Tobias Kratzer

AUDIO: Wie Tobias Kratzer das Opern-Repertoire nach vorne bringen will (3 Min)

Stand: 25.10.2025 13:45 Uhr

Der neue Intendant der Hamburger Staatsoper Tobias Kratzer hat einen fulminanten Start hingelegt: „Das Paradies und die Peri“ und die Kinderoper „Die Gänsemagd“ wurden gefeiert. Ältere Stücke kommen zum Teil schlechter an. Das will er ändern.

von Peter Helling

Der Start seiner Intendanz ist geglückt – Tobias Kratzer wirkt zufrieden – aber nicht selbstzufrieden. Im Gegenteil. „Jetzt beginnt der Marathon“, sagt er. Da sei man jetzt in etwa auf dem ersten Kilometer. „Da ich tatsächlich bei den Bundesjugendspielen beides mochte, den 100-Meter-Lauf und den 1.000-Meter-Lauf, kommt mir das durchaus entgegen.“

„Framing the Repertoire“

Die Langstrecke fängt jetzt an, denn für ihn ist Oper ein Ort der Auseinandersetzung. Dafür sind dem Intendanten nicht nur die Premieren wichtig, sondern auch ältere Repertoire-Stücke, manche sind vor mehreren Jahrzehnten entstanden. Oder 2018!

„Cosi fan tutte“ ist beispielsweise ein Mozart-Klassiker, aber trotzdem leider kein Selbstläufer und weit entfernt davon, ausverkauft zu sein. Das soll sich ändern, sagt der Intendant. „Eines der schönsten, jetzt schon erfolgreichsten Programme, die wir machen heißt ‚Framing the Repertoire‘. Framing heißt im Grunde, das Repertoire neu zu rahmen, so wie man ja ein Bild, was vielleicht schon ein bisschen verstaubt aussieht, durch eine neue Rahmung neu in Szene setzen kann. Wir begleiten zum Beispiel jede Repertoire-Serie mit einer Veranstaltung“, betont Kratzer. Am Ende einer Aufführungsserie gibt es Aktionen, Vorträge, Workshops, die neugierig machen sollen mit einem neuen Blick auf eine alte Inszenierung.

Die linke weibliche Person trägt ein weißes Kleid mit Blutflecken und umarmt einen Engel.

Mit dem Stück hat am Sonnabend die neue Intendanz von Tobias Kratzer an der Staatsoper begonnen – ein phänomenaler Start.

Mozart, der zotige Pubertierende

Bei „Cosi fan tutte“ singen Mitglieder des Opernstudios Musik von Mozart in der Pause, da werden Briefe von ihm vorgelesen, die einen anderen Mozart zeigen: den zotigen pubertierenden Jungen, weniger das hehre Genie. Und bei „Hänsel und Gretel“ von Humperdinck, inszeniert 1972, kann sogar das Publikum mitsingen! „Das gehört zu Weihnachten dazu, da soll dieses Stück, das für viele viele Kinder der erste Schritt ist, um Theater zu erleben, in deren Lebensrealität rüber schwappen“, hofft der Intendant.

Noch eine Neuerung: Jede Repertoire-Vorstellung wird von drei sogenannten Framing Guides begleitet. Das sind drei Studierende, die man als Experten im Foyer ansprechen kann. Das Angebot wird schon sehr gut angenommen, so Kratzer. „Als angenehmer Nebeneffekt hat auch jeder jüngere, jede jüngere Besucherin sofort drei Gleichaltrige auf Augenhöhe, womit auch so eine Schwellennagst, ‚ich geh‘ da in so ein Haus, wo nur so Senioren sind‘, abgebaut wird.

Auf einer Bühne steht eine Frau vor einem Pferd, eine weitere Frau sitzt an einem Tisch

Das Publikum als Gänseschar: Die frische Inszenierung an der Staatsoper macht Spaß – und liefert Musik mit Ohrwurm-Potenzial.

Günstige Tickets für junge Leute und „Sneak Club“

Tobias Kratzer hat schon als Kind die Oper geliebt, erzählt er. Der Schlüssel zum Einstieg: günstige Tickets! Daran will er anknüpfen. Das Haus bietet Karten zu einem Fixpreis von 15 Euro für alle Vorstellungen: für Jugendliche, Studierende, Auszubildende unter 30. Generalproben sind für diese Altersgruppe sogar kostenlos zehn Tage vorher buchbar. „Das heißt ‚Sneak Club‘. Das ist ein neues Angebot und danach legt noch ein DJ im unteren Foyer auf. Das kann ich jedem nur empfehlen.“

Für Tobias Kratzer gehen Alt und Neu Hand in Hand, rund zwei Drittel seiner Stücke sind Repertoire. Kulinarisch gesprochen sind sie ein bisschen wie die alten verstaubten Weinflaschen im Keller. Ihm gefällt dieser Vergleich, sagt er. „Alles, was Essig wurde, spiele ich nicht, aber die älteren Inszenierungen, die ich noch spiele, die haben im Idealfall schon eine Qualität. Es geht darum, kein Verschludern zuzulassen, was mit solchen Inszenierungen schon passiert an manchen Häusern“, so Kratzer.

Opern als „Zeitspeicher“ mit Differenz zum Heute

Ob Ariadne, ob die Zauberflöte oder Tosca: Das Repertoire soll hier glänzen. Auch die alten Programmhefte bekommen einen neuen Umschlag, werden so neu gerahmt. Oper ist kein Museum, aber ältere Stücke runden ein zeitgemäßes Opern-Programm erst richtig ab, sagt Tobias Kratzer. Sie seien ein Zeitspeicher, der vielleicht auch etwas über die Differenz zu heute aussage. Das Repertoire soll jeden Abend wie neu klingen, neu wie eine Premiere, darum geht es ihm.

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