Stück mit einem heutigen Blick zu betrachten“, sagt Schauspieler Zacharias Preen, „weil da wahnsinnig viel drin steckt. Es ist ja nicht nur ein Lustspiel, eine Komödie, es ist ja auch eine Tragödie oder beziehungsweise ein Drama und eine klassische MeToo-Geschichte.“ Er spielt den Richter Adam – die zentrale Figur in dem Gerichtssaal-Drama. Mit blutverschmierter Stirn stolpert er auf die Bühne und kann sich gar nicht mehr so recht daran erinnern, was gestern war – nur einen Traum hatte er.
Hat ein Kläger mich ergriffen und schleppte vor den Richtstuhl mich. Und ich, ich säße gleichwohl auf dem Richtstuhl dort und judizierte den Hals ins Eisen mir.
Szene aus „Der zerbrochene Krug“
Und tatsächlich findet sich Richter Adam im Laufe des Stücks in einer Gerichtsverhandlung, in der er selbst Täter und Richter zugleich ist. Der Tatbestand: ein zerbrochene Krug der Witwe Marte Rull. Die Zeugin: ihre Tochter Eve.
Schweigen statt Aufklärung

Mutter und Tochter müssen vor Gericht aussagen – mit Folgen.
Schnell wird Eves Verlobter Ruprecht verdächtigt. Auch Richter Adam, der immer neue Geschichten zu seiner Kopfwunde erfindet, lenkt den Verdacht auf ihn. Er ist nervös, schließlich war er in der Nacht in Eves Zimmer, kam ihr näher als sie es wollte und zerbrach den Krug. Ruprecht berichtet, einen anderen Mann bei Eve gesehen zu haben. In einem Kampf, fügte er ihm sogar mehrere Verletzungen am Kopf zu. Nur erkennen konnte er ihn nicht, sein Gegner warf ihm Sand ins Gesicht. Und Eve, gespielt von Fayola Schönrock, die alles aufklären könnte, die schweigt.
„Sie schweigt ja ganz lange über das, was ihr geschehen ist und am Ende packt sie aus“, erklärt Fayola Schönrock „Und ich finde diesen Mut, zu sagen: Ich sehe, dieses System ist nicht da, um mir zu helfen. Ich sehe, dass irgendwie die ganze Welt gegen mich ist und, dass ich die Einzige bin, die diese Wahrheit trägt und trotz allem, bin ich mutig.“
Von Deals und Gegenleistungen
Was lange niemand weiß: Eve und Richter Adam haben einen Deal. Ihr Verlobter Ruprecht soll nämlich zum Militär, einen Brief dafür hat er schon bekommen und die Chance, dass er wieder lebendig zurückkommt, ist in Eves Augen schlecht. Deswegen nimmt sie das Angebot von Richter Adam an, ein Attest für Ruprecht zu besorgen, das ihn vom Militärdienst schützt.
Am Anfang ist ihr nicht klar, was für eine Gegenleistung der Richter da von ihr erwartet und doch nimmt sie es am Ende hin, vor allem, um ihren Verlobten zu schützen. Und damit der Deal bestehen bleibt, erzählt sie Ruprecht nichts und schützt mit ihrem Schweigen vor Gericht den Richter. Doch als dieser immer wieder Ruprecht beschuldigt, den Krug zerbrochen zu haben, da reicht es ihr.

Schauspiel, Musical, Konzert oder Ballett: Das Theater Kiel hält für Jung und Alt unvergessliche kulturelle Erlebnisse bereit.
Bühnenbild, Musik und Thema holen Stück in die Gegenwart
Die Sprache des Stücks bleibt Kleist, aber Bühnenbild, Musik und das Thema holen das Stück spürbar in die Gegenwart. Ein Stück, das den Finger in die Wunde legt. Das zeigt, wie Menschen wegsehen, wenn es unbequem wird und wie ein System Täter schützen kann. Und das doch Hoffnung macht, weil am Ende jemand den Mut hat, die Wahrheit auszusprechen.
„Theater sollte eigentlich ein Anlass sein, um darüber zu reden“, findet Fayola Schönrock. „Warum schweigt Eve? Was hätte sie gebraucht? Was brauchen junge Frauen, ältere Frauen oder natürlich dann auch Männer in solchen Momenten?“

„Der Zerbrochne Krug“ in Kiel: Klassiker im modernen Gewand
Die Sprache des Stücks bleibt Kleist, aber Bühnenbild, Musik und die Themen holen das Stück in die Gegenwart.
- Datum:
- 17.10.2025, 20:00 Uhr
- 18.10.2025, 20:00 Uhr
- 24.10.2025, 20:00 Uhr
- 29.10.2025, 20:00 Uhr
- 05.11.2025, 20:00 Uhr
- Ende:
- 04.04.2026
- Ort:
-
Theater Kiel
Rathausplatz 4
24103
Kiel