Berlin – Brisante Vorwürfe gegen Kulturstaatsminister Wolfram Weimer (parteilos): Das Magazin „The European“, dessen Verleger er bis April 2025 war, soll etliche Reden und Texte prominenter Politiker ohne deren Zustimmung veröffentlicht haben. Auf der Website sollen sich allein von AfD-Chefin Alice Weidel fast 100 vermeintliche Beiträge befunden haben. Sie schaltete jetzt einen Anwalt ein.
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Zuerst hatte der Journalist Alexander Wallasch auf dessen Blog über die Entdeckung berichtet, das Portal „Nius“ griff die Recherche auf. Kritiker werfen Wallasch eine Nähe zur AfD vor. Demnach standen auf der Autorenliste von Weimers ehemaligem Magazin „The European“ Namen wie Friedrich Merz, Alexander Dobrindt, Robert Habeck, Annalena Baerbock, Sahra Wagenknecht und Gregor Gysi – neben Papst Franziskus und Brad Pitt. Sogar vom Plagiatsjäger Stefan Weber fanden sich Texte auf der Homepage.
„The European“ wirbt auch nach den Berichten damit, dass auf dem Debatten-Portal „über 2000 renommierte Autoren aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Wissenschaft“ schreiben würden. Doch daran gibt es große Zweifel.
AfD-Chefin Alice Weidel (46) beauftragte einen Anwalt mit dem Fall
Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP
Sprecher von Weidel und Dobrindt äußern sich
Ein Weidel-Sprecher sagte gegenüber „T-Online“: „Weder war Frau Weidel als Autorin für The European aktiv, noch wurde sie um Erlaubnis gefragt.“ Es sei ein „sehr unredliches Vorgehen“, geistiges Eigentum zu nutzen. Ein Medienjurist prüfe den Fall gerade für Weidel.
Ähnlich äußerte sich das Innenministerium gegenüber mehreren Medien: „Bundesinnenminister Dobrindt ist nicht als Autor für ‚The European‘ tätig und (hat) daher auch keinerlei Honorar von dort erhalten.“
Heute Kabinettskollege von Wolfram Weimer: Auch Innenminister Alexander Dobrindt (55, CSU) wurde bei „The European“ als Autor geführt
Foto: ddp/dts Nachrichtenagentur
Brisant: Weimer hatte erst am Dienstag mit scharfen Worten „geistigen Vampirismus“ von amerikanischen und chinesischen Tech-Konzernen kritisiert. Über deren Training von Künstlicher Intelligenz (KI) sagte der Kulturminister: „Auf gleichsam vampiristische Weise saugen KI-Unternehmen das kreative Potenzial aus unzähligen klugen Köpfen, nutzen deren Ideen und Empfindungen, ihre Schaffenskraft, ihre Visionen.“
Jetzt steht der Merz-Minister selbst wegen mutmaßlichen Text-Diebstahls unter Druck. Ob und was Weimer von dem Vorgehen des Portals wusste, ist bislang unklar.
Mehr zum Thema„The European“ löscht alle Autorenprofile
Weimer war früher Chefredakteur von „Welt“ (gehört wie BILD zu Axel Springer), „Focus“ und „Cicero“ und gründete 2012 mit seiner Frau die Weimer Media Group, zu der auch „The Europen“ gehört. Seit seiner Ernennung zum Kulturstaatsminister führt nur noch seine Frau das Unternehmen.
„The European“ weist die Vorwürfe derweil zurück. Das Magazin werde seit einigen Tagen „von Rechtsaußen publizistisch attackiert“, heißt es in einer Stellungnahme der Redaktion. Die Publikation von Politikerreden sei „gängige Praxis“ und erfolge „unter Angabe von Quellen“. Sofern die Herkunft in „einzelnen Fällen“ fehlte, „bedauern wir dies“. Grundsätzlich liege die redaktionelle Verantwortung allein beim jeweiligen Chefredakteur. Nach Bekanntwerden des Falls nahm das Portal alle Autorenprofile offline, um „die teilweise mehr als 15 Jahre zurückliegende Genese zu überprüfen“, so Herausgeber Ansgar Graw gegenüber „T-Online“.