Urlaub, um gleich eine Frage vorwegzunehmen, die sich aus den folgenden Absätzen ergeben wird, ist kein Wort mit Vorsilbe, es bezeichnet nicht Ur-Laub, also nicht sehr, sehr alte Blätter, Humus oder Komposthaufen oder so. Wobei sich, wenn man lange genug darüber nachdenken würde, bestimmt lauter Parallelen fänden, etwa zwischen dem Zustand eines vom Baum gefallenen Blattes und jenem eines welk auf der Strandliege sich bräunenden Menschen. Urlaub ist vielmehr verwandt mit dem Ausdruck „erlauben“, das Wort bezeichnet also eigentlich die Berechtigung, der Arbeit fernzubleiben. Sehr deutsch doch: Freiheitsgefühle durch das sichergestellte Wissen, dass die Obrigkeit das Ausruhen gestattet.
Die Bilderstrecke nun wurde von dem deutschen Fotografen Dennis Eichmann kuratiert. Er sammelt seit einigen Jahren Fotografien menschenleerer Plastikstühle und zeigt sie auf einem Instagram-Account, der den Namen Vacant Chairs Magazine trägt (auf der Plattform zu finden als vacant.chairs.mag), zu deutsch: „Leere-Stühle-Magazin“. Was Eichmann an diesem Namen so gut gefällt, ist aber, dass er nicht nur sehr genau bezeichnet, was zu sehen ist, sondern dass darin schon ein weiteres Wort mitschwingt: vacation.
Und dieser englische beziehungsweise eigentlich altfranzösische Ausdruck nun bezeichnet ja in weiten Teilen der Welt das, was die Deutschen eben Urlaub nennen, und leitet sich ab aus dem Lateinischen vacare, „unbelegt sein“. Die Ferien, der Urlaub, sind die Zeit, in der uns nichts bedrückt, beschwert, in der uns nichts belastet wie etwa ein Mensch einen Stuhl. Freizeit, das sagen wir ja auch.
Eichmann befällt, wenn er durch seinen eigenen Account scrollt, interessanterweise oft weniger jenes Gefühl von Sehnsucht nach dem Unbekannten, für das wir das schöne Wort Fernweh haben, denn eines von Nostalgie. Er sagt, er erinnere sich dann an die Urlaube seiner Kindheit in den Neunzigerjahren, die er mit seiner Familie an der Adria verbrachte, „das Herumliegen am Strand, in der Sonne, das Verstreichenlassen des Tages“ und dann eben, zum Essen, das sich Niederlassen auf den Monoblock-Stühlen eines Restaurants oder einer Ferienhausterrasse, was in der Tat ja ein absolut ferienspezifisches körperliches Gefühl ist: das Federnde der Rückenlehne, das leichte Auseinanderrutschen der beschwerten Stuhlbeine, solche Stühle, muss man auch sagen, sind zumindest in deutschen Esszimmern wirklich sehr selten, man findet sie hierzulande, wenn überhaupt, auf der Veranda oder vor dem Schrebergartenhäuschen oder unter dem Sonnenschirm einer Pommesbude.
Wo kann man in Marokko am schönsten surfen gehen? Der Fotograf Alex Delamadeleine schoss das Foto am Strand des Küstendorfs Imsouane, das mit seinen endlosen Wellen längst Surfer aus der ganzen Welt anlockt.
© Alex Delamadeleine
Wohin als Erstes in Seoul? Dort entstand dieses Bild – und dessen Fotograf Yosigo liebt in der südkoreanischen Hauptstadt den Markt Namdaemun, auf dem man die verschiedensten lokalen Spezialitäten probieren kann.
© Yosigo
Wo unterkommen entlang der California State Route 18? Dennis Eichmann rät, sich nahe dem Joshua-Tree-Nationalpark in eine Hütte einzumieten, wo man während der Mittagshitze lesen kann, etwa den vor Ort spielenden Roman „A Place to Bury Strangers“ von Justin Kerr.
