Wenn es ergebnistechnisch nicht läuft, dann ist in Vereinen meist der Trainer das schwächste Glied in der Kette und wird von seinen Aufgaben entbunden. Oft wird dann von einem neuen Impuls gesprochen, den man der Mannschaft geben will – man kann ja auch nur schlecht das gesamte kickende Personal auf einen Schlag austauschen.

Zum Wochenstart wurde auch Benedetto Muzzicato die ausbleibenden Erfolgserlebnisse zum Verhängnis. Fünf von sechs Heimspielen verloren, zuletzt drei Pflichtspielniederlagen in Serie und auch Selbstzweifel ließen Alemannias sportlichen Geschäftsführer Rachid Azzouzi nicht mehr an eine Trendwende unter dem erst im Sommer als Nachfolger des plötzlich nach Braunschweig abgewanderten Aufstiegstrainer Heiner Backhaus geholten Deutsch-Italieners glauben.

Ein Kader, der zum Großteil für seinen Vorgänger zusammengestellt wurde, viele erst spät verpflichtete Schlüsselspieler, einem lange Verletztenliste und in den meisten Spielen nicht nur fehlendes Glück, sondern echtes Pech machten die Situation für „Muzzi“ nicht einfach – und dennoch hat man seine Idee von Fußball immer wieder aufblitzen sehen. Er wollte die Alemannia nach zwei Jahren unaufhörlichem Pressing spielerisch weiterentwickeln, die gelernte Intensität und die defensive Stabilität nutzen und um eine attraktive Offensivkomponente erweitern. Doch gerade die Defensive war mit dem Abgang von Patrick Nkoa und der schweren Verletzung von Kapitän Mika Hanraths in Kombination mit dem geforderten Aufbauspiel vom Abstoß weg die Problemzone. Hinzu kamen immer wieder Fehler in den immer besser werdenden Angriffskombinationen und so kassierten die Schwarz-Gelben zu häufig Gegentore, die Punkte blieben aus, der Trainer zweifelte zuletzt öffentlich an sich und der Kompatibilität seiner Fußballphilosophie am Tivoli und so war er nach elf Spieltagen das schwächste Glied in der Kette: Am Montag stelle Azzouzi Muzzicato, seinen Co-Trainer Noah Hach, der ebenfalls erst im Sommer kam, und den Technischen Direktor Erdal Celik, der Muzzicato nach Aachen gelotst und den Kader maßgeblich zusammengestellt hatte, frei.

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Bedauerlich, denn Muzzicatos Idee von Fußball war spannend, die Umstände verlangten aber mehr Zeit für eine erfolgreiche Implementierung …

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Erdal Celik, der mit der Alemannia der mit für den Aufstieg aus der Regionalliga verantwortlich war, verabschiedete sich mit emotionalen Worten von den Schwarz-Gelben:

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Während Azzouzi nun die verantwortlichen Posten am Spielfeldrand neu besetzen muss, übernahmen Co-Trainer Ilyas Trenz und U19-Coach Carsten Wissing interimsweise die Leitung der ersten Mannschaft. Keine ganz neue Situation, denn die beiden leiteten schon die ersten Trainingseinheiten dieser Saison nach dem Backhaus-Aus und vor der Muzzicato-Verpflichtung.

Trenz übernahm in dieser Konstellation die Aufgaben des Chef-Trainers und stand bei der Pressekonferenz am Mittwoch im Vorfeld der Partie Rede und Antwort – und wie!

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Trenz holte die Fans ab und in der Mannschaft kennt man den 28-Jährigen, seine Ansichten und seine Idee vom Fußball. Trenz kam mit Backhaus an den Tivoli und ließ keinen Zweifel an seiner Treue zum Klub aufkommen als sein einstiger Chef im Sommer gen Braunschweig entschwand. Er verlängerte seinen Vertrag am Tivoli. Bereits in der Vorsaison hatte er einige Trainingseinheiten hauptverantwortlich geleitet, da Backhaus zur Trainerschulung musste. Trenz, als Interimstrainer der mit Abstand jüngste hauptverantwortlicher Coach in Deutschlands ersten drei Ligen, kennt die Spieler, ihre Eigenheiten und weiß, wie man sie ansprechen muss.

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Und trotz Ergebniskrise und Trainerrauswurf, die schwarz-gelben Fans standen, stehen und werden immer hinter ihrem Verein stehen.

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Somit war alles angerichtet für das Flutlichtspiel am Freitagabend. Die Alemannia musste zum SV Wehen Wiesbaden reisen. Oder anders ausgedrückt: Es war wieder Matchday!

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Oder wie man auf der Insel sagt: Matchday!

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Und in Oche? Späldaag natürlich!

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Dieser fand in der für Aachen ungeliebten BRITA-Arena statt, in der die Alemannia bislang nur mit leeren Händen zurückgekehrt war.

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Das sollte aber am Freitagabend ganz anders ausschauen. Unter anderem dank Alemannias Top-Torschützen Lars Gindorf. Schon bei seinem Debüt für die Aachener beim Auswärtsspiel an der Essener Hafenstraße zeigte er seine Qualitäten vom Punkt und verwandelte gleich drei Elfmeter. In Wiesbaden trat er nach einem Zupfer gegen Valmir Sulejmani im Strafraum wieder an – und brachte die Aachener verdient nach 22. Minuten in Führung.

