Warum ist die EU-Mitgliedschaft für Montenegro so wichtig?
Die Politik auf dem Westbalkan war schon immer eine Politik nationaler und ethnischer Spaltungen. Das führte zu dem Krieg, den wir Anfang der 90er Jahre nach dem Zerfall Jugoslawiens auf dem Westbalkan erlebt haben. Er endete 1999 mit dem Kosovo-Krieg, doch in den Köpfen der Menschen ist dieser Krieg noch immer im Gange – glücklicherweise nicht mit Waffen, sondern mit Worten. In einigen Ländern wie Montenegro kamen leider politische Kräfte an die Macht, die für Nationalismus und Revanchismus stehen. Wir brauchen die Europäische Union, um dieser Entwicklung einen Gegenpol entgegenzusetzen. Unsere Gesellschaft muss umgebaut und als europäische Gesellschaft reformiert werden. Die Alternative zu einer Nichtmitgliedschaft in der Europäischen Union ist ein nationalistisches Montenegro. Und das ist keine Option.
Was wünschen Sie sich außerdem für Montenegro als Teil der Europäischen Union?
Die Europäische Union ist in erster Linie eine Werteunion, der wir als Montenegriner angehören möchten. Es geht um soziale Werte, aber auch um Menschenrechte. Darüber hinaus hoffen wir natürlich, von wirtschaftlichen Aspekten wie freien Märkten und Investitionen zu profitieren. Als EU-Bürger werden wir zahlreiche Freiheiten und Rechte genießen, darunter persönliche, bürgerliche, politische, wirtschaftliche und soziale Rechte, Datenschutz, Antidiskriminierungsgesetze und die Freiheit, uns in den meisten EU-Ländern frei zu bewegen. Dies wird Montenegro voranbringen, aber wir müssen noch etwas dafür tun.
Und welche Vorteile hätte die EU durch die Mitgliedschaft Montenegros in der Gemeinschaft?
Die Vorteile sind gegenseitig und müssen auch so betrachtet werden. Leider fehlte in der Vergangenheit eine ausreichend strategische Sicht auf den Erweiterungsprozess. Die Balkanregion wurde lange Zeit nicht als geopolitisch zur Europäischen Union gehörendes Gebiet angesehen, doch ohne die Stabilisierung des Westbalkans kann es keine vollständige Stabilität der Europäischen Union geben. Die Länder grenzen an EU-Staaten wie Kroatien oder Slowenien, die früher Teil desselben Landes wie Serbien, Bosnien oder Montenegro waren. Wir teilen viele Werte und eine gemeinsame Kultur.
Meiner Ansicht nach ist der Westbalkan ein natürlicher Teil der EU. Wenn die EU diese Region nicht politisch und rechtlich integriert, werden andere Akteure wie Russland daran interessiert sein, diese Region zu ihrem Einflussbereich zu machen. Dies würde die Stabilität der gesamten Region in vielerlei Hinsicht untergraben. Und durch eine Destabilisierung des Westbalkans könnten diese Akteure die gesamte Europäische Union destabilisieren. Dies würde eine gefährliche Situation schaffen.