Berlin – Donnerstagmorgen um neun klingelten vier Polizisten in Zehlendorf an der Tür von Norbert Bolz, einem Professor im Ruhestand. Sie würden wegen einer Straftat ermitteln und Beweismittel sichern. Ermittelt werde „wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach Paragraf 86a Strafgesetzbuch“. Sie müssten Beweismittel sichern, sagten die Polizisten.
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Was hatte Norbert Bolz getan? Er hatte sich am 20. Januar in einem Beitrag auf der Plattform „X“ über den Begriff „woke“ lustig gemacht, der so viel wie „erwachen“ bedeutet, und ihn mit der NS-Parole „Deutschland erwache“ gleichgesetzt.
Er hatte die Methoden der linksradikalen Bewegung kritisieren wollen und sie deshalb mit der nationalsozialistischen SA („Sturmabteilung“) verglichen. Dabei wird seine Verachtung sowohl für Linksextremisten als auch für die Nationalsozialisten erkennbar.
Das Bundeskriminalamt (BKA), dem der Beitrag von der landeseigenen Meldestelle „Hessen gegen Hetze“ vorgelegt wurde, wirft Bolz vor, eine verbotene Parole verwendet zu haben. Beweismittel müssten sichergestellt werden, befanden die Kriminalbeamten.
Daraufhin eröffnete die Berliner Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Professor Bolz. Richter Dr. Fricke vom Amtsgericht Tiergarten unterschrieb einen Beschluss, mit dem die Polizei die Wohnung des Professors durchsuchen durfte. „Es besteht (…) der naheliegende Verdacht, dass eine Durchsuchung bei dem Beschuldigten und der von ihm genutzten Räume zur Auffindung (…) der Beweismittel führen wird“, schrieb Fricke zur Begründung.
Vier Berliner Polizisten wurden also damit beauftragt, Norbert Bolz zu Hause aufzusuchen. „Alle vier waren sehr nett“, sagte uns Bolz auf Nachfrage. Sie sagten, wenn ich ihnen meinen Laptop mit dem Beitrag auf X zeigen würde, müssten sie die Wohnung nicht weiter durchsuchen und keine Geräte beschlagnahmen, das liege in ihrem Ermessen.
Bolz zeigte also seinen Laptop mit der Nachricht auf X und die Beamten machten davon ein Foto als „Beweismittel“. Bolz unterzeichnete ein Protokoll, in dem er den Beamten bescheinigte, es sei durch sie „nichts beschädigt worden“.
Dann belehrten sie Norbert Bolz, er möge „künftig vorsichtiger“ sein. Was genau damit gemeint sein könnte, erfuhr der Professor nicht. Möglicherweise wussten es auch die Polizisten nicht.
„Dieser Polizeibesuch zeigt mir, dass sich alle meine düsteren Ahnungen mit der Wirklichkeit decken“, sagte Bolz anschließend. Er ist als Publizist und Autor zahlreicher Bücher dafür bekannt, dass er sich um die zunehmende Einschränkung der Meinungsfreiheit im Zuge der politischen Korrektheit sorgt.
Der Medienanwalt Joachim Steinhöfel kommentierte den polizeilichen Hausbesuch bei Norbert Bolz mit diesen Worten: „Wenn ein renommierter Medienwissenschaftler wie Professor Bolz wegen eines erkennbar ironischen Tweets eine Hausdurchsuchung über sich ergehen lassen muss, dann stimmt etwas fundamental nicht mehr in unserem Rechtsstaat.“
Dem ist nichts hinzuzufügen. BKA, Staatsanwaltschaft und Amtsgericht haben sich lächerlich gemacht oder sie handelten politisch motiviert, was sie nicht dürfen. Beides ist äußerst beunruhigend.
Hat Gunnar Schupelius recht? Schreiben Sie an: gunnar.schupelius@axelspringer.de