Eigentlich ist der Mieter gerade dabei, seine Geschichte zu erzählen. Nur ist er kaum zu verstehen, hier draußen auf dem Platz der Freiheit in Neuhausen. Der Lärm des Presslufthammers, der aus dem Haus 20, 30 Meter hinter ihm kommt, ist infernalisch. Es ist das Haus, in dem der Mieter lebt, mit seiner Partnerin und der 15 Monate alten Tochter. „Wir haben manchmal bis zu 100 Dezibel bei uns in der Wohnung“, berichtet Maximilian A., der zum Schutz seiner Privatsphäre nicht mit ganzem Namen genannt werden möchte. „Da bekommt meine Tochter Angst, wir müssen dann raus irgendwo in einen Park.“
Der Mieterverein München hat an diesem Montagvormittag zu einem Pressetermin mit mehreren Bewohnerinnen und Bewohnern des Anwesens Landshuter Allee 55/Leonrodstraße 20 geladen, um auf einen Fall aufmerksam zu machen, bei dem aus seiner Sicht Investoren besonders rücksichtslos mit ihren Mieterinnen und Mietern umgehen.
„Die Vermieter versuchen, mit der Keule durch das Haus zu gehen“, sagt Monika Schmid-Balzert, stellvertretende Geschäftsführerin des Mietervereins. „Es ist aus unserer Sicht ein klarer Fall von kalter Entmietung.“ Die Eigentümer wollten das Haus leer bekommen, um die Wohnungen dann teurer verkaufen zu können.
Der Mieter Maximilian A. mit seiner Tochter und seiner Partnerin. (Foto: Robert Haas)
Kalte Entmietung, das ist durchaus doppeldeutig zu verstehen, im übertragenen Sinne von „eiskalt“, aber auch im Wortsinne: Laut Schmid-Balzert versuchen die Hauseigentümer, ihre Mieter nicht nur mit Lärm zu drangsalieren, sondern auch mit Kälte: indem zu Beginn der kühleren Jahreszeit die Heizung nicht funktionierte und gerade jetzt im Herbst das Dach abmontiert wurde, um später ein neues aufgestocktes Dach aufzusetzen. Die Heizung sei erst in Gang gesetzt worden, nach man beim Amtsgericht eine einstweilige Verfügung erwirkt habe, sagt Schmid-Balzert.
Johannes Pilz, Mitarbeiter der Neuhauser Heimstätte GmbH, der das Haus mit seinen bisher 31 Mietwohnungen gehört, weist die Vorwürfe zurück: Ja, die dringend nötige Sanierung des etwa 60 Jahre alten Gebäudes habe „Beeinträchtigungen zur Folge“, räumt Pilz ein, der offenbar vom Termin des Mietervereins Wind bekommen hat, deshalb auch gekommen ist und später Fragen beantwortet.
Zwei Seiten einer Geschichte: Johannes Pilz (liinks) sieht als Mitarbeiter der Eigentürmer-Firma die Lage anders als Monika Schmid-Balzert vom Münchner Mieterverein (rechts). (Foto: Robert Haas)
Aber dafür hätten die Bewohnerinnen und Bewohner am Ende auch einen höheren Wohnstandard und durch die Fassadendämmung niedrigere Heizkosten. Den Vorwurf der „kalten Entmietung“ weist er zurück: „Das ist definitiv nicht richtig.“ Die Heizung etwa hätte man auch ohne den Gerichtsbeschluss repariert. Überhaupt sei man „mit allen Mietern in einem intensiven Austausch“.
Die Neuhauser Heimstätte GmbH gehört zum Firmengeflecht des Grünwalder Unternehmens Rock Capital, das sich selbst gern mit aufwendigen Büro-Bauprojekten in Szene setzt, etwa dem „Heads“, der ehemaligen Wirecard-Zentrale in Aschheim, oder dem „Monaco“, das gerade im Werksviertel entsteht.
Immer wieder allerdings taucht Rock Capital auch wegen eines fragwürdigen Umgangs mit Wohngebäuden auf, so etwa an der Bauerstraße in Schwabing. Das Gebäude in Neuhausen allerdings ist ein besonderer Fall: Gekauft haben es die Rock-Capital-Gründer Christian Lealahabumrung und Peter G. Neumann im Jahr 2014, für acht Millionen Euro, Verkäufer waren die Erzabtei St. Ottilien, die Stiftung Landesblindenanstalt und die Stiftung ICP München.
Dann passierte lange wenig, außer dass die neuen Eigentümer 13 Wohnungen jahrelang leer stehen ließen. Die Stadt monierte schon 2014 eine Zweckentfremdung. Doch die Eigentümer spielten offensichtlich auf Zeit. Gegen 2023 von der Stadt verhängte Zwangsgelder wehrten sie sich über zwei Instanzen vor Gericht, verloren aber. Erst nachdem sie 60 000 Euro zahlen mussten und die Stadt weitere 180 000 Euro Zwangsgeld androhte, begannen sie im Frühjahr 2025 damit, das Haus zu sanieren und auszubauen.
Allerdings geht dabei offenbar einiges schief. Ruth B. wohnt seit 2009 in dem Gebäude. „Am 12. September“, berichtet die 75-Jährige, „hatte ich plötzlich einen großen Riss in der Decke, und Wasser tropfte von oben in mein Bett.“ Eine Ersatzmatratze habe sie sich dann selbst besorgt, das Geld aber nicht erstattet bekommen bisher. Der Vermieter-Vertreter Johannes Pilz bestätigt das, man habe sich dafür schon mehrmals entschuldigt, „und selbstverständlich bekommt sie die 600 Euro“.
Folgt man Pilz, dann sind die Eigentümer quasi unwillentlich in die aktuelle Situation geraten. Sie hätten Sanierung und Ausbau gar nicht selbst machen wollen, „es war ursprünglich geplant, dass das Objekt wieder verkauft wird“, aber das habe wegen der Corona-Pandemie und der schwierigen Marktlage nicht geklappt. Nachfrage: Also wurde das Haus 2014 als reines Spekulationsobjekt gekauft? So würde er das nicht formulieren, erwidert Pilz.