Ein Orchester mit einem Dirigenten bei der Probe

AUDIO: Uraufführung von Rosy Wertheim an Staatsoper Hannover (4 Min)

Stand: 25.10.2025 15:16 Uhr

An der Staatsoper Hannover präsentiert das Staatsorchester Rosy Wertheims „Variationen über ein altes holländisches Lied“ aus dem Jahr 1916. Die Uraufführung der avantgardistischen Komponistin birgt 18 immer wilder werdende Variationen.

von Agnes Bührig

Die Komponistin, Pianistin und Musikpädagogin Rosy Wertheim war eine der ersten Frauen in den Niederlanden, die ein Kompositionsdiplom erhielt. Das niederländische Volkslied „Im Winter, wenn es regnet“ muss Rosy Wertheim schon als Kind gehört haben. 1888 wird sie in Amsterdam in eine gut bürgerliche Familie assimilierter Juden geboren. Als sogenannte höhere Tochter erhält sie Klavier- und Kompositionsunterricht, besucht Konzerte und Opernaufführungen. Später studiert sie in Amsterdam, geht nach Paris, nach Wien. Sie komponierte insgesamt mehr als 100 Werke und gab im Zweiten Weltkrieg in den besetzten Niederlanden heimlich Konzerte im Untergrund.

Konzerte für jüdische Geflüchtete im Untergrund

„Aus Wien ist sie wieder zurück, da wurde ihr der Antisemitismus in den 30er-Jahren wahrscheinlich zu krass“, sagt Arno Lücker, Dramaturg an der Staatsoper Hannover. „Dort ist sie in den Untergrund gegangen, hat Konzerte für jüdische Geflüchtete veranstaltet. Und es heißt, dass sie so ein ganz leichtes Dasein lebte. Also sie hat sich überhaupt keine Sorgen gemacht, dass sie von den Nazis geschnappt werden könnte. Auch die Schoah, den Zweiten Weltkrieg hat sie überlebt – im Gegensatz zu 95 Prozent ihrer Familie.“

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Orchesterwerk mit gewisser Leichtigkeit

Eine gewisse Leichtigkeit ist auch in Rosy Wertheims zehnminütigem Orchesterwerk auszumachen. Mal klingt es lyrisch, mal erinnert es an die Musik der Stummfilme. Walzer und Fuge tauchen auf, auch Richard Strauss‘ Oper Salome, die die 19-Jährige vielleicht bei der niederländischen Erstaufführung 1907 in Amsterdam gehört hat, könnte abgefärbt haben, erzählt Lücker. Bei der Recherche für sein Buch „250 Komponistinnen“ vor ein paar Jahren entdeckte der gebürtige Niedersachse Handschriften der Noten.

Insgesamt sind es 18 Variationen, die im Verlauf des Werkes immer wilder werden, erklärt der Dirigent Patrick Lange. „Gerade am Anfang, wenn das Lied vorgestellt wird, klingt das ganz einfach, fast schon banal. Über diese Variationen hinweg wird es aber immer so ein bisschen wilder“, sagt er. Zum Schluss blieben da auch einige Fragezeichen. „Gerade auch in den Orchesterproben haben wir gemerkt, dass da einige Musikerinnen und Musiker dastehen und sagen: Soll das wirklich so sein? Dann guckt man nochmal nach und sagt: Ja, auch im Autograf ist es wirklich explizit so. Man sieht, wie klar sie Harmonien setzt und wie klar sie auch Dissonanzen schreibt.“

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Avantgardistin zwischen Hindemith und Debussy

Rosy Wertheims „Variationen über ein altes holländisches Lied“ werden an der Staatsoper Hannover unter anderem mit dem 1905 uraufgeführtem Werk „Pelléas und Mélisande“ von Arnold Schönberg kontrastiert. Er ist ein Zeitgenosse der Komponistin, das Sujet hat zudem eine Verbindung zu ihr. Claude Debussy hatte es zuvor zur Oper gemacht, mit ihm verkehrte Rosy Wertheim in ihrer Pariser Zeit, so Lücker. „Sie war schon eine Avantgardistin ihrer Zeit. Sie hat Klavierstücke geschrieben, die sind ein bisschen neoklassizistisch. Dann gibt es eine tolle Violinsonate, die einerseits schön sperrig nach Hindemith klingt und andererseits schwingt aber auch Debussy mit. Also es gibt schon eine Verbindung der Elemente zueinander“, sagt der Dramaturg.

Viel zu früh, mit gerade einmal 61 Jahren, stirbt Rosy Wertheim nach einer Krebserkrankung 1949 in Laren im Norden Hollands. Die Nationalsozialisten hatten sie um ihr Hab und Gut gebracht, ihren Unterhalt verdient sie sich zuletzt als Klavierlehrerin an der regionalen Musikschule. In Amsterdam erinnert inzwischen eine Straße an sie, die Uraufführung an der Staatsoper Hannover wird sie hoffentlich auch in Deutschland bekannter machen.

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Ein Orchester mit einem Dirigenten bei der Probe

Uraufführung: Staatsorchester Hannover spielt Rosy Wertheim

Ihr Orchesterwerk „Variationen über ein altes holländisches Lied“ birgt 18 immer wilder werdende Variationen.

Datum:
26.10.2025, 17:00 Uhr
27.10.2025, 19:30 Uhr
Ort:

Opernhaus Staatsoper Hannover

Opernplatz 1

30159

Hannover

Hinweis zum Termin:
Zweites Sinfoniekonzert

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