Im Zusammenhang mit der seit sechs Jahren vermissten Rebecca Reusch durchsuchen die Ermittler ein weiteres Objekt in der Nähe von Tauche in Brandenburg. „Hintergrund der Maßnahmen sind neue Erkenntnisse im Rahmen der Ermittlungen“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Berlin der Deutschen Presse-Agentur.
Neue Spur im Fall Rebecca Reusch Polizei sucht mit Bagger, Radar und Leichenspürhund
Die Durchsuchungen, die am Montag im Landkreis Oder-Spree begonnen hatten, werden am Dienstag fortgesetzt. Das sagte Polizeisprecher Florian Nath der Deutschen Presse-Agentur am Morgen. „Wir befragen die Bewohner. Die Beamten werden von Tür zu Tür gehen.“ Es könne sein, dass auch auf dem Grundstück in Tauche südöstlich von Berlin weiter gearbeitet werde.
Ein kleiner Bagger kam bei der Suche am Montag ebenfalls zum Einsatz.
© dpa/Sarah Knorr
„Wir suchen nach Beweismitteln“, sagte Nath. „Es ist nicht auszuschließen, dass wir Beweise finden, die im Zusammenhang mit ihr stehen oder sogar menschliche Überreste.“
Das damals 15 Jahre alte Mädchen war am Morgen des 18. Februar 2019 im Berliner Stadtteil Britz im Bezirk Neukölln verschwunden, nachdem sie die Nacht laut Angaben der Familie und der Polizei im Haus ihrer Schwester und ihres Schwagers verbracht hatte. Seitdem wird sie vermisst. Die Ermittler vermuten schon länger, dass der heute 33-jährige Schwager die Jugendliche getötet hat. Der Mann bestreitet das.
Überblick: Was wir wissen – und was nicht
Was wir wissen:
- Opfer: Die damals 15-jährige Rebecca verschwindet am Morgen des 18. Februar 2019 in Britz. Nach Angaben der Familie und der Polizei verbringt die Jugendliche die Nacht zuvor im Haus ihrer Schwester und ihres Schwagers.
- Verdächtiger: Ins Visier der Ermittler gerät schnell der Schwager. Die Polizei nimmt den damals 27-Jährigen zweimal fest und lässt ihn wieder frei. Er bestreitet, etwas mit Rebeccas Verschwinden zu tun zu haben.
- Geschehen: Der Schwager ist bei einer Feier und kommt an jenem Tag erst am frühen Morgen zurück. Rebeccas Schwester geht früh zur Arbeit. Als die Mutter anruft, um Rebecca zum Schulbesuch zu wecken, geht keiner ans Telefon. Die Mutter ruft den Schwager an, der Anruf wird weggedrückt. Kurz darauf ruft er zurück und sagt, Rebecca sei bereits weg. In der Schule kommt sie nicht an und auch nicht zurück nach Hause. Nachmittags meldet die Familie sie bei der Polizei als vermisst.
- Auto: Das Auto der Familie des Schwagers wird am 18. und 19. Februar 2019 auf der Autobahn zwischen Berlin und Polen erfasst. Dies verstärkt den Verdacht, der auf dem Schwager lastet. Außer ihm hat laut den Ermittlern niemand Zugriff darauf. Eine nachvollziehbare Erklärung nennt er nicht.
- Neuer Einsatz: Nun sucht die Polizei auf einem Grundstück in Brandenburg nach Beweismitteln. Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass der Schwager Rebecca im Februar 2019 getötet und ihre Leiche sowie ihr gehörende Gegenstände zumindest vorübergehend auf das Grundstück seiner Großeltern in Tauche (Landkreis Oder-Spree) gebracht haben könnte, erklären Polizei und Staatsanwaltschaft.
Was wir nicht wissen:
- Rebecca: Seit ihrem Verschwinden ist die damals 15-Jährige bis heute nicht aufgetaucht – sie wurde bisher weder lebendig noch tot gefunden. Die Ermittler gehen davon aus, dass Rebecca das Haus des Schwagers nicht lebend verlassen hat. Die Frage ist, wo sich die Leiche befindet, sollte diese Annahme zutreffen.
- Spurensuche: Die Mordkommission analysiert Handydaten, befragt alle Familienmitglieder und weitere Zeugen, geht immer wieder Hinweisen von Zeugen nach, sucht nach Gegenständen Rebeccas, untersucht Knochenfunde. Doch der Fall bleibt auch nach mehr als sechs Jahren ein Rätsel, einen echten Durchbruch gibt es bislang nicht. Ob bei dem neuen Einsatz etwas gefunden wurde, sagen die Ermittler zunächst nicht.
