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Ein neuer Fahrplan soll Europas Verteidigungsfähigkeit bis 2030 stärken: Die Bedrohungslage bleibt ernst – die Staats- und Regierungschefs beraten nächste Woche.

Brüssel – Der Ukraine-Krieg tobt unvermindert weiter. Mit dem Aufkommen der mutmaßlich russischen Drohnen- und Flugzeugflügen über Nato und EU-Partnern erhöhte sich auch der Handlungsdruck in der EU-Kommission.

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj.Die neuen Maßnahmen sollen auch, die „langjährige Unterstützung für die Ukraine aufrechterhalten“ – Wolodymyr Selenskyj (r.) dürfte Ursula von der Leyens (l.) Engagement freuen. (montage) © JEAN-CHRISTOPHE VERHAEGEN/AFP; ANDREAS SOLARO/AFP

Nun hat die EU-Kommission ihren Fahrplan für ein verteidigungsfähiges Europa vorgestellt. Es handele sich um „einen klaren Plan mit gemeinsamen Zielen und konkreten Meilensteinen auf unserem Weg bis 2030“, erklärte Kommissionspräsidentin von der Leyen. Deutschland soll darin eine zentrale Rolle spielen.

„Europa in Gefahr“: Von der Leyen warnt vor Bedrohungen

Ausgelöst durch die Bedrohung Russlands präsentiert die EU-Kommission einen Fahrplan für vier große europäische Aufrüstungsprojekte: die europäische Drohnenabwehr-Initiative, die Eastern Flank Watch, den europäischen Luftschutz und ein Weltraumverteidigungs-Schild.

„Die jüngsten Bedrohungen haben gezeigt, dass Europa in Gefahr ist“, sagte von der Leyen zur Vorstellung des Fahrplans. Die Maßnahmen würden „unsere Verteidigungsindustrie stärken, die Produktion beschleunigen und unsere langjährige Unterstützung für die Ukraine aufrechterhalten“, argumentierte von der Leyen. Konkrete Angaben dazu, was die Vorzeigeprojekte kosten werden, machte die Kommission bisher nicht.

Promis, Premieren und Problemfälle: Das ist Ursula von der Leyens neue EU-KommissionUrsula von der Leyen hat ein neues Team in ihrer EU-Kommission.Fotostrecke ansehen

Geheimdienste gehen davon aus, dass Russland spätestens 2030 militärisch in der Lage sein dürfte, einen weiteren Krieg zu beginnen. „Russland hat derzeit keine Kapazität, einen Angriff auf die EU zu starten. Es könnte sich aber in den kommenden Jahren darauf vorbereiten“, erklärte die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas. Die Gefahr werde nicht verschwinden, selbst wenn der Krieg in der Ukraine ende.

EU plant Verteidigungsprojekte – Deutschland übernimmt Führungsrolle

Deutschland will nach Angaben von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) die Führung beim geplanten „European Air Shield“ übernehmen. Das Projekt möchte EU-Programme nutzen, um ein über Ländergrenzen hinweg vernetztes, mehrstufiges Flugabwehrsystem einschließlich der erforderlichen Sensorik aufzubauen. Es soll gegen das gesamte Spektrum von Bedrohungen aus der Luft schützen und nahtlos mit dem Führungs- und Kontrollsystem der NATO zusammenarbeiten können.

Die Finanzierung der vier Projekte soll zunächst vor allem über die Mitgliedstaaten und über bereits bestehende EU-Programme erfolgen. Mittelfristig könnten dann zusätzliche Gelder über den nächsten Langfrist-Haushalt der EU fließen, der derzeit für die Jahre 2028 bis 2034 geplant wird. EU-Verteidigungsindustriekommissar Andrius Kubilius erklärte, über die NATO hätten die meisten EU-Staaten bereits zugesagt, ihre Verteidigungsausgaben bis 2035 massiv zu erhöhen. Im Schnitt müssten insgesamt zusätzlich 288 Milliarden Euro pro Jahr ausgegeben werden.

