Bob Dylan muss das Vorbild gewesen sein, wie so oft: Ein Dutzend Jahre, bevor der Songwriter 2016 schließlich mit dem Literatur-Nobelpreis ausgezeichnet wurde, spielte er zu eigener Musik in einem Werbespot der Unterwäsche-Marke Victoria’s Secret die männliche Hauptrolle. Seine Aufgabe bestand darin, wissend zu gucken und der sich sehnsüchtig nach irgendwas verzehrenden Adriana Lima kurz vor Beginn der Songzeile „I’m sick of love“ seinen Cowboyhut zuzuwerfen. In der Schlusseinstellung komplettiert das Model mit dem Hut seine Schönheit.

Gefeiert wurde der Clip auch von Dylan-Fans unter anderem deshalb, weil sich mit ihm ein Kreis schloss: Etwa vier Jahrzehnte vor dem Videodreh in Venedig wurde der Musiker bei einer Pressekonferenz sinngemäß gefragt, für welches kommerzielle Interesse er sich verkaufen würde. Seine trockene Antwort schon damals: „Damenunterwäsche.“

Teresa Brückner und Leif Randt folgen Bob Dylans Vorbild

Gut 20 Jahre nach Bob Dylans Damenunterwäsche-Spot wirbt das alteingesessene Stuttgarter Kaufhaus Breuninger, das bereits Tänzer und bildende Künstler für Werbekampagnen gebucht hat, nun ebenfalls per Videoclip mit Literaten für im Alltag oder zumindest bei den Versammlungen der Reichen und Schönen sichtbare Mode: „Mode erlaubt einem wirklich, ’ne visuelle Poesie zu schaffen“, fabuliert darin zu spannend arrangierten Basstönen die Autorin Teresa Brückner, deren aktuelles Buch „Alle_Zeit“ heißt, das vom Ullstein-Verlag mit dem interessanten Slogan beworben wird „Soziale Gerechtigkeit bedeutet gerechte Verteilung von Zeit“.

Die Werbefilmer im Auftrag von Breuninger haben Brückner bei leichtem Wind in einem dieser Boho-Kleider, wie man sie auf den Laufstegen bei Etro oder Isabel Marant sieht, auf einen Holzstuhl in der Trendfarbe Schokoladenbraun gesetzt. Ihr Kollege Leif Randt hingegen muss auf einer Straßenkreuzung in erkennbar halbbequemer Haltung an einem braunen, womöglich antiken Tischchen lehnen, dafür muss er in seinem teuer aussehenden Mantel bestimmt nicht frieren.

Der Protagonist von Randts aktuellem Roman „Let’s talk about feelings“ betreibt in Berlin eine Boutique mit exklusivem Anspruch, die jedoch nur so mittelprächtig läuft, wie Breuninger offenbar keinesfalls möchte, dass die Geschäfte laufen. Dennoch oder womöglich gerade deshalb darf Randt im Werbespot des Stuttgarter Kaufhauses den bedeutungsvollen Satz von sich geben: „Ich habe eigentlich oft das Gefühl, dass die Realität die Fiktion einholt.“

Mit dem Einholen der Klickzahlen von Taylor Swift, deren Musikvideo zur neuen Single „The Fate of Ophelia“ innerhalb von zwei Wochen 74 Millionen Mal aufgerufen wurde, tut sich das seit Anfang September auf YouTube betrachtbare Breuninger-Video noch schwer: 587 Mal wurde es bisher angesehen (Stand Dienstagnachmittag). Doch dieser Tage hat das „Breuninger Fall Collections 25“ betitelte aber verblüffende Unabhängigkeit von Witterung vermittelnde Werbevideo samt Denim-all-over-Look mit einer High-Waist-Jeans, einer Marlene-Hose in Tweed sowie mehreren Souveränkuschel-Mänteln überregionale Aufmerksamkeit erregt: Das Magazin „Der Spiegel“ erinnert seit Sonntagabend unter der Überschrift „Müssen Autoren jetzt auch noch gut aussehen?“ mit kritischem Blick nach Stuttgart daran, dass lange vor Anton Weill im Strickpulli und seinen stilvoll ausstaffierten Kollegen die Schriftsteller Benjamin von Stuckrad-Barre und Christian Kracht bereits anno 1999 für den Textil-Einzelhändler Peek & Cloppenburg modelten.

In dessen Stuttgarter Filiale sind die Kleiderständer mit den Sonderangeboten um einiges leichter zu finden als im Breuninger-Haupthaus am Marktplatz, das mittlerweile diverse Luxus-Juweliere beherbergt und auch mittels der Präsentation von Handtaschen für Monatslöhne eine gewisse Noblesse für sich reklamiert, auf die der insbesondere bei Schnäppchenjägern beliebte Textil-Einzelhändler TK Maxx in der Unteren Königstraße lustvoll pfeift.

Giulia Gwinn wirbt für die Konkurrenz Im Sport-Dress kennt man sie – für TK Maxx wirbt die Fußballspielerin Giulia Gwinn jetzt für Baggy-Jeans. Foto: imago/Sven Simon

Auch TK Maxx hat übrigens einen neuen Werbespot produziert. Darin sagt die Fußballspielerin Giulia Gwinn, ihres Zeichens Kapitänin der deutschen Frauen-Nationalmannschaft zum Beispiel: „Ich hab in meinem Job oft Jogginghosen an und freu mich dann einfach, wenn ich Baggy-Jeans tragen darf.“ Giulia Gwinn darf währenddessen witterungsbeständig überdacht auf einem Sofa sitzen, das viel gemütlicher aussieht als die ins Freie gezerrten Holzmöbel im Breuninger-Werbespot.

Dafür sagt im Breuninger-Video Christoph Höhtker, der schon mal auf der Longlist des Deutschen Buchpreises stand, den für einen Schriftsteller besonders bemerkenswerten Satz: „Ich kommuniziere mit meinem Outfit.“ Dann wird weißes Papier wegwehend im Wind gezeigt, und Höhtker relativiert: „All das, was wir tun, ist Kommunikation.“