In der Atmosphäre des Exoplaneten K2-18b sollen sich große Mengen eines Moleküls befinden, welches – zumindest auf der Erde – nur eine bekannte natürliche Quelle hat: Leben, in Form von Mikroorganismen.

Noch in Jahrzehnten, könnten wir auf diesen Zeitpunkt zurückblicken und erkennen, dass in diesem Moment das lebendige Universum in greifbare Nähe rückte, sagt Nikku Madhusudhan. Er ist Professor am astronomischen Institut der Universität Cambridge – jene legendäre Universität an der Stephen Hawking seine Ideen zu Schwarzen Löchern entwickelte und Isaac Newton ein Apfel auf das geniale Haupt fiel.

Eine Gruppe von Astronomen rund um Madhusudha hat jetzt neue Ergebnisse vorgestellt, die – wie sie sagen – bislang die vielversprechendsten Hinweise auf außerirdisches Leben sein könnten. Fundort ist ein „nur“ 124 Lichtjahre von der Erde entfernter, massiver Planet im Sternbild Löwe namens K2-18b. In der Atmosphäre des Exoplaneten sollen sich den Beobachtungen zufolge große Mengen eines Moleküls befinden, welches zumindest auf der Erde nur eine bekannte natürliche Quelle hat: Mikroorganismen, beispielsweise Meeresalgen im Phytoplankton und Bakterien.

„Es ist in niemandes Interesse verfrüht zu behaupten, wir hätten Leben gefunden“, räumte Hauptautor Madhusudhan, im Rahmen einer Pressekonferenz am Dienstag laut „New York Times“ ein. Bei aller Aufregung sei es unerlässlich weitere Daten zu erheben. Dennoch sei die beste Erklärung für die Beobachtungen des Teams, dass K2-18b von einem warmen Ozean bedeckt wird, der vor Leben überquillt. Dies sei ein „revolutionärer Moment“ in der Geschichte unserer Spezies.

Die Studie wird aktuell in der Fachzeitschrift „The Astronomical Journal Letters“ veröffentlicht. Mithilfe von Daten des James-Webb-Weltraumteleskops fanden die Astronomen typische Anzeichen für die Moleküle Dimethylsulfid (DMS) beziehungsweise Dimethyldisulfid (DMDS), oder eine Kombination von beiden. Bei diesen schwefelhaltigen, organische Verbindungen handelt es sich um „Biosignaturen“, sprich Hinweise auf organische Prozesse – und damit Leben.

Andere Wissenschaftler nannten die Beobachtung einen aufregenden Denkanstoß über die Zusammensetzung von K2-18b, zeigen sich bisher jedoch zurückhaltend in ihrer Einschätzung. „Es ist nicht nichts“, sagte etwa Stephen Schmidt, ein Planetenforscher an der Johns Hopkins University gegenüber der „New York Times“. „It’s a hint“, es sei ein Hinweis. Aber: Man könne noch nicht darauf schließen, dass der Planet bewohnbar ist.

Neue Klasse von Planeten

Die Existenz des Exoplaneten ist bereits seit zehn Jahren bekannt. K2-18b wurde im Jahr 2015 durch das Kepler-Weltraumteleskop der Nasa entdeckt. Es handelt sich um einen sogenannten Subneptun, eine Planetenart, die in unserer Galaxie häufig zu finden ist: größer als die steinigen Planeten im Inneren unseres Sonnensystems und kleiner als die Gas-Planeten im äußeren Sonnensystem.

K2-18b ist etwa 8,6 Mal so schwer und 2,6 Mal so groß wie die Erde, sein Zentralgestirn ist ein sogenannter Roter Zwerg, mit der halben Masse unserer Sonne. Der Planet befindet sich in der bewohnbaren Zone, jene Entfernung zum Zentralstern, in der Wasser auf der Oberfläche flüssig sein kann. Ein Jahr dauert hier allerdings nur etwa so lang wie 33 Tage auf der Erde, mehr braucht K2-18b nicht, um seine Sonne zu kreisen.

Seit der Entdeckung von K2-18b spekulieren Astronomen und Astrobiologen über dessen Zusammensetzung. Um diese zu bestimmen, beobachten Forscher das Licht, welches von dem Roten Zwerg ausgeht: Während der Planet vorbeifliegt, wird seine Atmosphäre erleuchtet. Wie Farbe in einem Glas Wasser hinterlässt jedes Molekül charakteristische Spuren im gemessenen Lichtspektrum. Da solche typischen Molekülprofile verschiedener Verbindungen aus Laborversuchen bekannt sind, können die Astronomen aus den entsprechenden Daten auf die chemische Komposition der Atmosphäre zurückschließen.

