1. Startseite
  2. Frankfurt

DruckenTeilen

Braucht es das Aus für „Soja-Schnitzel“ und „Veggie-Burger“? In Frankfurt sind die Meinungen gespalten. In einem Punkt sind sich aber alle Befragten einig.

Frankfurt – Wann ist das Schnitzel ein Schnitzel? Seitdem das Europaparlament entschieden hat, Begriffe wie Wurst, Steak und Co. für Fleischersatzprodukte zu verbieten, wird in der S-Bahn, auf der Arbeit und in der Kneipe darüber diskutiert, wie sinnvoll das Vorhaben ist. Selbst in der Union ist die Meinungslage nicht einstimmig. Obwohl der Vorschlag aus der konservativen EVP-Fraktion kam, stimmten die deutschen Europaabgeordneten von CDU und CSU zum großen Teil gegen das Verbot. Ebenso die Abgeordneten von SPD, Grünen, Linken und FDP.

Einzig die Europaabgeordneten der AfD waren einstimmig für das Namensverbot. Eine Mehrheit fand der Vorschlag dennoch. Vor allem Fraktionen rechts der Mitte stimmten mit Ja. Besiegelt ist das Ende von „Soja-Schnitzel“ und „Veggie-Burger“ damit aber noch nicht. Auch die 27 Mitgliedsstaaten müssen zustimmen, damit das Vorhaben in Kraft treten kann. Eine Entscheidung der Bundesregierung steht bislang noch aus.

Frankfurter über das mögliche Namensverbot bei Veggie-Produkten

Aus Hessen kommt bisher vor allem Kritik an dem Vorhaben, etwa aus der Gastronomie. „Wir finden ein solches Verbot unsinnig und lehnen es ab“, sagt Gisbert Kern, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes Dehoga Hessen. Die geplante Regelung würde für Gastronomiebetriebe nur zusätzlichen Aufwand und Bürokratie bedeuten. „Die Speisekarten müssten neu erstellt und gedruckt, die Produkte neu in die Kasse eingepflegt werden.“ Das stehe im Gegensatz zu den Bestrebungen der Bundesregierung, Bürokratie abzubauen, so Kern. Zudem sei ein Verbot unnötig. Ein Verwechslungsrisiko mit den tierischen Originalen sieht Kern nicht.

„Haben die im Europaparlament nichts Besseres zu tun?“

Und was sagen die Verbraucher? Hört man sich in Frankfurt auf der Straße um, begegnet einem vor allem folgende Frage: „Haben die im Europaparlament nichts Besseres zu tun?“ Zwar hört man auch Verständnis für die Entscheidung, etwa von Herrn Fischer, der am Südbahnhof in Sachsenhausen auf dem Markt sitzt und erzählt, früher habe man bei dem Wort Fleisch auch tatsächlich Fleisch gemeint. „Ich verstehe, dass die Fleischindustrie ihre Produkte schützen will, es gibt aktuell aber doch drängendere Probleme auf der Welt“, findet er.

Herr Fischer hat Verständnis für die Entscheidung des Europaparlaments.Herr Fischer hat Verständnis für die Entscheidung des Europaparlaments. © Niklas Hecht

Das sieht auch Martin Eisenkrätzer so. Der Erzieher in einem Kindergarten genießt in seiner Mittagspause gerade die Sonne und findet die Diskussion vor allem „anstrengend“. „Man könnte auf die Verpackung auch Gummibärchen schreiben, das ändert ja nichts daran, was drin ist“, hält Eisenkrätzer das Namensverbot für überflüssig. Auch er meint: Es gibt Wichtigeres zu tun.

