Für Berliner Autofahrer war es der größte Schreck des Jahres: Am 19. März wurde auf der Stadtautobahn A100 die Brücke über die Ringbahn wegen Baufälligkeit komplett gesperrt. 90.000 Autofahrer fuhren bis dahin täglich über die Brücke am Dreieck Funkturm, insgesamt 230.000 Kraftfahrzeuge, das meist befahrene Autobahndreieck Deutschlands.

Durch die Vollsperrung brach auf den umliegenden Stadtstraßen am 19. März ein zuvor ungeahntes Chaos aus. Eine Umfahrung über Autobahnen gibt es nicht. Ab dem 27. März war auch der S-Bahn-Verkehr auf der Ringbahn unterbrochen, zehntausende Fahrgäste waren betroffen.

Der Abriss ging sehr schnell. Am 3. April 2025 begannen Spezialbagger, den Beton in Stücke zu reißen. Schon am 28. April 2025 konnte die S-Bahn wieder rollen. Für Autofahrer wurde wenig später eine schmale Spur auf der Gegenfahrbahn abgetrennt. So können Pkw auf der A100 bleiben. Lastwagen müssen seit dem 19. März über Stadtstraßen den gesperrten Abschnitt umfahren, das dauert deutlich länger. Anwohner leiden vor allem am Messedamm und in der Königin-Elisabeth-Straße unter dem Schwerlastverkehr.

Das ist in Kurzfassung das Drama von Charlottenburg-Wilmersdorf.

Am Montag starten die Arbeiten für die neue Brücke. Das Bundesverkehrsministerium und die Autobahn GmbH des Bundes laden am Mittag die politische Prominenz zum Spatenstich. Kai Wegner (CDU), der Regierende Bürgermeister von Berlin, wird dabei sein. Versprochen ist eine Fertigstellung im Sommer 2027 – also in knapp zwei Jahren. Laut Verkehrsminister Patrick Schnieder (CDU) kostet die Brücke 80 Millionen Euro.

Was passiert als nächstes?

Nach der Feier am Montag werden zunächst die Stützwände im nördlichen Baubereich abgebrochen. Veranschlagt sind drei Wochen, in dieser Zeit werde es laut, warnt die Firma Deges, die die Bauüberwachung macht.

Die Vorbereitungen für die erste große Sperrung beginnen ebenfalls: 79 Stunden lang gibt es große Einschränkungen am Dreieck Funkturm und auf den Stadtstraßen. Start ist am Donnerstag, 30. Oktober, um 22 Uhr. Bis voraussichtlich Montag, 3. November, 5 Uhr früh, werden Teile der A 100, der A 115 (Avus) sowie der Halenseestraße Ost und des Messedamms ganz oder teilweise für den Verkehr gesperrt. 

In dieser Zeit wird eine weitere Brücke abgerissen, und zwar die südliche Verlängerung der abgerissenen Ringbahnbrücke. Diese überquert die Halenseestraße Ost. Zudem nutzt der Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf die Zeit für die Sanierung der Kreuzung Halenseestraße/Messedamm. Denn der Messedamm wird seit März als Umleitung für Lkw Richtung Norden genutzt. In den vergangenen sieben Monaten hat sich der Zustand der Fahrbahn deutlich verschlechtert.

Brückenabbruch über der Halenseestraße Ost.

© Senat I Tagesspiegel/Rita Boettcher

Die Sperrungen im Einzelnen:

  • Von der A115 (Avus) gibt es keine Überleitung auf die A100 Richtung Hamburg und keine Abfahrt Richtung Halenseestraße Ost/Messedamm.
  • Von der A100 aus Neukölln kommend ist es nicht möglich, über den Messedamm durch die Stadt zu fahren. Dies betrifft vor allem alle Fahrzeuge über 3,5 Tonnen.
  • Die Halenseestraße Ost ist ab Rathenauplatz Richtung Norden gesperrt. Nur Anwohner können den Abschnitt zwischen Rathenauplatz und S-Bahnhof Westkreuz mit Pkw im Gegenverkehr befahren. Dies ist eine Sackgasse.
  • Die Auffahrt von der Halenseestraße Ost auf die Autobahn ist gesperrt. Von der Avus kommend besteht keine Möglichkeit, am Rathenauplatz zu wenden und auf die A100 Richtung Hamburg zu fahren.
  • Von Norden kommend ist die Überleitung von der A100 auf die A115 (Avus) gesperrt.
  • Der Messedamm ist in Richtung Norden zwischen Halenseestraße und Neue Kantstraße gesperrt.