© Dennis Eichmann
Wo kann man als Veganer in Brighton angenehm frühstücken? Camille Legrand hat das Foto auf dem Fährschiff vom französischen Dieppe Richtung England gemacht. Sie rät nach der Ankunft in Brighton zu Kaffee und veganem Brunch bei 17 grams.
© Voilacam
Wo und wann ein kühles Bier genießen auf Guadeloupe? Die Fotografin Manon Delaun machte dieses Foto auf der französischen Karibikinsel nahe dem Surfspot Anse-Bertrand. Nach dem Surfen entdeckte sie am Ende der Rue des Coquillages ein kleines Café, in dem sich das frittierte Sandwich, begleitet von einem lokalen Bier, wie eine wahrhaft königliche Mahlzeit anfühlte.
© Manon Delaunay
Man findet sie dort, wo es warm ist, oder dann, wenn es warm ist. Das Plastik ist warm, wenn man sich darauf niederlässt, die Armlehnen sind manchmal richtig heiß, wenn man die Unterarme darauf ablegt. Plastikstühle sind Mobiliar der Sommers, des Südens, sie sind das Mobiliar der freien Zeit, und sie haben schon allein durch ihre abwischbare Unempfindlichkeit und ihren Spottpreis (online kriegt man das Stück laut Google für 8,95 Euro) etwas wunderbar Verantwortungsfreies. Sie sind die „Urlaubnis“ in Möbelform. Wahrscheinlich sind sie auch gerade deswegen so selten in den Innenräumen unserer Wohnungen anzutreffen: weniger, weil sie an sich ästhetisch problematisch wären, sondern weil sie in ihrer ganzen Anmutung einen Hauch von Gleichgültigkeit verbreiten, der in den arbeitsamen Stunden des vollgestopften Alltags seltsam unpassend erschiene.
Dieser Artikel stammt aus der ZEIT Nr. 16/2025. Hier können Sie die gesamte Ausgabe lesen.
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Dennis Eichmann begann zunächst selbst damit, Plastikstühle zu fotografieren. Das erste solche Bild, an das er sich erinnern kann, entstand im Botanischen Garten in Berlin, wo zwei Stühle vereinsamt vor einem Gewächshaus standen, einander in solcher Art zugewandt, dass Eichmann an zwei Freunde denken musste, die miteinander ins Gespräch versunken sind. Als dann die Pandemie begann, das Reisen schwieriger wurde und besonders das Fotografieren ferner Orte, beschloss er, das Projekt auch für andere Fotografen zu öffnen. Inzwischen hat sein Account über 8.000 Follower, er muss längst nicht mehr selbst nach Motiven suchen, sondern er bekommt von Fotografen aus aller Welt Aufnahmen zugeschickt, die ihr Bild gerne auf dem Account wiederfinden wollen. Eichmann sammelt die, die ihm gefallen, und stellt sie dann nach einem sehr eigenwilligen ästhetischen Prinzip zusammen: nach den Farbverläufen auf den Bildern, sodass beim Durchscrollen des Accounts allmählich der Farbgrundton der Strecke changiert und eine Art von pastelligem Regenbogeneffekt entsteht.
Z+
Z+ (abopflichtiger Inhalt);
Al-Azhari-Institut in Hamburg:
Institut des Hasses
Z+ (abopflichtiger Inhalt);
Raumfahrt:
Europas Frachtcontainer ins All
Z+ (abopflichtiger Inhalt);
Der Harem:
„Sexualität führt nicht zum richtigen Leben“
Diese freundlichen Farbtöne haben am Ende fast alle dieselbe Quelle: die Sonne. Auch aus den Bildern in diesem Heft leuchtet unser Zentralgestirn und mit ihm jenes Gefühl von Süden und freier Zeit, das uns Lust macht, die Koffer zu packen und aufzubrechen in weichere Gefilde.
Was tun, wenn man im spanischen Los Nietos (Foto) Hunger kriegt? Weiterfahren, sagt der Fotograf Alex Lorente Cervantes; in Los Nietos selbst ist nämlich wenig los. Bei dem 19 Kilometer entfernten Churrería-Stand A Por Churros in La Manga del Mar Menor schmecken besonders die Porras unvergesslich.