Martin Eisenkrätzer genießt in seiner Mittagspause die Sonne und findet die Diskussion vor allem „anstrengend“.Martin Eisenkrätzer genießt in seiner Mittagspause die Sonne und findet die Diskussion vor allem „anstrengend“. © Niklas Hecht

Grundsätzlich begrüßt dagegen Frau Dressel-Holler die Entscheidung des Europaparlaments. „Veggie und Wurst schließen sich eigentlich aus“, sagt sie, während sie über den Markt am Südbahnhof spaziert. Stattdessen solle man lieber andere Bezeichnungen finden, die das Produkt besser beschreiben. Ein „Tofu-Schnitzel“ könne man ja beispielsweise auch „paniertes Tofu“ nennen. Allerdings betont auch sie, dass es wichtigere Probleme gibt. Und auch aus einem weiteren Grund sieht sie das Vorhaben kritisch: „War nicht Bürokratie-Abbau geplant?“, fragt Frau Dressel-Holler sarkastisch. Wie der Dehoga befürchtet sie, dass das mögliche Namensverbot für Hersteller veganer Produkte und für Gastronomie-Betriebe eine Menge an Mehraufwand bedeuten würde.

Ganz anders sehen das Sophia und Perry. Die beiden Freundinnen sind gerade aus einem Frankreich-Urlaub zurückgekehrt und schlendern nun über den Markt am Südbahnhof. „Blödsinn!“, sagt Sophia wie aus der Pistole geschossen, als sie auf das Thema angesprochen wird. Sie ernähre sich selbst vegetarisch und versteht nicht, warum das überhaupt zur Debatte steht. Dem stimmt auch Perry zu. Sie kommt aus den USA und findet den Beschluss „just silly“ – also „nur dumm“. Die Bezeichnungen der Produkte seien auch jetzt schon klar genug. Jede und jeder müsse doch erkennen, dass es sich bei den Fleisch-Alternativen um vegane Produkte handelt. Einen Grund für ein Namensverbot sehen sie damit nicht.

Sophia und Perry halten das Namensverbot für „Blödsinn“.Sophia und Perry halten das Namensverbot für „Blödsinn“. © Felix Fehre

Auch die beiden Freunde Johnny Dausig und Jacobsen Jarle halten das Verbot für „völligen Quatsch“. Sie glauben nicht, dass schon mal jemals ein Kunde aus Versehen ein veganes Produkt gekauft hat, obwohl er oder sie eigentlich echtes Fleisch kaufen wollte. „Das steht doch oft nicht mal nebeneinander im Regal!“.

Die beiden Freunde Johnny Dausig und Jacobsen Jarle halten das Verbot für „völligen Quatsch“.Die beiden Freunde Johnny Dausig und Jacobsen Jarle halten das Verbot für „völligen Quatsch“. © Niklas HechtEinigkeit bei veganem Restaurant und Metzgerei in Frankfurt

Das Namensverbot beschäftigt das vegane Restaurant Hummus Küch’ in Sachsenhausen schon seit einigen Tagen. „Wir haben da schon privat drüber geredet“, erzählt der Inhaber bei einem kurzen Besuch. „Albern“, sei der Plan des Europaparlaments, findet er. Nur weil etwas „Burger“ heißt, bedeute das ja nicht, dass Fleisch drin sein muss. „Da geht es ja eher um die Art der Anrichtung.“

Ähnlich verhalte es sich bei Bratwürsten und Schnitzeln. Unter einer Bratwurst verstünden die Kunden eine gewisse Form, ein bestimmtes Aroma und den klassischen Bratwurst-Geruch. Woraus die Bratwurst am Ende besteht, sei dabei zweitrangig. 
Auch bei Schnitzeln versteht der Restaurant-Besitzer die Aufregung nicht: „Es gibt Kalbs-Schnitzel, Schweine-Schnitzel und Hähnchen-Schnitzel. Also kann es auch Tofu-Schnitzel geben.“ Die EU solle sich lieber um die wichtigen Probleme der Welt kümmern.

Da ist sich das vegane Restaurant mit der benachbarten Metzgerei Thoma einig. Fleischereifachverkäuferin und Kundschaft betonen gleichermaßen: Sie äßen alle gerne Fleisch, aber wie die Ersatzprodukte genannt würden, das täte wirklich nichts zur Sache. (nhe/fef mit dpa)