Was wird bei Konzerten nicht alles aufgefahren. Hebebühne, Lasershow, Pyrotechnik, Bildschirmkoloss und nach dem dritten Kostümwechsel knallt die Konfetti-Kanone. Aber an diesem Abend? Nichts. Sting steht einfach auf der Bühne, zupft am Bass und singt. Und klingt immer noch so unverwechselbar gut wie früher bei The Police. Dabei hat der britische Sänger noch nicht mal ein Mikrofon vor sich, sondern ein Headset am Kopf.
Aber mehr braucht er nicht, Sting hat genug Hits im Repertoire und Fans vor sich, um sich entspannt durch den Abend zu spielen. Gitarrist Dominic Miller und Schlagzeuger Chris Maas, der sonst für Mumford & Sons trommelt, begleiten ihn. Mit der Dreier-Konstellation kehrt Sting zu den Wurzeln zurück, denn auch seine einstige Band The Police war ein Power-Trio.
Sting sagt nicht viel, er lässt lieber die Musik für sich sprechen
Ihr Sound war vom Punk und Reggae inspiriert, später experimentierten sie mit Jazz-Elementen. Immerhin war Sting mal Jazzmusiker und Englischlehrer, bevor er eine Weltkarriere hinlegte. Mit seinen früheren Bandkollegen Andy Summers und Stewart Copeland ist er längst zerstritten, Ende der 1980er Jahre trennte sich die Band, auch eine Reunion-Tour Mitte der 2000er konnte die drei nicht dauerhaft vereinen. Derzeit wird Sting von seinen Kollegen verklagt wegen nicht ausgezahlter Tantieme von „Every Breath You Take“, einer der meist gespielten Radio-Songs aller Zeiten.
Sting hat ihn auch beim Konzert in der Münchner Olympiahalle auf der Setlist, neben anderen Police-Klassikern wie „Message in a Bottle“, „Can’t Stand Losing You“ und „So Lonely“. Zwei Stunden spielt er eine Mischung aus Police-Songs und Solohits – und die Fans feiern ihn. Da reichen drei Akkorde im Offbeat und die New Yorker Skyline auf dem Bildschirm, damit alle aufspringen und mitsingen zu „Englishman In New York“. Bei ruhigen Nummern wie „Shape of My Heart“ oder „Fields Of Gold“ wird es andächtiger, ein Paar schwoft Arm in Arm, eine Frau tupft sich Tränen von der Wange.
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Sting, der mit bürgerlichem Namen Gordon Summer heißt, vereint großen Geist mit viel Handwerk.
Foto: Frank Rumpenhorst (dpa)
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Sting, der mit bürgerlichem Namen Gordon Summer heißt, vereint großen Geist mit viel Handwerk.
Foto: Frank Rumpenhorst (dpa)
Sting braucht nicht viel, um die Fans für sich zu gewinnen. Ein paar „Danke“ und ein „wir sind glücklich, hier zu sein“, viel mehr wird er an diesem Abend nicht sagen. Muss er auch nicht, sympathisch ist es trotzdem, als er eine kleine Anekdote erzählt. Wie er 1980 im Münchner Hilton Hotel übernachtete, im Zimmer auf- und ablief und grübelte, mit diesem einen Bass-Riff im Kopf. „Ich habe die Vorhänge aufgemacht und einen großen, fetten Mond am Himmel gesehen. Da wusste ich plötzlich, wovon der Song handeln wird“, sagt er und stimmt „Walking on the Moon“ an.
Wenige Worte, er lässt lieber die Musik für sich sprechen. Vielleicht auch, um seine Stimme zu schonen, immer wieder legt er die Hand auf die Brust, denn die Songs sind nicht leicht zu singen, vor allem alte Police-Hits wie „Roxanne“ oder „Every Breath You Take“. Sting war Mitte 20, als er sie schrieb, jetzt muss er ackern, um in die Höhen zu kommen, aber er hält die Töne, meistert jeden Lauf und setzt vorsorglich auch mal etwas tiefer an.
Sting wechselt beim Konzert in München weder Outfit noch Instrument
Überhaupt wirkt er recht agil auf der Bühne. Klar, der Gang ist steifer als früher und zwischendurch setzt er sich mal kurz auf einen Hocker. Aber der Mann ist vor kurzem 74 Jahre alt geworden, die Arme sind durchtrainiert und die Stimme klingt immer noch markant und kräftig. Und wenn er doch mal Verstärkung braucht, motiviert er die Fans. „Singt mit mir, bitte!“, ruft er auf Deutsch und schon hallt ein „E-yo-oh“ als Mitsing-Echo durch die Olympiahalle. Immer wieder bezieht er die Fans mit ein.
Sting weiß, was er tut. Seit fast 50 Jahren steht er auf der Bühne, als Solokünstler und Frontmann von The Police hat er rund 155 Millionen Tonträger verkauft und 17 Grammys gewonnen. Er muss sich nichts mehr beweisen, wirkt authentisch und nahbar. Auch am Sound wird nichts geglättet, nur bei „Desert Rose“ wird ein Sample eingespielt. Der Rest ist handgemacht und klingt einfach gut, auch dank der angenehmen Lautstärke. Die wird bei großen Konzerten ja gerne mal überdreht und hinterlässt einen Klangbrei. Aber bei Sting klingt der Sound stimmig, abgesehen von einem kleinen, charmanten Ausreißer. Da holzt der Schlagzeuger testweise drauflos und Sting zuckt zusammen, deutet auf sein Ohr, dann auf den Mischer und schon ist alles eingepegelt.
Sting steht da, in Jeans und T-Shirt, den abgewetzten Bass vor sich. Er wechselt weder Outfit noch Instrument. Nur einmal, als er zum Abschied die ruhige Nummer „Fragile“ spielt, tauscht er seinen Bass gegen eine Akustikgitarre. Und zurück bleibt das Gefühl, ein echt gutes Konzert erlebt zu haben. Ein Konzert, bei dem es mal nur um Musik geht. Um nicht mehr und nicht weniger.
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Felicitas Lachmayr
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Sting
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