© Alex Lorente Cervantes
Wo verbringe ich einen gelungenen Abend in Meran? Dieses Foto entstand an einer Tankstelle nahe der Südtiroler Stadt. Der Fotograf Kurt Bauer rät zur Einkehr im Restaurant Meteo, das direkt am Ufer des Flüsschens Passer liegt, „stilvoll und elegant, aber dennoch locker und gemütlich“, wie er sagt.
© Kurt Bauer
Wo ein paar Drinks nehmen in Luanda? Das Bild entstand in der Hauptstadt Angolas. Der Fotograf Daniel Seiffert empfiehlt den Besuch der vor der Hafenstadt gelegenen Insel Mussulo, um dort zu gegebener Stunde ein eisgekühltes Getränk zu genießen.
© Daniel Seiffert
Was soll man im guatemaltekischen San Martín Jilotepeque unternehmen? Der Fotograf Juan Brenner empfiehlt einen Aufenthalt im unweit gelegenen Hotel Casa Xara. Einst die größte Getreidemühle des Landes, steigen dort heute vor allem Vogelliebhaber ab.
© Juan Brenner
Wo einkehren am Millstätter See in Kärnten? Anna Pihan, die das Bild geschossen hat, empfiehlt einen Besuch im Alpengasthof Bergfried. Von dessen Terrasse aus genießt man bei hausgemachtem Holundersaft, Kaffee und Torte einen herrlichen Blick über den Millstätter See und das Tal.
© Anna Pihan
Wo in Portugal sind die Sonnenuntergänge ganz besonders schön? Antoine Legond machte das Foto aus seinem Hotelzimmer heraus im Fischerdorf Sagres. Dort gebe es nicht viel, sagt er, die Sonnenuntergänge über dem Atlantik seien allerdings „intensiv, brennend, wild und furios“.
© Antoine Legond
Wo gehe ich wandern in Katalonien? Elisabet Mateu, Fotografin des einsamen Stuhls auf dem Bild, schlägt ausgedehnte Spaziergänge im Parc Natural del Montseny vor. Wer es beschwerlicher und höher mag, kann in dem rund eine Autostunde nordöstlich von Barcelona gelegenen Park auch bergsteigen, etwa auf den Gipfel des Matagalls.
© Elisabet Mateu
Wie verbringe ich die Abendstunden in Luang Prabang? Das Foto entstand in der ehemaligen Hauptstadt von Laos. Der Fotograf Eric Chakeen empfiehlt, den Tag mit einer Bootsfahrt auf einer der Fähren über den Mekong ausklingen zu lassen.
© Eric Chakeen
Wie komme ich nach Monterosso al Mare? Das Foto entstand in der ligurischen Küstengemeinde. Der Fotograf Johnny Carretes rät zur Anreise per Bahn – zumal man in der Bar da Stasiun so herrlich Espresso trinken kann.
© Johnny_Carretes
Was machen eigentlich die echten Korinther in Korinth? Einen Abendspaziergang, auf Griechisch volta, sagt Marco Argüello, Fotograf des Bildes aus der Stadt. Etwa entlang der Strandpromenade in Loutraki.
© Marco Arguello
Wo unterkommen in Goa? Norah Joskowitz, die dort dieses Fotos gemacht hat, hat in dem indischen Bundesstaat, dessen endlose Sandstrände längst weltbekannt sind, das Dorf Arambol für sich entdeckt. Sie kommt da stets im Hostel Namahstay unter, das ihr mittlerweile zum „zweiten Wohnzimmer“ geworden sei.
© Norah Joskowitz
Wie komme ich am besten durch den vietnamesischen Dai-Nam-Freizeitpark? Paul Hiller, der dieses Foto in dem Park nördlich von Ho-Chi-Minh-Stadt geschossen hat, rät unbedingt dazu, sich am Eingang ein Fahrrad zu mieten. Der Park, sagt er, sei absolut riesig, ohne Radl sei man eigentlich aufgeschmissen.
© Paul Hiller