Dies sind die Umleitungen:

  • A115 von Süden kommend, Fahrtrichtung Hamburg: ab Autobahnkreuz Zehlendorf über die B1 und die A103 zum Kreuz Schöneberg und dort auf die A100. Pkw bis 3,5 Tonnen bleiben auf der A100, schwerere Fahrzeuge nutzen die oben genannte Umleitung ab der Anschlussstelle Schmargendorf.
  • A100 von Norden kommend, Überleitung auf die A115: Ab Anschlussstelle Spandauer Damm über die Königin-Elisabeth-Straße und den Messedamm zum Autobahndreieck Funkturm.
  • A100 von Süden kommend, Fahrtrichtung Hamburg Lkw: Fahrzeuge über 3,5 Tonnen fahren an der Anschlussstelle Schmargendorf ab, anschließend über die Konstanzer Straße, Brandenburgische Straße, Lewishamstraße, Kaiser-Friedrich-Straße und Spandauer Damm zur Anschlussstelle Spandauer Damm. Laut Verkehrsverwaltung gibt es für Lkw zwei sogenannte Vorbehaltsrouten, eine engere (Abfahrt Schmargendorf) und eine weitere Umfahrung (ab Kreuz Schöneberg). Die Deges empfiehlt die kürzere Variante.
    A100 von Süden kommend, Fahrtrichtung Hamburg Pkw: Fahrzeuge bis 3,5 Tonnen bleiben auf der A100.

Wie geht es weiter?

Deges-Sprecher Lutz Günther hat für Autofahrer gute Nachrichten: Bis zur Fertigstellung der A100-Brücke werde es nur eine einzige größere Sperrung geben, und zwar im dritten Quartal 2026. Vom zeitlichen und räumlichen Umfang werde sie ähnlich wie die bevorstehende 79-Stunden-Sperrung sein. In dieser Zeit soll die neue Autobahnbrücke über die Halenseestraße Ost geschoben werden. Ansonsten werde es bis Sommer 2027 „nur einzelne kurzzeitige Fahrstreifensperrungen geben, die im Detail noch abgestimmt und rechtzeitig angekündigt werden“, sagte Günther.

Was steht Fahrgästen der S-Bahn bevor? 

Während des Abrisses der Ringbahnbrücke waren die Bahngleise einen Monat gesperrt. Der Bau werde weit weniger gravierende Einschränkungen bringen, sagte Deges-Sprecher Günther. „Voraussichtlich im Juli 2026 ist eine dreitägige Sperrung der Bahnstrecke nötig, um das Stahltragwerk der Ringbahnbrücke einzuheben.“

Sperrung der Berliner Ringbahn Darum sind zwei Stationen ganz abgehängt

Zur Herstellung von Spundwänden seien außerdem einzelne kürzere Streckensperrungen im Dezember 2025 erforderlich. Diese werden sich aber „nach aktuellem Stand auf die Nachtstunden beschränken“. Betroffen ist dann wieder Abschnitt zwischen Westend und Halensee mit den Linien S41 und S42 der Ringbahn.

Was ist mit der Westendbrücke?

Die A100 kann erst dann wieder befahren werden, wenn auch die zweite abgerissene Brücke neu gebaut ist, die Westendbrücke etwas südlich vom Spandauer Damm. Diese war ebenfalls marode und wurde kurz nach der Ringbahnbrücke abgerissen, quasi in einem Aufwasch.

Der Neubau soll der Deges zufolge „weitgehend zeitlich parallel“ erfolgen. Allerdings hängt die Westendbrücke zeitlich hinterher. Der Auftrag für die 200 Meter kurze Ringbahnbrücke wurde im August vergeben, der für die 500 Meter lange Westendbrücke soll „im Herbst“ folgen. Dennoch werde auch diese Brücke und damit die Stadtautobahn bis Sommer 2027 fertig.

Ist die angesetzte Bauzeit realistisch?

Die Deges nennt die Fertigstellung bis Sommer 2027 ganz offen „ehrgeizig“. Beim Bau „werden viele Herausforderungen rechtlicher, baulicher, technischer und organisatorischer Natur zu bewältigen sein“. Bislang ist man schneller als angekündigt: Im Juni hatte die Autobahn-Baugesellschaft noch spätere Termine für die Auftragsvergabe genannt. Bei der Ringbahnbrücke hingegen konnte die geplante Bauzeit verkürzt werden, weil die Firmen dazu gute Vorschläge gemacht haben.

Um das Ziel zu halten, war bei Auftragsvergabe der Ringbahnbrücke neben dem Preis „die Kombination aus kurzer Bauzeit und minimierten Beeinträchtigungen für den Bahnverkehr“ entscheidend. Der Vertrag setzt zudem auf Leistungsanreize. „So wurde eine Bonus-Malus-Regelung vereinbart, um eine pünktliche Fertigstellung zu gewährleisten“, heißt es. Bei der Westendbrücke wurde ähnlich ausgeschrieben.

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Nein, ganz sicher nicht. Etwa 100 der 260 Autobahnbrücken sind in keinem guten Zustand. Bei denen „müssen wir uns Sorgen machen“, hatte Autobahndirektor Ronald Normann im Juni berichtet. Regelrecht „gefährdet“ seien 50 Brücken, die man „in engem Blick“ habe. Normann hatte nicht ausgeschlossen, dass es dabei ähnliche Überraschungen wie bei der Ringbahnbrücke gebe. Es breche „ein Jahrzehnt der Baustellen in der Stadt“ an. Das Land Berlin muss 120 Schrottbrücken sanieren oder abreißen.

Vor wenigen Tagen wurden an der A100-Brücke über die Mecklenburgische Straße schwere Schäden entdeckt. In Richtung Norden ist die rechte Spur bis auf Weiteres gesperrt, die Abfahrt Detmolder Straße ist gesperrt. Mit der Sperrung von Spuren hatte es im März auch bei der Ringbahnbrücke begonnen.