Unter dem Titel „Stadt am Fluss – Stadt im Fluss“ ist derzeit in der Kunsthalle Werft 77 im Reisholzer Hafen ein gemeinsames Ausstellungsprojekt von Künstlerinnen und Künstlern aus Chemnitz und Düsseldorf zu sehen. Der Titel resultiert einerseits aus der Tatsache, dass sowohl die Europäische Kulturhauptstadt 2025 als auch die Kunstmetropole Düsseldorf an Flüssen liegen. Andererseits kann dies als Anspielung auf die philosophische Erkenntnis des „Panta rhei“ verstanden werden. Sie stammt von Heraklit und wurde von Platon weiter verbreitet. Damit verbunden ist eine große Freiheit für die insgesamt zwölf beteiligten Kunstschaffenden.
Das mehrere Ausstellungen umfassende Gemeinschaftsprojekt, bei dem auf Düsseldorfer Seite Mitglieder vom Verein der Düsseldorfer Künstler 1844 sowie fünf aus Chemnitz mitwirkten, startete mit einer kleineren Ausstellung im Chemnitzer Tankstelle-Projektraum. Eine weitere folgte in der Ausstellungshalle Chemnitz auf dem Garagen-Campus. Zuletzt waren Arbeiten in der Johanna Ey Foundation an der Neubrückstraße zu sehen.
Dank der großzügigen Räume in der Kunsthalle Werft 77 konnte die Abschlussausstellung erstmals alle Installationen, Skulpturen, Bilder, fotografische Arbeiten sowie Videos präsentieren. Kunstgespräche, Performances sowie Konzerte bildeten ein Rahmenprogramm, das zusätzlich künstlerische Impulse lieferte.
„Fast drei Jahre, ausgefüllt mit Tausenden von E-Mails und Zoom-Kontakten, waren nötig, bis alle erforderlichen Gelder sicher waren, und wir dieses Projekt realisieren konnten“, sagte Gisela Happe. Die Künstlerin im VdDK 1844 war mit ihrem bannerartigem Bild „Welle 2.0“ prominent in der Ausstellung vertreten. Es war vor die Oberlichter der Halle gehängt, so dass bei Tageslicht der fast 50 Quadratmeter große Fries im idealtypischen Blau erstrahlt. Das Grau des Rheins, der unmittelbar hinter der Halle vorbeifließt, liefert dazu den Kontrast der Realität.
Direkten Bezug zum Fluss nimmt auch der Düsseldorfer Künstler Uwe Priefert, der sich von Dylans „Watching the River Flow“ hat inspirieren lassen. Auf 20 Fotos dokumentiert er ebenso einfach wie eindrucksvoll das „Panta rhei“-Prinzip, nach dem alles im Fluss ist, und keine Momentaufnahme jemals eine Wiederholung erfährt. „The Worm“ ist eine Skulptur von Monoblock-Stühlen. Diese erinnert sie an einen Wurm, der schleichend weltweit Terrassen und Wohnungen mit seiner Einheitsästhetik erobert. Gleichzeitig ist sie durch ihre Wellenform mit Wasser assoziiert. „Einerseits hat dieses Plastikteil zwar 1,5 Milliarden Bäume vor der Abholzung gerettet, andererseits steht es aber auch als Mahnmal für Konsum-Überfluss und die Spuren, die Plastik insbesondere im Wasser dieser Welt hinterlässt“, sagt der Künstler Dirk Krüll.
Auf das, was im menschlichen Bereich „im Fluss“ ist, konzentriert sich die Düsseldorfer Fotokünstlerin Hanne Horn mit „Unterwegs“. Auf acht analog aufgenommenen S/W-Fotos, die vexierbildhaft übereinander geblendet sind, zeigt sie subtil Veränderungen des menschlichen Körpers, bei denen Weibliches und Männliches zusammenfließen. Die Arbeit zeigt, dass auch in der Gender-Diskussion alles im Fluss ist und Geschlechtsspezifisches immer neu zu hinterfragen ist. Zugleich versteht sie sich als Brücke über allem Fließenden.
Wasser hat zweifellos auch eine zerstörerische Kraft, doch gelegentlich überlebt die Kunst. So waren drei für eine Ausstellung gerahmte Kohlezeichnungen von Elke Hopfe dem verheerenden Hochwasser in Dresden 2002 ausgesetzt. Es glich einem Wunder, denn das Papier war zwar verdreckt, jedoch die Zeichnungen mit Graphit waren unbeschädigt geblieben.
Mit einer Multimediainstallation thematisieren Rolf Lieberknecht, prominenter Initiator des Ausstellungsprojekts, und Christian von Borczyskowski, das Wasser als Grenze, als Hindernis, wo Tausende Menschen ihren Traum vom Sehnsuchtskontinent Europa mit dem Leben bezahlen. Nicht von ungefähr erinnern die schwarzen Teile zerschmetterter Boote auch an Sargdeckel.