Luftverschmutzung kann Fettleibigkeit und Diabetes begünstigen.Luftverschmutzung kann Fettleibigkeit und Diabetes begünstigen. Bild: Markus Distelrath/Pixabay Lisa Seyde Lisa Seyde 22.10.2025 – 06:11 Uhr 6 min

Luftverschmutzung wirkt sich gleich mehrfach negativ auf die Gesundheit aus: Neben den direkten Folgen für die Atemwege existiert auch eine Reihe indirekter Folgen, etwa für den Stoffwechsel oder das Herz-Kreislauf-System. Aktuelle Forschungsarbeiten liefern neue, alarmierende Belege für diese Wirkung, insbesondere bei Kindern.

Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) atmet fast die gesamte Weltbevölkerung (99%) Luft, die WHO-Standards übersteigt und stark verschmutzt ist, wobei Niedriglohnländer und Länder mit mittlerem Einkommen der meisten Luftverschmutzung ausgesetzt sind.

So konnten Forschende des Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie – BIPS in Bremen erstmals nachweisen, dass schlechte Luft den Blutdruck sowie das Diabetesrisiko bei Kindern beeinflusst. Die Wissenschaftler berechneten, was passieren würde, wenn die Luft sauberer wäre. Grundlage war die groß angelegte IDEFICS/I.Family-Kohorte, die eine der umfassendsten europäischen Langzeitstudien zur Gesundheit von Kindern darstellt.

Deutliche Folgen für Kinder

Um die Auswirkungen der Luftverschmutzung abschätzen zu können, ohne Kinder einem tatsächlichen Risiko auszusetzen, wählten die Forschenden ein besonderes Vorgehen. Zunächst veränderten sie eine bestehende Studie. „In einem zweiten Schritt ahmten wir diese ideale Studie so genau wie möglich anhand von Beobachtungsdaten einer großen Kinderkohorte nach“, erklärt Dr. Claudia Börnhorst, Statistikerin am BIPS.

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Das Ergebnis war eindeutig: Sinkende Konzentrationen der Schadstoffe Ruß und Feinstaub führten zu messbaren Verbesserungen beim Blutdruck und im Zuckerstoffwechsel der untersuchten Kinder. Damit belegt die Studie erstmals einen direkten Zusammenhang zwischen Luftreinheit und Stoffwechselgesundheit im Kindesalter.

„Unsere Studie liefert wichtige wissenschaftliche Belege dafür, dass Luftreinhaltung sowohl den Stoffwechsel als auch das kardiovaskuläre System schützt.“

– Dr. Rajini Nagrani, Leiterin der Fachgruppe Molekulare Epidemiologie, BIPS

Die Bremer Ergebnisse zeigen, dass eine Einhaltung der WHO-Werte das Risiko für Bluthochdruck und erhöhte Diabetesmarker bei Kindern erheblich senken könnte. „Wir hoffen, dass unsere Ergebnisse Verantwortliche in der Politik motivieren, die Einhaltung der empfohlenen Grenzwerte für Luftschadstoffe sicherzustellen“, ergänzt Dr. Maike Wolters, Wissenschaftlerin in der Fachgruppe Verhalten und Gesundheit am BIPS.

Feinstaubbelastung fördert Diabetes

Eine andere Studie zeigt, dass Feinstaub auch tiefgreifende Veränderungen im Fettstoffwechsel von Mäusen verursacht, was bis hin zu genetischen Veränderungen in den Zellen reicht. Forschende der Universität Zürich sind dem Problem auf molekularer Ebene nachgegangen.

Die Feinstaubbelastung wird oft in den Partikelgrößen PM10 (Durchmesser ca. 10 µm) und PM2.5 (Durchmesser ca. 2,5 µm) angegeben.

Das Team um den Kardiologen Francesco Paneni untersuchte an Labormäusen, wie sich eine langfristige Belastung durch Feinstaub (PM2.5) auf den Stoffwechsel auswirkt. Über 24 Wochen atmeten die Tiere regelmäßig verschmutzte Luft ein – die Exposition bildet die Belastung von Menschen in Großstädten nach.

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Im Fokus stand das braune Fettgewebe, das im Körper Wärme erzeugt und Kalorien verbrennt. Es reguliert Blutzucker und Energiehaushalt. Die Mäuse, die PM2.5 ausgesetzt waren, entwickelten eine gestörte Insulinempfindlichkeit und veränderten ihr Fettgewebe.

„Gestört war insbesondere die Aktivität wichtiger Gene, die die Fähigkeit zur Wärmeproduktion, Fettverarbeitung und Bewältigung von oxidativem Stress regulieren.“

– Francesco Paneni, Professor am Zentrum für translationale und experimentelle Kardiologie, Universität Zürich und Universitätsspital Zürich

Die Forschenden fanden heraus, dass Luftverschmutzung die Regulation der Gene im braunen Fettgewebe massiv verändert. Zwei Enzyme – HDAC9 und KDM2B –beeinflussen die chemischen Markierungen auf der DNA, die steuern, welche Gene aktiv oder inaktiv sind. Wenn diese Enzyme überaktiv werden, gerät der Fettstoffwechsel aus dem Gleichgewicht.

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„Wenn wir die beiden Enzyme experimentell unterdrückten, verbesserte sich die Funktion des braunen Fettgewebes. Erhöhten wir deren Aktivität, ging der normale Fettstoffwechsel weiter zurück“, erklärt Paneni.

Luftqualität entscheidend

Feinstaub greift demnach die Lunge an und beeinflusst die genetische Regulation des Stoffwechsels. Die Luftverschmutzung verändert die Zellfunktion, ohne den genetischen Code selbst zu verändern – der Prozess ist als epigenetische Steuerung bekannt.

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Die Studien zeigen also, dass die Luftqualität direkt die Gesundheit beeinflusst – von molekularer Ebene bis hin zu messbaren klinischen Werten. Saubere Luft schützt Kinder vor Bluthochdruck und beugt Stoffwechselstörungen wie Diabetes vor.

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Die Botschaft an die Politik ist klar. Luftreinhaltung ist eine Investition in die langfristige Gesundheit kommender Generationen. Wie Dr. Nagrani kommentiert: „Eine saubere Umwelt ist ein zentraler Faktor für die Prävention chronischer Erkrankungen – und das beginnt bereits im Kindesalter.“

Quellenhinweis:

Nagrani, R., Wolters, M., Buck, C., et al. (2025): Effect of long-term air pollution reduction on insulin resistance and fasting glucose in children: A causal analysis. Environmental Research.

Wolters, M., Nagrani, R., Naaouf, N., et al. (IDEFICS/I.Family consortium) (2025): Effects of ambient air pollutants and environmental greenness on the incidence of pre /hypertension in children and adolescents. European Journal of Preventive Cardiology.

Palanivel, R., Dazard, J.-E., et al. (2025): Air pollution modulates brown adipose tissue function through epigenetic regulation by HDAC9 and KDM2B. JCI Insight.