Wo befindet sich der 33-Jährige, wird er erneut befragt? Dazu werde die Polizei aus ermittlungstaktischen Gründen nichts sagen, sagte Nath.
Großeinsatz auf Privatgrundstück
Bei einem Großeinsatz suchte die Polizei am Montag ein Grundstück seiner Großeltern in Tauche südöstlich von Berlin ab. Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass der Schwager die Jugendliche im Februar 2019 getötet und ihre Leiche sowie Rebecca gehörende Gegenstände zumindest vorübergehend dorthin gebracht haben könnte, teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit.
Bei dem Einsatz ging es demnach darum, solche Gegenstände zu finden sowie Tatspuren und andere Beweismittel zu sichern. Zur Frage, ob es relevante Funde gab, äußerten sich die Ermittler zunächst nicht.
Über Stunden hinweg hatten mehr als 100 Polizeikräfte am Montag in Lindenberg, einem Ortsteil von Tauche, nach Beweismitteln gesucht. Beteiligt waren auch Kräfte des Bundeskriminalamts. Die Beamten setzten unter anderem einen kleinen Bagger, eine Drohne, Videotechnik, Bodenradar und Spürhunde ein.
Ehemaliger Profiler sieht Grund zur Hoffnung
Die Ermittlungen im Fall Rebecca übernahm nach dem Verschwinden des Mädchens eine Mordkommission des Berliner Landeskriminalamtes. Sie ging seither Hunderten von Hinweisen nach – bisher immer erfolglos. Als im Oktober 2020 und Januar 2021 in Berlin und Brandenburg Knochenfunde gemeldet wurden und ein Zusammenhang mit dem Kriminalfall vermutet wurde, stellte sich heraus, dass sie zu Tieren gehörten.
Vor gut fünf Jahren fanden Jugendliche eine Decke und Knochen bei Kummersdorf in Brandenburg – ebenfalls ohne Bezug zu Rebecca, wie die Untersuchungen ergaben.
Der ehemalige Kriminalbeamte und Profiler Axel Petermann sieht in dem neuen Einsatz in Brandenburg Grund zur Hoffnung. „Es gibt immer wieder Entwicklungen, die dann doch das Rätsel eines Verbrechens zu lösen helfen“, sagte Petermann am Dienstag im Inforadio des RBB. Als er noch in der Mordkommission gearbeitet habe, habe er selbst Taten geklärt, die bereits einige Jahre zurücklagen.
„Es können Beweismittel gefunden werden, Zeugen können ihre Aussagen ändern, oder manche erinnern sich erst nach langer Zeit daran, dass sie etwas wichtiges wahrgenommen haben“, sagte Petermann. „Auch die Beschuldigten können irgendwann mal unter dem Druck, dass sie einen Menschen getötet haben umkippen und ein Geständnis ablegen um sich zu entlasten.“
Trotz der langen Zeit seit Rebeccas Verschwinden könnten die Ermittler noch verwertbare Spuren finden, glaubt Petermann. Speziell ausgerichtete Leichenspürhunde könnten selbst nach Jahren noch Rückstände wahrnehmen, die bei der Zersetzung eines Körpers entstehen, sagte er dem RBB. „Das könnte ein möglicher Ansatz für die erneute Suche in dem Bereich sein.“
Es bleiben offene Fragen
In der Nacht zum 18. Februar 2019 war der damals 27-jährige Schwager des Mädchens bei einer Feier, er kam erst am frühen Morgen zurück. Rebeccas Schwester ging früh zur Arbeit. Als die Mutter anrief, um Rebecca zum Schulbesuch zu wecken, ging niemand ans Telefon. Dann versuchte sie den Schwager zu erreichen, der Anruf wurde weggedrückt. Kurz darauf rief er zurück und sagte, Rebecca sei bereits weg. Das Mädchen kam nie in der Schule an – und auch nicht zurück nach Hause.
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Am selben Tag und tags darauf wurde das Auto der Familie auf der Autobahn Richtung Polen erfasst. Außer dem Schwager hatte niemand Zugriff auf den Wagen. Eine nachvollziehbare Erklärung gab er nicht ab. (Tsp, dpa)