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Seite 1″Oui … Je t’aime“
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Seite 2Viel Drama, viel Slapstick – auch jetzt
Nicolas Sarkozy, französischer Präsident von 2007 bis 2012 © Teo Manisier/Riva Press/laif
Nicolas Sarkozy war von 2007 bis 2012 französischer Staatspräsident. Gemeinsam mit Angela Merkel hat er Europa damals durch die eskalierende Finanzkrise manövriert. Für viele französische Rechte ist der 70-Jährige bis heute ein Idol: der letzte Konservative, der in Frankreich eine Präsidentschaftswahl gewann. Aber Sarkozy war oft auch eine kuriose Figur. Ein Mensch, der partout nicht stillhalten konnte und dem nie etwas peinlich war. Viel Drama, viel Slapstick – so ist es auch jetzt.
„Wenn man ein Kreuz zu tragen hat, muss man es zu Ende tragen“, sagt Sarkozy, kurz bevor er im Gefängnis verschwindet. Dort, hinter Gittern, wolle er Der Graf von Monte Christo lesen und eine Biografie von Jesus Christus. Soll man darüber lachen? Oder muss man sich beunruhigen, wenn ein früherer Staatspräsident sich als Opfer der Justiz inszeniert?
Zehn Tage vor seinem Haftantritt lädt Sarkozy Freunde und Mitarbeiter zu einer Art Abschiedsempfang ein. Ein Reporter des Journal du Dimanche darf auch dabei sein und berichten. Wie sich die Menschen erheben, als Sarkozy den Saal betritt. Wie sie ihm fünf Minuten lang stehend applaudieren. Wie der Verurteilte zu ihnen spricht: „Ich bin gekommen, um euch zu sagen, dass das Ende dieser Geschichte noch nicht geschrieben ist. Es ist noch nicht geschrieben, weil die Bösen in allen guten Filmen niemals gewinnen.“ Die Bösen – das sind die Richterinnen und Richter, die nun bedroht werden.
Das Verhältnis zwischen Justiz und Politik ist in Frankreich seit je angespannt. Konkurrenz und Missgunst spielen dabei eine Rolle und natürlich die unterschiedlichen Rollen. Schon Sarkozys Vorvorgänger François Mitterand, ein Sozialist, hatte immer wieder sein Misstrauen gegenüber der Justiz zum Ausdruck gebracht und vor einer „Republik der Richter“ gewarnt. Aber dass ein ehemaliger Präsident offen die Rechtsstaatlichkeit des Landes infrage stellt, ist neu. Und passt in die Zeit: Auch der amerikanische Präsident Donald Trump hat es so gehalten.
Tatsächlich ist das Urteil gegen Sarkozy umstritten. Die Staatsanwaltschaft hatte ihn ursprünglich wegen vier verschiedener Delikte angeklagt. Von drei Tatvorwürfen hat das Gericht ihn freigesprochen, unter anderem von dem der Korruption. Umso überraschender ist das hohe Strafmaß für das vierte Delikt, die Bildung einer kriminellen Vereinigung. Besonders umstritten ist die sofortige Vollstreckung der Strafe – denn sie relativiert die Unschuldsvermutung, indem sie einem möglichen Revisionsverfahren vorgreift. Selbst wenn der Verurteilte Berufung einlegt – was Sarkozy getan hat –, muss er zunächst in Haft. Allerdings waren es in der Vergangenheit vor allem rechte Politiker wie Sarkozy, die darauf gedrängt hatten, hohe Strafen sofort zu vollstrecken.
Hinzu kommt, dass der frühere Präsident nicht zum ersten Mal verurteilt wurde. Schon in zwei anderen Verfahren war er mit Haftstrafen belegt worden; eine davon wurde in drei Instanzen bestätigt. Dabei ging es tatsächlich um Korruption. Sarkozy durfte die Haftstrafe allerdings im Hausarrest absitzen. Zu Beginn dieses Jahres trug er deshalb vorübergehend eine elektronische Fußfessel. Auch diesen Schuldspruch hatte Sarkozy zwar hingenommen, aber vehement attackiert. In dem Urteil zur Libyen-Affäre nehmen die Richterinnen ausdrücklich darauf Bezug.
Vor Gericht sind alle Menschen gleich, aber Nicolas Sarkozy ist kein Gefangener wie jeder andere. Am Freitag vor seiner Inhaftierung hat Emmanuel Macron seinen Vorvorgänger im Élysée empfangen. Eine „menschliche Geste“, keine Parteinahme, wurde sofort versichert. Der amtierende Justizminister Gerald Darmanin hat sogar angekündigt, er werde Sarkozy im Gefängnis besuchen. Der ehemalige Konservative hatte seine politische Karriere als Mitarbeiter Sarkozys begonnen. Überhaupt kann sich Sarkozy über mangelnden Zuspruch nicht beschweren. Der Bürgermeister von Nizza hat angekündigt, einen Platz vor einem neuen Polizeigebäude nach Sarkozy zu benennen. Und auch Marine Le Pen hat mit dem Verurteilten telefoniert.
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Die Letzten, die Sarkozy am Dienstag ins Gefängnis begleiten, sind seine beiden Anwälte. Der Präsident ist in einer gewöhnlichen Zelle, aber in einem Sondertrakt untergebracht worden. Die Sorge, dass ihm im Gefängnis etwas zustoßen könnte, ist groß. Dies sei ein „verhängnisvoller Tag für ihn, für Frankreich und für seine Institutionen“, sagt Jean-Michel Darrois, einer der Anwälte, als er das Gefängnis verlässt. Darrois und sein Kollege haben für ihren Mandanten Hafterleichterung beantragt. Wahrscheinlich wird Sarkozy in einigen Wochen vorerst wieder entlassen, bis das Berufungsverfahren stattfindet. So oder so steht er bald schon wieder vor Gericht: Ende November wird das Urteil in einem dritten Verfahren gegen ihn gesprochen.