Bei Regen und Wind haben in Hamburg laut der Polizei gut 2.600 Menschen gegen die Äußerungen von Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) zum Stadtbild demonstriert – deutlich weniger als die erwarteten 5.000. Die Veranstalter sprachen allerdings von 10.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.

Unter dem Motto „Wir sind das Stadtbild!“
zogen die Demonstrierenden vom Rathausmarkt durch die Innenstadt in
Richtung Hauptbahnhof. Auf Transparenten forderten sie „Zusammenstehen
gegen Rassismus und Spaltung“ und „Merz raus aus unserem Stadtbild“.

Zu der Demonstration hatten die Partei Die Linke, Fridays for Future Hamburg
und kleinere linke Gruppen aufgerufen. Die Hamburger AfD-Fraktion hatte den Aufruf kritisiert. Deutschland sei seit 2015 viel unsicherer geworden, und viele Hamburger Straßen seien abends „No-go-Areas“.

Merz
hatte am 14. Oktober in Potsdam gesagt, die Bundesregierung korrigiere frühere
Versäumnisse in der Migrationspolitik und schiebe inzwischen mehr Menschen ab, „aber wir
haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem“. Später legte er nach und sagte: „Fragen Sie mal Ihre Töchter, was ich damit gemeint haben könnte.“

SPD-Generalsekretär: Migration ist nicht das Problem

Unter dem Motto „Wir sind die Töchter“ demonstrierten in den letzten Tagen Tausende Menschen im ganzen Land gegen Merz‘ Äußerungen – darunter viele Frauen, die sich vereinnahmt sehen und Merz Rassismus vorwerfen. SPD-Generalsekretär
Tim Klüssendorf sagte, für Missstände in deutschen Innenstädten seien
vor allem Männer verantwortlich – gleich welcher Herkunft
. Migration sei dabei nicht das Problem. 

© Lea Dohle

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Am Mittwoch sagte Merz daraufhin, aus seiner Sicht würden vor allem diejenigen Migranten Probleme machen, die keinen dauerhaften
Aufenthaltsstatus hätten, nicht arbeiteten und die sich auch nicht an
die in Deutschland geltenden Regeln hielten. Dieser Aussage stimmten fast zwei Drittel der
Befragten im ZDF-Politbarometer zu
 – vor allem ältere Menschen. Allerdings sagte nur ein Drittel, dass sie sich an öffentlichen Orten unsicher fühlten.

Auch in anderen Städten fanden Demonstrationen statt. In Magdeburg beteiligten sich laut
Polizei mehr als 300 Menschen. „Die jüngsten Äußerungen von Herrn Friedrich Merz,
der von einem Problem im Stadtbild sprach, haben viele von uns tief
betroffen“, sagte die Vertreterin eines afghanischen Frauenvereins. „Solche Worte lassen Menschen, die seit Jahren Teil dieser Gesellschaft
sind, spüren, dass sie immer noch als anders oder fremd gesehen werden.“ Migration werde dabei nicht als selbstverständlicher Teil Deutschlands
verstanden, sondern als etwas Störendes. 

Ein Vertreter eines syrischen-deutschen
Kulturvereins sagte, die Worte des Bundeskanzlers dürften nicht einfach
so im Raum stehen bleiben. „Wir sagen dazu klar und eindeutig:
Politische Maßnahmen kann man diskutieren, aber Menschen sprachlich zu
einem Problem zu erklären, überschreitet eine Grenze, Herr Merz.“ Die Würde des Menschen hänge nicht vom Aufenthaltsstatus oder einem Arbeitsvertrag ab.

Auch am Wohnort des Kanzlers wird demonstriert

Im
niedersächsischen Hildesheim protestierten nach übereinstimmenden
Angaben der Polizei und der Veranstalter etwa 500 Menschen. Unter
dem Motto „What the Fritz??? Wir sind das Stadtbild!“ hatte ein breites
Bündnis aus Initiativen und Gewerkschaften zu dem Protest aufgerufen. Am Wohnort des Kanzlers, im
sauerländischen Arnsberg, demonstrierten etwa 150 Menschen. In Bonn wurde in der Nacht die
CDU-Kreisgeschäftsstelle mit den Worten „Maßnahme zur Verschönerung des Stadtbildes“ beschmiert. Der Staatsschutz ermittelt.

Der Rapper Eko Fresh setzt sich in einem neuen Song mit dem Titel Friedrich kritisch mit der Stadtbild-Äußerung des Kanzlers
auseinander
. Er beschreibt die Diskriminierung von Menschen mit Migrationshintergrund mit den Worten: „Wir werden in der zweiten Reihe geparkt.“

Stadtbild-Debatte

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