Es ist eine entscheidende Woche für Europas Klimapolitik: Heute treffen sich die EU-Umweltminister, am Donnerstag steht der EU-Gipfel an. Dabei geht es um die EU-Klimaziele für 2023 und 2040. Warum gibt es bislang keine Einigung?
Europa erlebt gerade entscheidende Tage in Sachen Klimapolitik. Denn viele Staat- und Regierungschefs haben zuletzt dicke Stopp-Schilder aufgestellt, haben das Festlegen auf Klimaziele für 2035 und 2040 verhindert. Man wolle das Ganze nochmal auf Chefebene besprechen – hieß es. Auch von Bundeskanzler Friedrich Merz, verbunden mit dieser Marschrichtung für den EU-Gipfel am Donnerstag:
Europa wird nur produktiver werden, wenn es sich grundlegend ändert: Schluss mit der Regulierungswut, mehr Innovationen und mehr Wettbewerb. Dies steht nicht im Widerspruch zu unserem klaren Bekenntnis, die Klimaziele bis 2045 zu erreichen und auch die Zwischenziele im Jahr 2040!
USA und China legen Ziele fest
Kein Widerspruch? Darüber lässt sich streiten. Die Linie von Bundeskanzler Merz hat zuletzt diejenigen EU-Staatschef gestärkt, die aktuell lieber gar kein Klimaziel für 2040 benennen möchten: Polen, Ungarn und weitere osteuropäische Staaten, aber auch Italien und allen voran Frankreich. Sie alle haben dafür gesorgt, dass die EU-Umweltminister nicht fristgerecht für die Weltklimakonferenz in Brasilien ein Ziel fürs Jahr 2035 festlegen konnten.
Europa kommt also quasi mit leeren Händen zur Klimakonferenz. Ganz im Gegensatz etwa zu den USA und dem größten CO2-Verschmutzer China, kritisiert der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese: „China hat jetzt zum ersten Mal seine Emissionen gesenkt und ein Ziel völkerrechtlich verbindlich hinterlegen. Deshalb müssen wir jetzt den Spagat hinkriegen: einerseits respektieren, dass es ambitioniert ist, aber auch schnell ein Ziel verabschieden. Dabei ist das Ziel für 2035 international viel wichtiger als das Ziel für 2040“, sagt Liese.
Debatte über den europäischen Emissionshandel
Die Zeit drängt. Aber der EU-Klimapolitik droht in dieser Woche noch etwas viel Gefährlicheres, sagt etwa der grüne EU-Abgeordneten Michael Bloss: „Die große Gefahr, die ich gerade sehe ist, dass man sich zwar auf ein Ziel verständigt, aber alle nötigen Instrumente, um es zu erreichen, sturmreif geschossen werden. Das sehe ich gerade bei der Bundesregierung. Sie will weg von den CO2-Flottengrenzwerten, sie rückt ab vom Emissionshandel, also dem CO2-Preis.“
In der Tat sind Debatten um den europäischen Emissionshandel voll entbrannt. In ihrem Brief vor dem EU-Gipfel schreibt Kommissionschefin Ursula von der Leyen, sie wolle auf Sorgen wegen der Ausweitung der CO2-Bepreisung auf den Verkehrsbereich eingehen. Dies könnte fossile Kraftstoffe teurer machen und auch das Heizen. Ginge es dem EU-Emissionshandel nun an den Kragen, raube man, befürchtet Bloss, Europas Industrie jegliche Planungs- und Investitionssicherheit.
Klimataktgeber EU? Politiker haben Zweifel
Und die EU mache sich komplett unglaubwürdig, so die SPD-Europa-Abgeordnete Delara Burkhardt: „Neben einem Preis für CO2 muss die Politik auch Klima-Standards setzen – ob Verbrenner-Aus, Entwaldungsverordnung oder Energieeffizienz. Leider greifen die Konservativen diesen Politik-Mix immer stärker an. Aber wir müssen jetzt umsetzen, sonst verspielen wir die Rolle der EU als globaler Taktgeber im Klimaschutz.“
Dazu könnten rechtliche Probleme kommen: Ein Gutachten im Auftrag der Europäischen Grünen kommt zu dem Schluss, dass Drittstaaten die EU verklagen könnten, sollte die sich Klimaziele geben, die auf weniger als eine CO2-Reduktion um 90 Prozent im Vergleich zu 1990 hinauslaufen, so EU-Politiker Bloss. Dies sei das Mindestmaß, das aus Klima-Urteilen abgeleitet werden könne. Er glaubt auch: Nur mit ambitionierten Zielen bleibt die EU international glaubwürdig. „Wenn wir als Industrieländer aus dem Klimaschutz aussteigen, dann würden die Entwicklungsländer auch aussteigen und dann wird es richtig schwierig.“
Das zeigt sich schon jetzt: Als klar war, die EU liefert kein Klimaziel für die Klimakonferenz in Brasilien, haben sich auch die wichtigen Schwellenländer Indien und Südafrika zurückgelehnt – und nicht geliefert.