Donald Trump hat da mal wieder einen Vorschlag. Im völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands in der Ukraine sei, so schreibt es der US-Präsident am Freitag auf seinem sozialen Medium Truth Social, „genug Blut vergossen worden“.
Er habe sowohl dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj als auch Russlands Staatschef Wladimir Putin eine Sache gesagt: „Es ist Zeit, das Töten zu beenden und einen Deal zu schließen.“
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US-amerikanischen Medienberichten zufolge hat der Kreml-Chef seinem Amtskollegen in Washington zu diesem Zeitpunkt schon ein Geschäft vorgeschlagen.
Putin fordert mal wieder die Region Donezk
Bei seinem Telefonat mit Trump am vergangenen Donnerstag, wenige Stunden ehe Selenskyj am Freitag in den USA empfangen worden ist, soll Putin die vollständige Aufgabe der Kontrolle über die ostukrainische Region Donezk gefordert haben. Das berichtet die Tageszeitung „Washington Post“ am Wochenende.
Es ist ein Preis, den die Ukraine für ein Kriegsende kaum zu zahlen bereit sein wird .
Die Region Donezk wurde genauso wie der benachbarte Verwaltungsbezirk Luhansk 2022 einseitig und völkerrechtswidrig von Russland annektiert, beide Regionen gehören zum Donbass.
Fast 90 Prozent beider ukrainischer Bezirke stehen heute unter russischer Kontrolle, mehr als die Hälfte der ukrainischen Bodenschätze im Gesamtwert von mehr als 14 Billionen US-Dollar finden sich hier.
Putins Forderung auf das ostukrainische Gebiet ist dabei alles andere als neu: Zuletzt beanspruchte der Kreml-Chef im Sommer bei dem umstrittenen Gipfel zwischen ihm und Trump in Alaska den Donbass für sich und behauptete, dass er im Gegenzug, die aktuellen Konfliktlinien einfrieren wollen würde.
Moskau braucht das Gebiet als wichtigen Meereszugang: Sollte der Donbass sowie im Anschluss die stark umkämpften südukrainischen Regionen Cherson und Saporischja dauerhaft an Russland fallen, wäre eine ständige Landverbindung zur völkerrechtswidrig annektierten Halbinsel Krim für Putin gesichert.
Zugleich würde die Ukraine ihren Zugang zum Asowschen Meer, dem Teil des Schwarzen Meeres, der zwischen der Krim und Russland liegt, verlieren.
Für Putin ist das historisch ein Teil Russlands, so wie der gesamte Süden.
Stefan Meister, Programmleiter Internationale Ordnung und Demokratie bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik
Für Kyjiw spielt die wirtschaftliche Bedeutung der Region aktuell aber wohl nur eine untergeordnete Rolle: In Donezk liegt eine der wichtigsten Verteidigungslinien des Landes.
Putin sieht das Gebiet deshalb als zentral an, um weitere Gebiete in der Ukraine zu erobern, sagt Stefan Meister, Programmleiter Internationale Ordnung und Demokratie bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, dem Tagesspiegel. „Für ihn ist das historisch ein Teil Russlands, so wie der gesamte Süden.“
Stefan Meister ist Programmleiter Internationale Ordnung und Demokratie bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP).
Ein Eingehen auf Putins Forderung würde die Ukraine zwingen, ihren „Festungsgürtel“ aufzugeben – ohne eine Garantie, dass die Kämpfe nicht wieder aufgenommen werden. Putin hätte es dann leichter, tiefer in ukrainisches Kernland einzumarschieren.
50 Kilomter lange Verteidigungslinie
Laut einer Analyse des US-amerikanischen Forschungsinstituts „Institute for the Study of War“ hat dieser Festungsgürtel „russische Vorstöße in der Oblast Donezk in den Jahren 2014 und 2022“ behindert und erschwert auch heute noch Russlands Bemühungen, den Rest der Regionen einzunehmen: „Der Festungsgürtel stellt ein erhebliches Hindernis für den derzeitigen Vormarsch Russlands in den Westen der Ukraine dar.“
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Dem Forschungsinstitut zufolge zieht sich die Verteidigungslinie über 50 Kilometer durch die gesamte Region und soll Berichten zufolge hoch vermint sein. Zudem gibt es zahlreiche Bunker, Schützengräben, Panzerabwehrsperren sowie Stacheldraht.
Für die Russen ist der Donbass ein Sprungbrett für eine zukünftige neue Offensive.
Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine
Immer wieder hat Wolodymyr Selenskyj in der Vergangenheit etwaigen ostukrainischen Gebietsabtretungen eine Absage erteilt. Sein Land werde jeden russischen Vorschlag ablehnen, die Region im Austausch für einen Waffenstillstand aufzugeben.
Roter Teppich für einen mutmaßlichen Kriegsverbrecher: Im Sommer wurde Wladimir Putin von US-Präsident Donald Trump in Alaska mit viel Pomp empfangen.
© via REUTERS/Gavriil Grigorov
„Für die Russen ist der Donbass ein Sprungbrett für eine zukünftige neue Offensive. Wenn wir den Donbass freiwillig oder unter Druck verlassen, werden wir einen dritten Krieg beginnen“, sagte Kyjiws Staatschef laut CNN im August bei einem Treffen mit Journalist:innen.
Andreas Umland ist Analyst am Stockholmer Zentrum für Osteuropastudien des Schwedischen Instituts für Internationale Angelegenheiten.
Die Haltung der Ukraine ist dabei seit Jahren unverändert, das weiß auch Putin.
„Moskau hofft, dass es Washington bezüglich der Donbass-Frage zu seinem Agenten bei den anstehenden trilateralen Verhandlungen machen kann“, sagt Andreas Umland, Analyst des Stockholmer Zentrums für Osteuropäische Studien. „Erhöht sich Trumps Druck auf Selenskyj, einer Gebietsabtretung im Donbass zuzustimmen, kann Putin nur gewinnen.“
Kämpfe zuletzt intensiviert
Sollte Selenskyj ablehnen, wirke er auf Trump als friedensunwillig und wird Umland zufolge damit zum Problem für dessen Friedensbemühungen sowie Ambitionen auf den Friedensnobelpreis.
Erhöht sich Trumps Druck auf Selenskyj, einer Gebietsabtretung im Donbas zuzustimmen, kann Putin nur gewinnen.
Andreas Umland, Stockholmer Zentrum für Osteuropastudien
Seit mehr als zehn Jahren versucht Russland allerdings erfolglos, den Donbass vollständig zu erobern. „Weil die Ukraine militärisch zu stark ist und die Region noch aus Sowjetzeiten massiv gesichert ist“, sagt Stefan Meister. „Das ist eines der am schwersten zu erobernden Gebiete, da die Städte als Festungsstädte nach dem Zweiten Weltkrieg ausgebaut worden sind.“
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Zuletzt hatte Moskau seine Bemühungen, den „Festungsgürtel“ in Donezk einzunehmen, wieder intensiviert. Sollte das gelingen, wird es dem Osteuropaexperten Stefan Meister zufolge für Putins Truppen „auf jeden Fall einfacher, größere Territorien zu erobern“.
Zu einem Kollaps der ukrainischen Verteidigung muss es aber auch dann nicht zwangsläufig kommen. „Auch Russland fehlen die Truppen für die Eroberung größerer Gebiete.“