Adeline Rüss und Anniek Vetter nahmen im Tsingtau-Keller das Publikum mit auf eine spannende Tauchfahrt. Foto: Rainer Kellmayer
Im Esslinger Tsingtau-Keller begeistert unter dem Motto „Endlose Sehnsucht – endliche See“ eine bunte Performance das Publikum.
Nach stimmkräftig vorgetragenen Seemannsliedern des Shanty-Chors hieß es im stilvollen Keller der Marinekameradschaft Tsingtau in der Esslinger Landolinsgasse 16 „Leinen los“ für ein einen Abend voller Überraschungen. Inmitten von Schiffsmodellen, Flaggen und Fotografien aus aller Welt reflektierte der Abend mit Kreativem aus darstellender Kunst, Musik, Literatur und Performance unter dem Motto „Endlose Sehnsucht – endliche See“ die Themenkomplexe Wasser, Fluss und Meer.
„Als ich mit meiner Kollegin Sylvia Winkler vor Jahren eine Kunstausstellung im Tsingtau-Keller machte, war für uns klar: In diesem tollen Ambiente müssen wir mal etwas Besonderes auf die Beine stellen“, sagt die Esslinger Künstlerin Rosy Albrecht. Jetzt war es so weit. Zusammen mit der Stuttgarter Installationskünstlerin Sylvia Winkler kuratierte sie mit „Endlose Sehnsucht – endliche See“ einen Abend, der am Samstag zahlreiche Besucherinnen und Besucher in den Tsingtau-Keller lockte.
„Meerjungfrauen“ nehmen Publikum mit auf Tauchfahrt
Bei der Vorbereitung der Veranstaltung ließ die engagierte Netzwerkerin Rosy Albrecht ihre Beziehungen spielen und trommelte für ein schillerndes Programm rund um die Seefahrt. „Es war viel Arbeit. Die Planung der Performance, die nicht nur Informatives, sondern jede Menge Spaß und Unterhaltung bringen sollte, zog sich über ein Jahr hin“, erzählt Rosy Albrecht. Wie der begeisterte Beifall der Zuschauer zeigte, haben sich die Mühen gelohnt. Ein optischer Genuss war der Beitrag von Adeline Rüss und Anniek Vetter. Kostümiert als Meerjungfrauen nahmen sie das Publikum mit auf eine imaginäre Tauchfahrt: Mal gurgelnde Laute ausstoßend, mal urige Walgesänge anstimmend, gespenstisch beleuchtet und mit Videoeinspielungen adäquat illustriert.
Ernster wurde es, als Dieter Benze, der Vorsitzende der Marinekameradschaft Tsingtau, einen Einblick in die Gepflogenheiten der Reedereien und das harte Leben der Seeleute gab. Benze ist selbst lange Jahre zur See gefahren, zudem hat er sich einst gewerkschaftlich engagiert. „Heute ist alles nur noch auf Profit ausgerichtet“, beklagt er. Es ginge den Reedern vordringlich um ihre Schiffe und hohe Erträge – der Mensch spiele lediglich eine untergeordnete Rolle.
Erschütternde Berichte zur heutigen Seefahrt
Um Personalkosten, insbesondere Sozialleistungen, zu sparen, seien die deutschen Seeleute sukzessive durch Kollegen aus dem ostasiatischen Raum ersetzt worden, die finanziell und sozial sehr schlecht gestellt sind. „Da die meisten Schiffe heute unter der Flagge exotischer Länder fahren, gibt es keinerlei rechtliche Sicherheit für die Schiffsbesatzungen“, beklagt Benze.
Nach diesen ernsten Gedanken sorgten Armin Subke und Hans Pfrommer als „Matrosen von der Tanja“ für Erheiterndes, gefolgt von philosophischen Betrachtungen Matthias Gronemeyers, der sich in einer Lecture Performance mit Binnenschiffern, Datenströmen und Ertrinkenden im Meer der Zeichen auseinandersetzte.
Wie ein Esslinger einst zu hohen Ehren in Wien kam
Informatives steuerte Joachim J. Halbekann, der Leiter des Esslinger Stadtarchivs, bei. Er berichtete aus dem Leben des 1829 in Esslingen geborenen Ferdinand Hochstetter, der später in Wien zu hohen Ehren kam. Hochstetter, ein angesehener Wissenschaftler, ist auch für zwei Jahre auf einer Segelfregatte zur See gefahren. Durch umfassende Forschungen wurde er in der Fachwelt geschätzt, und in Neuseeland erreichte er durch seine geologischen Studien Berühmtheit. Dann war wieder Unterhaltung Trumpf. Bei ihrem humorigen Werbeblock rund um das weitverbreitete Wasser „Evian“ hatte Nana Hülsewig die Lacher auf ihrer Seite. Und auch die Figurenkünstlerin Steffi Oberhoff unterhielt mit ihrer kettenrauchenden, stets quengelnden Puppe alias Kult-Oma „Ihre Durchraucht“ das Publikum aufs Beste.
Als Stephan Köperl den chinesischen Text „Qui Ke-Leute einladen“ vorgelesen hatte, klang der unterhaltsame Abend mit dem Shanty-Chor Tsingtau und dem Akkordeonisten Florian Kannemann musikalisch aus.