Bereits 2019 entdeckten Forscher mithilfe des Hubble-Weltraumteleskops der Nasa Anzeichen für Wasserdampf in der Atmosphäre von K2-18b. Die Gruppe um Madhusudhan vermutete anschließend, dass es sich um einen bewohnbaren Planeten mit einer wasserstoffreichen Atmosphäre handelt, dessen Oberfläche von Ozeanen bedeckt ist. 2021 hatte das Team die Existenz einer neuen Klasse solcher Planeten vorgeschlagen und diese „Hycean“ getauft. Der Begriff setzt sich aus den englischen Wörtern „Hydrogen“, Wasserstoff, und „Ocean“.

Das 2021 in Betrieb genommene James-Webb-Weltraumteleskop liefert nun noch tiefere Einblicke in die Zusammensetzung von Himmelskörpern. Und 2023 stieß die Gruppe aus Cambridge in den Daten auf starke Hinweise, dass Methan und Kohlenstoffdioxid in der Atmosphäre des Planeten vorhanden sind – interessanterweise jedoch kein oder kaum Wasser in der Atmosphäre.

Dies könnte daran liegen, dass sich der Wasserdampf nur in den unteren Atmosphärenschichten sammelt, argumentierten die Forscher damals. Insgesamt würden die Beobachtungen, zu den Vorhersagen eines „Hycean“-Modells passen.

Die britischen Astronomen fanden in den Daten jedoch auch ein anderes, schwächeres Signal, welches sie zu der aktuellen Studie führte: Hinweise auf das schwefelhaltige Molekül Dimethylsulfid (DMS). Die Gruppe wusste zwar nicht mit Sicherheit, ob es sich um das Molekül handelte. Aber schon allein die Möglichkeit bezeichneten sie als „aufregend genug“, um einen weiteren Blick durch das Teleskop zu werfen. Allerdings sind sie nicht die Einzigen, die damit arbeiten möchten, die Zeiten sind begrenzt.

Die Gruppe erhielt einen zweiten Beobachtungsslot und maß wie zuvor das Infrarotspektrum des Planeten. Dieses Mal jedoch in einer größeren Wellenlänge. Das DMS-Signal blieb dennoch „stark und klar“, sagt Madhusudhan. Nun würden weitere 16 bis 24 Stunden Beobachtungszeit genügen, um Messfehler nahezu vollkommen auszuschließen. Nach dem jetzigem Stand scheint es auf K2-18b eine tausendmal höhere Konzentration von DMS zu geben als auf der Erde – für die Forscher ein klares Zeichen: „Its Hycean seas are brimming with life“, die Meere quillen also vor Leben geradezu über.

Diese Schlussfolgerung wird von einigen Forschern jedoch infrage gestellt. So schrieb David Kipping, ein Astronom und Professor der Columbia University, New York, auf X, man wisse, dass es dieses Molekül auch auf Kometen gebe, in Referenz auf eine Untersuchung aus dem vergangenen Jahr.

Zudem veröffentlichten Astronomen einer anderen US-Forschungsgruppe erst vor wenigen Tagen eine Alternativ-Erklärung, wie hohe Konzentrationen von Dimethylsulfid entstehen könne. Die Wissenschaftler argumentieren in ihrer Studie, dass K2-18b womöglich kein sonniger, mit Wasser bedeckter Planet sei. Stattdessen könnte es sich genauso gut um einen gigantischen Steinkoloss mit einem Magma-Ozean und einer dicken, beißenden Wasserstoff-Atmosphäre handeln – kaum zuträglich für das Leben, wie wir es kennen. Einer der Autoren, Christopher Glein, Planetenforscher am Southwest Forschungsinstitut in San Antonio, sagte gegenüber der „New York Times“ in etwa: „Nichts ist bewiesen, solange E.T. uns nicht zuwinkt.“

Und Madhusudhan selbst betont: „Es ist wichtig, dass wir unseren eigenen Ergebnissen tief kritisch gegenüberstehen. Nur indem wir sie prüfen und nochmal prüfen, können wir einen Punkt erreichen, an dem wir uns sicher sind. So muss Wissenschaft arbeiten.“ Sein Team arbeitet mit anderen Gruppen zusammen, um im Labor herauszufinden, ob die beiden Moleküle DMS und DMDS auch unabhängig von Lebewesen auf natürliche Weise entstehen können. „Es besteht immer noch eine Chance von 0,3 Prozent“, so Madhusudhan, „dass es sich um einen statistischen Zufall handelt.“