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Bis dahin hatte das Trenz-Team die Gastgeber vollkommen unter Kontrolle, stand defensiv sicher (erstmals in dieser Saison mit einer Viererkette), presste und kombinierte sich teils durch die gegnerische Abwehrreihe.

Und zeigte dann in der 29. Minute einen der schönsten Angriffe in dieser Spielzeit. Der Ball wurde fix und gekonnt über den ganzen Platz gespielt, dass den Wiesbadenern schwindelig werden musste und dann vollendete Mika Schroers zur zwischenzeitlichen 2:0-Führung für die Gäste!

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Das Besondere an diesem Tor war aber die Vorlage von Aachens Nummer 8! Bentley Baxter Bahn, der die gesamten 90 Minuten rauf und runter rannte, überall zur Stelle war, defensiv wie offensiv Akzente setzte, legte Schroers‘ Tor traumhaft mit der Hacke vor und erspielte sich so seinen neuen Namen:

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In der 37. Minute hätte Wiesbaden noch vor der Halbzeit rankommen können, nachdem Aachens Keeper Jan Olschwosky einen Strafstoß verursachte. Doch die Mannschaft aus der Wasserfilterarena hat nun mal keinen Gindorf, sondern nur einen Nikolas Agrafiotis, dessen Schuss von Olschowsky pariert wurde!

Die Aachener führten auswärts 2:0, hatten einen Elfmeter gegen sich überstanden – da kam auch der hauseigene Ticker ein wenig durcheinander:

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In der zweiten Halbzeit sahen die knapp 5000 Zuschauenden, darunter über 1600 aus der Kaiserstadt, wie Wiesbaden zunehmend drückender in ihren Offensivaktionen wurde. Kein Wunder, die Hausherren liegen einem 0:2 hinterher, hatten bis dahin kaum Land gesehen und nichts mehr zu verlieren. Bei den Aachenern schwanden durch den hohen Aufwand zudem auch ein wenig die Kräfte, nicht aber der Einsatz, die Leidenschaft und der Wille. Daran änderte auch das 1:2 durch dein eingewechselten Moritz Flotho in der 65. Minute nichts. Die Aachener verteidigten mit allem, was sie hatten, die knappe Führung. Zweifel am Auswärtssieg? Also bitte. Hoffnung auf einen Aufstieg? Aber natürlich.

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Der Blutdruck stieg, die Anfeuerungen aus dem Gästeblock wurden immer lauter (wie auch immer das noch möglich war) und so überstand die Alemannia den Wiesbadener Druck und sicherte sich – vielleicht etwas glücklich am Ende, aber vollkommen verdient – den Sieg!

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Wie viele Punkte macht das?

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Trenz hatte es geschafft die Unruhe der Woche aus der Mannschaft zu nehmen, die perfekt einzustellen und brachte gemeinsam mit ihr die versprochene Leidenschaft auf den Platz. Drei enorm wichtige punkte in der aktuellen Situation und eine Basis, auf der nun aufgebaut werden kann!

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Schade, dass das 28-jährige Trainertalent, der schon unter Backhaus für viele taktische Feinheiten verantwortlich gewesen sein soll, noch nicht alle erforderlichen Trainerscheine in der Tasche hat.

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Feiern konnte er an diesem Freitagabend aber dennoch mit seiner Mannschaft. Und das vollkommen zurecht! Die Alemannia zeigte, was sie ausmacht. Sie zeigte, dass die Tabelle momentan nicht das widerspiegelt, was an Potenzial in diesem Team steckt. Die Alemannia zeigte es allen, die sie nach dem rumpeligen Saisonstart schon abschreiben wollten!

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Und das alles pünktlich zum Geburtstag von „Mister Alemannia“! Am heutigen Samstag, dem 25. Oktober 2025, wäre Aachens Aufstiegstrainer von 1999, dem Mann, der den Klub wie kaum ein anderer geprägt hat, 77 Jahre alt geworden. An dieser Stelle zitieren wir gerne die Fans: „Werner Fuchs, du bist der beste Mann!“

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Im folgenden Artikel blicken wir noch einmal auf die Karriere des Pfälzers, der ein echter Öcher wurde.

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Für die Alemannia geht es kommende Woche Sonntag auf dem Tivoli gegen den FC Saarbrücken weiter. Mit dem nun neugewonnen Schwung soll dann endlich der zweite Heimsieg gelingen. Ist mehr als zuversichtlich: die Netzschau.

Den ausführlichen Spielbericht zum Spiel lesen Sie unter:

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Und zum Abschluss noch die aktuelle Tabelle:

Transparenzhinweis: Die Netzschau ist aus Alemannia-Fansicht geschrieben. Denn der Autor ist seit seiner Kindheit ein Anhänger der Schwarz-Gelben. Das erste Spiel hat er als Elfjähriger im Sommer 1998 gesehen, seit Jahresbeginn 1999 ist er bei jedem Heimspiel im Fanblock und hat in den vergangenen 26 Jahren nur vier verpasst. Seit einigen Jahren ist er auch auswärts immer dabei. 2011 hat er den Fanklub „Klenkes Brüder“ mitgegründet, dem er immer noch angehört. In die Netzschau fließen seine persönlichen Ansichten zur Alemannia ein.