Die Mexikanerin Fernanda Melchor ist in ihrer Heimat eine mutige Frau. Als Journalistin muss sie sich überlegen, wie sie in ihren Büchern vorgeht. Es ist beklemmend, worüber sie berichtet. Es sind Geschichten des realen Lebens in ihrem Land. Das Buch „Das hier ist nicht Miami“ handelt von einem Schiff aus der Dominikanischen Republik. Es ist beispielhaft, was Menschen darin erleben und erleiden müssen.

Aus der Sicht des jungen Hafenarbeiters Paco wird erzählt, der wegen seines Lohns auf das Schiff gestiegen ist. Er braucht Geld, hat keinen Job. Nun erlebt er, dass die Polizei am Hafen Veracruz rücksichtslos mit Menschen umgeht. Sie vermutet Drogen im Schiffsrumpf, alles wird umgedreht. Statt Drogen werden Frauen und Kinder erfasst und versteckt, sie wollten illegal nach Mexiko. Das Wasser, das aus dem Meer über die Menschen schwappt, nehmen sie hin, dunkel und verzweifelt kommen sie nass vom Schiff – kalt, aufgewühlt, ängstlich. Sie werden allesamt festgenommen. Einer der blinden Passagiere fragt naiv, ob sie jetzt vor Florida seien. Seine Schwester wohne in New York, dahin will er. Er wird nie dorthin kommen, Paco lacht ihn aus.

Fernanda Melchor: „Das hier ist nicht Miami“, 160 Seiten, 20 Euro, Verlag Klaus Wagenbach. Foto: Verlag Klaus Wagenbach

Es sind zwölf Geschichten über die Geschehnisse in Veracruz. Drogenbosse und korrupte Ermittler erpressen Geld. Es geht erbarmungslos zu. Jeder Feind hat einen anderen Feind, alle wollen überleben. Melchor nennt ihre beobachtenden Ereignisse „Crónicas“, Erzählungen, das ist eine lateinamerikanische literarische Form: ein Teil Fiktion, ein anderer Journalismus. Es ist nicht ungefährlich für die Autorin, aber Fernanda Melchor traut sich, ihre Notizen zu schreiben. Sie ist 1982 in Veracruz geboren, für ihre Texte hat sie bereits mehrfach Preise gewonnen. Hierzulande wird sie zum ersten Mal vorgestellt.

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Das Fiktionale wird in ihren Büchern mit dem Geschehenen verbunden. Ihr Schreiben sei eine Form, ein Ordnungsschema: „Die Wirklichkeit hat keinen richtungsweisenden, sinngebenden Willen“, hat die Autorin gesagt. Deshalb muss der Journalismus das übernehmen.