Von der Leyen plant Hightech-Drohnen-Initiative

Über die Drohnen-Initiative soll dem Fahrplan zufolge ein mehrschichtiges Hightech-System mit Fähigkeiten zur Erkennung, Verfolgung und Neutralisierung feindlicher Drohnen aufgebaut werden. Dieses soll – mittels eigener Drohnentechnik – präzise Schläge gegen Bodenziele ausführen. Den Planern sei es laut der Deutschen Presse-Agentur (dpa) wichtig, dass die Drohnen-Initiative in enger Zusammenarbeit mit der NATO und geografisch offen entwickelt wird.

Zur Begründung für diesen 360-Grad-Ansatz in alle Himmelsrichtungen heißt es, die östlichen EU-Mitgliedstaaten an der Grenze zu Russland und Belarus seien zwar der größten unmittelbaren Bedrohung ausgesetzt. Die jüngsten Zwischenfälle hätten allerdings gezeigt, dass jedes Land betroffen sein könne. So war wegen der Sichtung unbemannter Flugkörper in den vergangenen Wochen unter anderem in Dänemark und Deutschland wiederholt Alarm an zivilen und militärischen Flughäfen ausgelöst worden. Zeitweise musste deswegen sogar der Flugverkehr eingestellt werden.

Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Drohnen nicht zwingend direkt aus Russland kommen müssen, soll künftig auch nicht mehr von einem geplanten „Drohnenwall“ gesprochen werden, sondern neutral von der „European Drone Defence Initiative“. Nach Angaben von Bundesverteidigungsminister Pistorius will Deutschland in den nächsten Jahren zehn Milliarden Euro in Drohnen investieren werde.

Drohnenabwehr im Fokus: EU stellt Verteidigungsplan vor

Zusätzlich zur Drohnenabwehr will die EU allgemein die Luftabwehr in den östlichen Mitgliedstaaten stärken. Die Eastern Flank Watch ziele darauf ab, Luftverteidigung und Drohnenabwehr mit einer Reihe von Bodenverteidigungssystemen sowie der maritimen Sicherheit in der Ostsee und dem Schwarzen Meer zu verknüpfen. Dabei gehe es auch um die Abwehr hybrider Bedrohungen und die sogenannte russische Schattenflotte.

Zudem sollen einzelne EU-Länder sich in insgesamt neun Prioritätsbereichen, darunter Luftabwehr, militärische Mobilität und elektronische Kriegsführung, zu sogenannten „Fähigkeits-Koalitionen“ zusammenschließen. Die Pläne sollen in „enger Zusammenarbeit mit der NATO“ umgesetzt werden, wie die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas bei der Vorstellung der „Defence Readiness Roadmap 2030“ sagte. 

NATO-Generalsekretär Mark Rutte hatte am Mittwoch eine „Reihe zusätzlicher Maßnahmen zur Drohnenabwehr“ angekündigt. Sowohl Rutte als auch Kallas versicherten, dass es keine Doppelstrukturen bei der Drohnenabwehr geben werde. „Wir verdoppeln nicht die Arbeit, die die NATO leistet, sondern wir ergänzen uns tatsächlich gegenseitig“, sagte Kallas. Zur Notwendigkeit einer effektiven Drohnenabwehr sagte sie, dies sei „nicht länger optional“. Drohnen definierten die Kriegsführung neu, argumentierte die EU-Außenbeauftragte. 

Verteidigungsinitiative der EU: Entscheidung bis Jahresende geplant

Wie es mit dem Fahrplan weitergeht, liegt nun in der Hand der Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten. Sie werden in der kommenden Woche bei einem Gipfeltreffen in Brüssel erstmals über die Vorschläge der Kommission beraten. Der von Ursula von der Leyen angestrebte Plan sieht vor, dass sie bis spätestens Ende des Jahres ihre Zustimmung geben.

Parallel dazu reagiert auch das Weiße Haus auf die Lage im Ukraine-Krieg: US-Präsident Donald Trump telefonierte heute mit seinem Amtskollegen Wladimir Putin. Die beiden wollen sich zeitnah persönlich in Europa treffen. (Quellen: dpa, afp, Truth Social)